# taz.de -- UN-Klimakonferenz: Das Märchen vom grünen Wachstum | |
> Am Montag beginnt die UN-Klimakonferenz in Doha. Es wird wohl nichts | |
> dabei rauskommen. Selbst wenn: Es würde nichts bringen. Eine Ermahnung. | |
Bild: Vor der eigenen Haustür glaubhaft vorführen, was man anderen empfiehlt?… | |
Nun ist es wieder so weit. Die Klimaschutz-Musterschüler, allen voran die | |
deutsche Delegation, dürfen dem geneigten Publikum ab Montag auf der | |
nächsten Weltklimakonferenz in Doha das kleine Einmaleins der Weltrettung | |
nahebringen. Hoffentlich sind dann alle dermaßen beeindruckt von der | |
deutschen „Energiewende“, dass es kein Halten mehr gibt. Alle wollen dem | |
wunderbaren Beispiel nacheifern und Klimaschutzvereinbarungen können nur | |
noch an knapper Tinte scheitern… Dumm nur, dass daraus erstens wohl wieder | |
nichts wird und es zweitens sowieso nichts gebracht hätte. | |
Was in Deutschland als Klimaschutz praktiziert wird, sind ausschließlich | |
technologische Maßnahmen. Statt Energieverbräuche zu senken, werden die | |
verbliebenen Landschaften – ganz gleich ob Nordsee, Schwarzwald oder | |
Flussauen – mit Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energie vollgestellt. So | |
soll eine der reichsten Konsumgesellschaften davor geschützt werden, als | |
Preis für Atomausstieg und CO2-Minderung auch nur eine Kilowattstunde | |
Energie sparen zu müssen. | |
Sozialpolitisch unterfüttert wird diese expansive Investitionsstrategie mit | |
einem neuen Kampfbegriff: „Energiearmut“. Die sei unabwendbar, wenn der | |
Energiepreis auch nur leicht zunähme, ganz zu schweigen von einem | |
Preisniveau, das unseren Energiekosten annähernd entspräche und dazu | |
motivieren könnte – man wagt es kaum zu denken – Energie zu sparen. | |
## Klimaschutz und Wohlstandsschutz sind unvereinbar | |
Nun ist der „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“-Klimaschutz | |
sehr kapitalintensiv. Deshalb könnten sich die meisten Länder dergleichen | |
gar nicht leisten. Zudem ist der vermeintliche Ausweg eine Sackgasse. Die | |
schon jetzt auf dem Rücken der Natur ausgetragene Energiewende dreht sich | |
fast nur um Elektrizität, aber was ist mit den viel drängenderen Problemen | |
des Verkehrs, der Wärmeversorgung und jener „grauen“ Energie, die in | |
importierten Produkten und Vorprodukten steckt? Nicht nur daran zeigt sich: | |
Klimaschutz und Wohlstandsschutz sind unvereinbar. | |
Interessanterweise hat die 2008 ausgelöste Finanzkrise nicht nur das | |
Bruttoinlandsprodukt gesenkt, sondern zu einem bemerkenswerten Rückgang der | |
CO2-Emissionen geführt. Wenn CO2-Reduktionen hingegen unter den Vorbehalt | |
gestellt werden, das auf Wachstum gründende Konsum- und Mobilitätsmodell | |
nicht anzutasten, bleiben ökologische Probleme nicht nur ungelöst. Sie | |
werden bestenfalls verlagert oder gar verschärft. | |
Schließlich ist keine technische Klimaschutzmaßnahme zum ökologischen | |
Nulltarif zu haben. Außerdem entsteht durch die notwendigen Investitionen | |
zusätzliches Einkommen, das über zusätzliche Nachfrage die | |
Energieverbräuche hinterrücks steigen lässt. Obendrein liefert das Märchen | |
vom grünen Wachstum mittels Klimaschutz ein unschlagbares Alibi dafür, | |
jedes noch so maßlose Konsum- und Mobilitätsverhalten beizubehalten. Wenn | |
es also systematisch misslingt, das entgrenzte Industriemodell von | |
Klimaschäden zu entkoppeln, bleibt nur, es schrittweise auf ein global | |
übertragbares ökologisches Niveau zurückzubauen. | |
## Es gibt keine CO-neutralen Produkte | |
Mit anderen Worten: Es existieren keine per se CO2-neutralen Produkte und | |
Technologien, sondern nur nachhaltige Lebensstile. Was hat ein Passivhaus | |
mit Klimaschutz zu tun, wenn dessen Besitzer monatlich nach London fliegt | |
und gerade deshalb in den Reputationseffekt dieses Gebäudetyps investiert | |
hat? Ähnliches gilt für den SUV fahrenden Ökostromkunden. | |
Letztlich dient die Energiewende nur dazu, nichtnachhaltige Daseinsformen | |
durch eine symbolträchtige Kulisse moralisch zu kompensieren. Klimaschutz | |
bemisst sich nicht an Windturbinen und Photovoltaik-Anlagen, sondern an | |
individuellen CO2-Bilanzen. Gemäß dem 2-Grad-Klimaschutzziel stünden jedem | |
Erdbewohner pro Jahr 2,7 Tonnen an CO2 zu. Eine Flugreise von Frankfurt | |
nach New York verursacht bereits 4,2 und nach Sydney 14,5 Tonnen. | |
## Nördliches Wohlstandsmodell als Erwartungshorizont | |
Insoweit Klimaschutz kein Unterfangen des zusätzlichen Bewirkens, sondern | |
des kreativen Unterlassen ist, stellt sich weniger eine politische als eine | |
kommunikative Aufgabe. Das nördliche Wohlstandsmodell bildet den | |
Erwartungshorizont, aus dem sich die Sehnsucht nach einem besseren Dasein | |
speist. Allein daran, und nicht etwa an wohlfeilen Bekundungen, orientieren | |
sich all jene, die von Klimaschutz überzeugt werden sollen. | |
Die durchschnittliche CO2-Bilanz liegt in Deutschland bei abstrusen 11 | |
Tonnen pro Person. Genauso wenig wie ein Analphabet einem anderen Schreiben | |
und Lesen beibringen kann, lassen sich Afrikaner, Asiaten und | |
Lateinamerikaner von europäischen Klimaheuchlern die Weltrettung | |
aufschwatzen. | |
Wer nicht vor der eigenen Haustür glaubhaft vorführt, was er anderen | |
empfiehlt, kann die Aussicht auf Klimaschutzvereinbarungen, die diesen | |
Namen verdienen, nur zerstören. | |
25 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Niko Paech | |
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