# taz.de -- Zukunft der Klimaforschung: „Das Zwei-Grad-Ziel ist nicht haltbar… | |
> Oliver Geden über das Scheitern der Staatengemeinschaft in der | |
> Klimapolitik – und warum es falsch ist, Höchstgrenzen festzuschreiben. | |
Bild: Die Erwartungen den Realitäten anpassen: Klimaziele sind wohl nicht einz… | |
taz: Herr Geden, wir ökologisch orientierten Deutschen haben einen schönen | |
Traum. Wir starten mit der Energiewende, die Welt wird uns folgen und | |
unsere Produkte kaufen – und dann ist die Gefahr des Klimawandels gebannt. | |
Sie glauben nicht, dass es so kommen wird. Warum? | |
Oliver Geden: Es kann sogar sein, dass es funktioniert. Wir zeigen, was | |
geht, andere folgen – eine Bewegung von unten für weniger Kohlendioxid und | |
mehr Erneuerbare setzt sich durch. Aber das wird nicht reichen, die Ziele | |
der internationalen Klimapolitik einzuhalten. Um die zu erreichen, müssten | |
alle, inklusive der Schwellenländer, schon innerhalb der nächsten Jahre den | |
Umschwung einleiten. Und das ist nicht realistisch. | |
Sie sorgen bei Klimaforschern für Unruhe mit der Forderung, das | |
Zwei-Grad-Ziel als verkraftbare Grenze der Erderwärmung endlich aufzugeben, | |
weil es ohnehin nicht erreicht werden wird. Ist das nicht Defätismus? | |
Es ist zunächst einmal nur der Wunsch nach mehr Realismus. Alle halten an | |
einem Ziel fest, von dem auch viele, die davon nicht lassen wollen, wissen, | |
dass es höchstwahrscheinlich nicht erreicht werden kann. Aber sie verhalten | |
sich wie in Tarifverhandlungen – und fordern möglichst hohe Ziele, um | |
wenigstens etwas zu bekommen. Die Vorstellung von 2 Grad als Grenze, nach | |
der die Katastrophe kommt, ist aber wissenschaftlich nicht haltbar. | |
Macht es nicht Sinn, Klimaverhandlungen so zu führen, weil sich nur dann | |
etwas erreichen lässt? | |
Vielleicht. Aber dann dürfte man nicht das Zwei-Grad-Ziel mit sehr vielen | |
Studien wissenschaftlich zu untermauern versuchen. Damit nimmt man sich die | |
Möglichkeit, sich später mit weniger zufriedenzugeben. Wissenschaft | |
verspielt ihren Ruf, wenn sie ihre eigenen Studien als Beiträge zu | |
Tarifverhandlungen begreift. | |
Sie werfen der Klimaforschung wissenschaftliche Unredlichkeit vor? | |
Nicht der Klimaforschung, sondern der klimawissenschaftlichen | |
Politikberatung. Die hat das Zwei-Grad-Ziel für sakrosankt erklärt. Und | |
wenn man daran rüttelt, wird man als Klimaskeptiker eingestuft oder | |
beschuldigt, man habe den Kampf gegen den Klimawandel aufgegeben. In der | |
Wissenschaftsgemeinde gibt es auch erhebliche Kritik am Zwei-Grad-Ziel. | |
Aber die Klimaforscher, die im öffentlichen Diskurs am präsentesten sind … | |
… also das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, das PIK, etwa … | |
… ich will nicht ganze Forschungsinstitute kritisieren, weil es dort immer | |
eine größere Bandbreite an Positionen gibt, als es von außen wahrgenommen | |
wird. In Deutschland ist nicht das PIK entscheidend, sondern der WBGU, der | |
Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, | |
der sich zugutehält, das Zwei-Grad-Ziel erfunden zu haben. Wenn er es | |
aufgäbe, müsste er eine politische Position räumen, die er sich selbst | |
erobert hat. | |
Sie fordern mehr Pragmatismus … | |
Ja, der fehlt mir in der jetzigen Debatte. Klimapolitik funktioniert | |
momentan als Entweder-Oder: Entweder wir halten die 2 Grad, oder die | |
Katastrophe geschieht. Mein Ansatz ist: Es gibt auch einen Raum dazwischen | |
– und es ist besser, wir erreichen 2,5 Grad oder 3 als 4, 5 oder 6. | |
Was wäre denn die Alternative zum Zwei-Grad-Ziel? Das sogenannte | |
Overshooting, also das zeitweise Überschreiten der Erwärmung um mehr als 2 | |
Grad, um später auf die 2 Grad zurückzukehren? | |
Die Politik wird so mit dem Problem umgehen. Das Zwei-Grad-Ziel hätte dann | |
den Status eines erkennbar politischen Ziels wie die | |
Drei-Prozent-Neuverschuldungsgrenze im Maastricht-Vertrag. Alle sind sich | |
einig, dass das irgendwann erreicht werden soll – aber jeder Regierung wird | |
immer ein Grund einfallen, warum es gerade jetzt nicht geht. Sondern | |
vielleicht erst in fünf oder zehn Jahren. Dann ist das Ziel aufgeweicht, | |
man erspart sich aber den Gesichtsverlust, es formell aufzugeben. | |
Und was wäre Ihr Vorschlag? | |
Dass die Politik gar keine globale Obergrenze festlegt. Nicht weil ich | |
sagen würde, es ist egal, wie die Temperatur steigt, sondern weil man mit | |
einer Obergrenze die Illusion erzeugt, die Weltgemeinschaft könnte und | |
würde dieses Ziel auch tatsächlich umsetzen. Wir müssen weg von der | |
Fixierung auf wohlklingende Ziele, die Staaten sollten sich stattdessen | |
sofort auf konkrete Maßnahmen einigen. Zumindest die deutsche Politik geht | |
mit Bundesumweltminister Peter Altmaier vorsichtig in diese Richtung. Sie | |
will Bündnisse mit fortschrittlichen Staaten schließen, die sich | |
miteinander auch auf zusätzliche Maßnahmen einigen. | |
Also noch mehr Konferenzen? | |
Das könnte auch auf den G-20-Gipfeln beschlossen werden. Die Staaten sind | |
für 75 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Wenn sie sich nicht | |
auf solche Maßnahmen einigen können, wissen wir auch, wo wir stehen. | |
Bleibt die entscheidende Frage: Warum sollten China und die USA dort | |
verbindlichen Verträgen zustimmen, obwohl sie es auf den Klimakonferenzen | |
nicht getan haben? | |
Es wäre natürlich besser, wenn es gelänge, sich mit allen auf gemeinsame | |
Regeln zu verständigen, aber es ist nicht unbedingt notwendig, um die | |
Emissionen zu mindern. Der wahrscheinlichere Weg ist, dass Vorreiterstaaten | |
beweisen müssen, dass solche Maßnahmen auch jetzt schon technisch möglich | |
und ökonomisch sinnvoll sind – und dann werden China und die USA folgen, | |
auch ohne Weltklimavertrag. Um zum Anfang zurückzukommen: Die deutsche | |
Energiewende kann dafür natürlich Vorbild sein, wenn sie gelingt. | |
Ende November beginnt die Klimakonferenz in Doha. Was ist Ihre Prognose zum | |
Ausgang? | |
Gemessen an der Problematik wird ihr Ergebnis minimal sein. Möglicherweise | |
kommt es dort zu einer Einigung über ein Kioto-2-Abkommen zum Klimaschutz. | |
Aber die Staaten, die sich daran beteiligen werden, sind nur für 15 Prozent | |
der weltweiten Emissionen verantwortlich. | |
28 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Martin Reeh | |
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