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# taz.de -- „Global Soil Week“: Auf dem Boden der Tatsachen
> Fruchtbare Böden werden weltweit immer knapper. Höchste Zeit zu handeln,
> sagen Wissenschaftler, denn ohne Boden gelingt kein Klimaschutz.
Bild: Furchtbare Böden werden weltweit immer knapper – mit gravierenden Folg…
BERLIN taz | Wasser gilt als Ressource, um die Kriege geführt werden.
Wälder sind so wertvoll, dass sogar Bierkonzerne mit ihrem Schutz werben.
Nur die Ressource, auf der Wälder wachsen und die das Wasser speichert und
reinigt, wird kaum wahrgenommen: fruchtbare Böden.
Doch das ändert sich gerade. Kaum eine Diskussion über Ressourcenpolitik
kommt ohne den Hinweis auf die „unterschätzte Ressource Boden“ aus. Das
Umweltbundesamt (UBA) gibt eine Publikation nach der anderen zum „Boden“
heraus, und diese Woche trifft sich alles, was in der Entwicklungs- und
Umweltpolitik Rang und Namen hat, in Berlin, um auf der Global Soil Week
über den Erhalt fruchtbarer Böden zu diskutieren.
Der Veranstalter, das Potsdamer Institute for Advanced Sustainability
Studies (IASS) unter Exekutivdirektor Klaus Töpfer, hat den Zeitpunkt
bewusst gewählt: Nächste Woche am Montag beginnt die neue Klimakonferenz in
Doha. Wer das Klima schützen will, kommt am Thema Boden aber nicht vorbei.
Mit 4.000 Milliarden Tonnen speichert der Boden weltweit mehr Kohlenstoff,
als Atmosphäre und Wälder zusammen. Gesunde Böden sind die Voraussetzung
dafür, dass genug Nahrungsmittel für demnächst 9 Milliarden Menschen
angebaut werden können. 70 Prozent des weltweiten Lebensmittelbedarfs
werden derzeit auf Böden erzeugt, 30 Prozent der Nahrungsmittel kommen aus
dem Wasser.
## Boden ging verloren
Zudem müssen auf den Böden auch noch genug Pflanzen für Chemieindustrie und
Energiewirtschaft wachsen, wenn die Industrie das Erdöl durch nachwachsende
Rohstoffe ersetzen will. Dabei ist die Ressource Boden knapp: Nur 12
Prozent der Erdoberfläche sind landwirtschaftlich nutzbar, mit abnehmender
Tendenz.
Laut IASS stehen jedem Menschen weltweit nur noch 0,22 Hektar fruchtbaren
Bodens zur Verfügung, da Boden verloren ging und die Bevölkerung gewachsen
ist. 1960 hatte jeder Mensch rechnerisch noch mehr als die doppelte Menge
Boden.
Wie bedrohlich der Verlust in Heller und Pfennig ist, will die Initiative
Economics of Land Degradation (ELD) zeigen. In dem Netzwerk arbeiten
Wissenschaftler, Politiker und Unternehmen zusammen daran, den Bodenverlust
zu beziffern.
Ihr Vorbild ist der frühere Chefökonom der Weltbank, Nicholas Stern, der im
sogenannten Stern-Report die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels
berechnet und damit das Thema auf die internationale Agenda gebracht hat.
Auf 70 Dollar pro Kopf und Jahr beziffert die ELD die durch Erosion von
Ackerboden durch Wind und Wasser entstehenden Kosten.
## Größter Feind des Bodens ist die Landwirtschaft
Ein solcher Report sei längst überfällig, mahnt Joachim von Braun an, der
als Direktor des Bonner Zentrums für Entwicklungsforschung beim ELD
mitmischt. Damit es nicht bei einem Bericht bleibe, sondern Aktionen für
nachhaltige Bodennutzung herauskämen, müssten Bauern beteiligt werden.
Größter Feind des Bodens ist die Landwirtschaft.
Doch befassen sich Kampagnen zum Bodenschutz in Deutschland meist damit,
dass auf fruchtbarer Erde zu viele Straßen, Häuser und Gewerbegebiete
gebaut werden. „13 Prozent der Landesfläche sind inzwischen versiegelt“,
kritisiert Helmut Röscheisen, Generalsekretär des Deutschen
Naturschutzrings. Im Schnitt gingen täglich 87 Hektar verloren.
Doch auf dem Boden gedeihen eben nicht nur Nahrungsmittel, sondern Böden
sind auch Lebensraum, Wasser- und Kohlenstoffspeicher. Böden sind lebendige
Organismen: Bis zu 10.000 Arten von Bakterien leben auf einem Quadratmeter
gesunden Bodens.
Eine intensive Landwirtschaft zerstört jedoch natürliche Böden. „Äcker
werden zulasten von Niedermooren oder Grünland ausgeweitet“, sagt Frank
Glante, beim UBA verantwortlich für den Bodenschutz. Der größte Unfug sei,
im Namen des Klimaschutzes Wiesen in Maisfelder umzuwandeln und den Mais
dann als erneuerbare Energie zu verheizen. „Beim Umbruch etwa eines
Niedermoores wird mehr Kohlendioxid freigesetzt, als durch Pflanzensprit
und Biogas hinterher eingespart wird“, sagt Glante.
Dabei schützt Deutschland die Böden noch relativ gut; neben dem
Bundesbodenschutzgesetz regeln Verordnungen, wer wann wieso Fläche nutzen
darf. Doch von 27 EU-Staaten verfügen nur 9 über entsprechende Gesetze.
Daher wären europäische Gesetze dringend notwendig, so Glante.
## Millionen Hektar „Virtuelles Land" importiert
Die EU-Bodenrahmenrichtlinie aber wird von der Bundesregierung seit Jahren
blockiert. Ihr Argument: Boden sei eine regionale Angelegenheit. Glante
hält das für falsch: „Die Wirkungen unserer Produktion und unseres Konsums
auf die Böden sind doch global.“ Zudem nutzen die Deutschen nicht nur den
Boden vor ihrer Haustür, sondern importieren jährlich Millionen Hektar
„virtuellen“ Landes.
So werden aus den USA vor allem Soja und Getreide eingeführt, aus
Tschechien Getreide, Bier, Milch und Fleisch, Ungarn liefert Mais, Raps,
Sonnenblumenkerne, aus China kommen hauptsächlich Obst- und Gemüsekonserven
und Getreide.
Grafik: Deutschlands Netto-„Landimporte“ in Hektar (Quelle: seri.at)
Dabei sei nicht der Handel das Problem, sagt der Agrarwissenschaftler von
Braun, sondern der Handel mit Produkten, die zu Bodenverarmung führt. Dass
beim Bodenschutz so viele Akteure mitreden müssten – aus der
Landwirtschaft, der Umwelt- und Verkehrspolitik oder der Wirtschaft, sei
„sehr viel mehr ein Problem als eine Chance“, seufzt IASS-Direktor Klaus
Töpfer.
Interessenkonflikte bei der Nutzung der Böden müssten transparent gemacht
und die Politik müsse zu Entscheidungen gezwungen werden. Viel Zeit bleibt
nicht: In einem komplexen Zusammenspiel bilden abgestorbenen Pflanzen,
Tiere und Mineralien fruchtbaren Boden: Für eine 2 Millimeter dicke Schicht
brauchen sie hundert Jahre.
20 Nov 2012
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
Heike Holdinghausen
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