# taz.de -- Philipp Rösler zu erneuerbarer Energie: „Die Kosten in den Griff… | |
> Strom muss bezahlbar bleiben. Sonst akzeptieren die Bürger die | |
> Energiewende nicht, glaubt Wirtschaftsminister Philipp Rösler. | |
Bild: Zu wenig Sonne: Windräder bei Husum. | |
taz: Herr Rösler, haben Sie schon mal darüber nachgedacht, sich auf Ihr | |
Hausdach eine Solaranlage zu bauen? | |
Philipp Rösler: Nein, bisher nicht. | |
Warum nicht? | |
Bislang ist die Fotovoltaikförderung bei uns ein Geschäft zulasten der | |
Allgemeinheit. Gerade Geringverdiener können sich eine Installation oft | |
nicht leisten, müssen aber die Milliardensubventionen mit der eigenen | |
Stromrechnung zahlen. Das ist alles andere als gerecht. Wir müssen darauf | |
achten, dass Energie für alle bezahlbar bleibt. | |
Am 15. Oktober ist Showdown in Sachen Energiepolitik. Dann soll bekannt | |
gegeben werden, um wie viel die EEG-Umlage steigt. Wahrscheinlich gib es | |
Anfang 2013 einen Aufschlag um 50 Prozent. Wird Strom zum Luxusgut? | |
Es ist zu befürchten, dass es deutlich mehr wird als die 3,59 Cent pro | |
Kilowattstunde, die wir jetzt haben. Das ist doch der beste Beweis dafür, | |
dass wir die Förderung erneuerbarer Energien umbauen müssen. Sie sind der | |
Hauptkostentreiber. Um das zu ändern, ist das beste System ein | |
marktwirtschaftliches und nicht die Planwirtschaft, die wir heute haben. | |
In der letzten Dekade haben sich die Kosten für fossile Brennstoffe | |
teilweise verdoppelt. Erneuerbaren Energien werden ständig billiger, sollte | |
da ein Wirtschaftsminister nicht so schnell wie möglich umstellen? | |
Das ist grundsätzlich richtig. Deshalb wollen wir ja auch den Ausbau der | |
erneuerbaren Energien auf 35 Prozent unseres Stromverbrauchs bis zum Jahr | |
2020. Das Problem ist, dass die Kostensenkung bei Solar- oder Windstrom | |
nicht bei den Verbrauchern landet. Sie haben nichts von mehr Effizienz, | |
mehr Innovationen und den Skalierungseffekten, wenn mehr Anlagen zu | |
niedrigeren Preisen an der Strombörse führen | |
Sinkende Preise an der Strombörse treiben vielmehr die Förderkosten für | |
erneuerbare Energien zusätzlich in die Höhe. Hier wollen wir mit unserem | |
Modell gegensteuern. Wir wollen die Erneuerbaren ausbauen, aber | |
ausdrücklich nicht auf der Grundlage des überholten EEG-Systems. | |
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist nicht so teuer, wie Sie immer | |
behaupten. Die privaten Verbraucher finanzieren damit günstigeren Strom für | |
Teile der Industrie. Ist das die ehrliche Energiewende, die sie versprochen | |
haben? | |
Richtig ist, dass es diese Kompensation für die energieintensive Industrie | |
gibt. Sie machte im vergangenen Jahr rund 0,6 Cent pro Kilowattstunde aus, | |
ein Sechstel der EEG-Umlage 2011. Ohne diese Ausnahmen droht der Verlust | |
von vielen Arbeitsplätzen. Das ist mit mir nicht zu machen. | |
Die Solarindustrie ist entsetzt über Ihr Mengenmodell, fürchtet einen | |
Markteinbruch und sagt, man zerstöre sie, kurz bevor sie konkurrenzfähig | |
werde. | |
Seit Jahren heißt es, Solarstrom werde bald konkurrenzfähig. Dabei sind die | |
Schwierigkeiten für Fotovoltaik in Deutschland doch naturgegeben. Wir haben | |
zwar die höchste Dichte an Solarstromanlagen weltweit, aber weit weniger | |
Sonnenstunden als unsere europäischen Partner im Süden. Deshalb trägt | |
Solarstrom auch nur einem äußerst geringen Teil zur gesamten | |
Stromproduktion bei. All die Fehlsteuerungen, die eine Planwirtschaft mit | |
sich bringt, sind im Bereich der Fotovoltaik eingetroffen. Deshalb hat | |
unsere heimische Solarindustrie in der Vergangenheit Marktanteil um | |
Marktanteil verloren, vor allem an die asiatische Konkurrenz. | |
Haben Sie die deutsche Solarindustrie bereits aufgegeben? | |
Nein. Aber eines ist klar: Der Innovationsdruck wird zunehmen. Unternehmen | |
wie Bosch Solar sagen: Wir wollen ein System, das Innovationen fördert, | |
dann haben wir auch wieder international eine Chance. Wenn hingegen eine | |
Industrie von Markt und Wettbewerb ausgeschlossen ist, dann wird sie träge. | |
Bundesumweltminister Peter Altmaier sagt, in dieser Legislatur werde sich | |
am EEG sowieso nichts mehr ändern. Und in der nächsten, na ja, da regieren | |
sie wahrscheinlich sowieso nicht mehr zusammen. | |
Diese Koalition hat alle Chancen, wiedergewählt zu werden. Und warum so | |
zaghaft mit Reformen? Am 15. Oktober wird mit der Festlegung der neuen | |
EEG-Umlage die Diskussion über die Strompreise neuen Schwung erhalten. Wir | |
haben ein Modell vorgelegt, mit dem wir die Kosten in den Griff bekommen. | |
Kurzfristig brauchen wir eine Strompreisbremse und wollen die Stromsteuer | |
senken. Einer solchen Diskussion wird sich die Union nicht verweigern | |
können. Wenn wir die Kosten nicht in den Griff bekommen, dann wird die | |
Akzeptanz der Energiewende schwinden. Das kann keiner wollen. | |
Wollen Sie den Ausbau von Windkraft und Solar zunächst auf Eis legen, wie | |
es die FDP-Bundestagsfraktion vorgeschlagen hat? | |
Das Präsidium meiner Partei hat einen klaren Beschluss gefasst: Wir wollen | |
alle weiterhin den Ausbau der erneuerbaren Energien, aber auf einer | |
wirtschaftlich vernünftigen Grundlage. | |
Der Staat greift auch in anderen Wirtschaftszweigen in die Preisbildung | |
ein, zum Beispiel in der Landwirtschaft. Warum verwenden sie ausgerechnet | |
beim EEG den ideologisch aufgeladenen Begriff Planwirtschaft? | |
Weil das EEG nicht ein kleiner Eingriff in die Preisbildung ist, sondern | |
ein Diktat. In welchen Branchen gibt es denn sonst nahezu 100 Prozent | |
staatliche Vergütung? Als wir vor einigen Monaten erste Anpassungen | |
vorgenommen haben, war der Unmut enorm. Das ist absurd. Auch die taz muss | |
sich doch am freien Markt behaupten. | |
Ihr Modell schreibt Unternehmen über die Menge vor, wie viel Prozent ihres | |
Stromes aus erneuerbaren Quellen stammen muss. Wo ist da der Markt? | |
Noch mal: Ich will eine Förderung der Erneuerbaren. Aber ich will nicht, | |
dass der Staat die Preise für einzelne Energieformen festlegt. Wir wollen | |
die Menge langsam steigern und so einen Ausbau erneuerbarer Energien | |
vorantreiben. Wie einzelne Unternehmen den Anteil erreichen, ob mit | |
Offshorewind oder wie auch immer, das sollte jeder für sich frei im Markt | |
entscheiden. | |
Sie wollen die Industrie zwingen, fossile Kraftwerke als Reserve für den | |
Winter betriebsbereit zu halten. Sieht so eine Marktlösung aus? | |
Momentan werden fossile Kraftwerke im Betrieb teurer, weil sie immer | |
weniger ausgelastet sind. Also legen die Stromversorger manches Kraftwerk | |
still. Das ist eine Fehlsteuerung der momentanen Förderpolitik: Erneuerbare | |
Energien dürfen immer als Erste ins Netz einspeist werden und erhalten | |
stets die gleiche Vergütung. Egal, ob der Strom gebraucht wird oder nicht. | |
Die sichere Versorgung mit Strom ist gerade an einem Industriestandort wie | |
Deutschland das A und O. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Lichter | |
ausgehen. Ob es uns passt oder nicht: Hier müssen wir handeln und | |
Reservekraftwerke betriebsbereit halten. | |
Ihr Kabinettskollege Altmaier schlägt vor, den Bürgern eine finanzielle | |
Beteiligung am Netzausbau zu ermöglichen, mit einer Rendite von 5 Prozent. | |
Was halten Sie davon? | |
Der Vorschlag wird bereits seit Langem diskutiert. Bei einigen sogenannten | |
Bürgerwindparks hat das zu einem enormen Akzeptanzschub geführt. Besonders | |
spannend ist eine Beteiligung an den kleineren Verteilnetzen, wie sie für | |
dezentrale, regenerative Energien benötigt werden. Wir müssen Aufwand und | |
Nutzen genau prüfen. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es auf dieser | |
Ebene auch Bürgernetze geben wird. | |
Wird es auch eine Solaranlage auf Ihrem Dach geben, wenn sie ohne Förderung | |
bezahlbar ist? | |
Wir setzen zu Hause auf mehr Energieeffizienz. In der Nähe von Hannover | |
haben wir ein schon älteres Haus gekauft und es inklusive Dach gedämmt. Ich | |
bin ein großer Anhänger von Energieeffizienz. Was nicht verbraucht wird, | |
muss auch nicht erzeugt werden. | |
5 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
I. Arzt | |
K. Schöneberg | |
## TAGS | |
Netzausbau | |
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