# taz.de -- Energieexport: Deutscher Kohlestrom für Europa | |
> Heißt Atomausstieg Stromimport von den Nachbarn? Keineswegs: Noch nie | |
> floss so viel Strom ins Ausland wie 2012. Mit viel Kohle im Energiemix. | |
Bild: Eine klare Botschaft auf den Kühlturm eines Kohlekraftwerks projiziert | |
FREIBURG taz | Deutschland hat im Jahr 2012 den größten | |
Stromexportüberschuss seiner Geschichte erzielt. Das geht aus vorläufigen | |
Daten der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen hervor. Danach lag der | |
Überschuss bei 23 Milliarden Kilowattstunden – der bisherige Spitzenwert | |
hatte 2008 bei 22,4 Milliarden gelegen. Die Menge des Exportüberschusses | |
entspricht fast einem Viertel des in Deutschland erzeugten Atomstroms (99 | |
Milliarden Kilowattstunden) und damit der Jahreserzeugung von zwei großen | |
Atomkraftwerken. | |
Bis kurz nach der Jahrtausendwende hatte Deutschland stets eine recht | |
ausgeglichene Import-Export-Bilanz, doch durch die zunehmende Nutzung | |
erneuerbarer Energien ergibt sich seither ein wachsender Exportüberschuss. | |
Ein Ausreißer war das Jahr 2011, als mit der plötzlichen Abschaltung von | |
acht Atomkraftwerken nur noch 6,3 Milliarden Kilowattstunden exportiert | |
wurden. Importland war Deutschland in der Gesamtjahresbilanz letztmalig | |
2002. | |
Entgegen manchen Befürchtungen hat die Stromerzeugung aus fossilen Energien | |
mit dem Atomausstieg nicht zugenommen. Mit 356 Milliarden Kilowattstunden | |
aus fossilen Energien lag das Jahr 2012 sogar noch knapp unterhalb des | |
Wertes von 2010, also dem letzten Jahr vor der Fukushima-Katastrophe. | |
Damals waren 358 Milliarden Kilowattstunden fossil erzeugt worden. Und auch | |
im Vergleich zum Zehnjahresmittel blieb die Stromerzeugung aus fossilen | |
Rohstoffen im Jahr 2012 unterdurchschnittlich. | |
Klimapolitisch bedenklich ist vielmehr die Verschiebung der Prioritäten | |
innerhalb der fossilen Energien: Während die Stromerzeugung aus Braunkohle | |
gegenüber dem Vor-Fukushima-Jahr 2010 um zwölf Milliarden Kilowattstunden | |
zulegte und auch die Verstromung von Steinkohle leicht anstieg, brach die | |
Stromerzeugung aus Erdgas um 17 Milliarden Kilowattstunden ein – auf den | |
niedrigsten Wert seit 2004. | |
Eine wesentliche Ursache für die Abkehr vom Erdgas ist der Preisverfall am | |
Markt für Emissionsrechte: Bei einem Preis von derzeit weniger als sieben | |
Euro pro Tonne CO2 besteht für die Kraftwerkswirtschaft wenig Anlass, dem | |
klimafreundlicheren Erdgas gegenüber der Kohle den Vorzug zu geben. Ein | |
Preis von 25 bis 30 Euro je Tonne gilt als Minimum, um einen Umstieg auf | |
Erdgas zu bewirken. | |
## Erzwungene Kohle-Drosselung | |
Unterdessen dürfte im Jahr 2013 der weitere Ausbau von Windkraft und | |
Solaranlagen die Kohleverstromung spürbar zurückdrängen, wie kürzlich auch | |
die Zeitschrift Photon darlegte: „Inzwischen erzwingt die Photovoltaik | |
immer öfter die Drosselung der extrem umweltschädlichen | |
Braunkohlekraftwerke.“ Denn der Stromexport Deutschlands gerät an Grenzen. | |
An den Kuppelstellen zum Ausland, so schreibt das Fachmagazin, komme es | |
immer häufiger zu Engpässen. Absehbar ist damit, dass vor allem die | |
Photovoltaik, die nach einem neuem Rekordzubau im Jahr 2012 derzeit auf | |
eine installierte Leistung von 32,5 Gigawatt kommt, die deutsche | |
Stromwirtschaft im Jahr 2013 erheblich verändern wird. | |
Das wachsende Stromangebot aus erneuerbaren Energien führt im Großhandel | |
längst zu fallenden Strompreisen. Strom zur Lieferung im Jahr 2014 war | |
gestern an der Leipziger Energiebörse EEX erstmals für unter 45 Euro pro | |
Megawattstunde zu haben. Vor der Katastrophe von Fukushima hatte der Preis | |
bei rund 54 Euro gelegen und war dann im Zuge der Energiewende auf gut 60 | |
Euro angestiegen, weil mit einer Verknappung gerechnet wurde. Doch schon | |
bald setzte sich am Markt die Erkenntnis durch, dass es übers Jahr gesehen | |
auch in Zukunft an Strom nicht mangeln wird – und so fallen die Preise am | |
Terminmarkt beinahe stetig. | |
10 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
Bernward Janzing | |
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