# taz.de -- Krise im Kongo: Rebellen wollen Staat machen | |
> Nach elf Tagen zogen sich die Rebellen auf internationalen Druck aus Goma | |
> zurück. Sie nahmen alles mit, was man mitnehmen konnte. Jetzt wird | |
> verhandelt. | |
Bild: Abzug der M23-Rebellen aus Goma. | |
KAMPALA/GOMA taz | Monatelang hatte der Oberst der Regierungsarmee in | |
Kibumba ausgeharrt, an der Front gegen die Rebellenarmee M23 (Bewegung des | |
23. März) vor Goma. An endlosen langweiligen Tagen hatte er sich in ein | |
Buch vertieft: „Die Geschichte des israelischen Geheimdienstes Mossad“. | |
Sobald er das letzte Kapitel beendet hatte, begann er wieder von vorn. | |
Bis Mitte November die M23-Rebellen die Armee überrumpelten und am 20. | |
November die Provinzhauptstadt Goma einnahmen. Die fliehenden Soldaten | |
ließen alles zurück. „Ich habe mein Buch an der Frontlinie verloren“, | |
seufzte der Oberst später, als sich seine Einheit in der Kleinstadt Minova | |
wiederfand. | |
Nach elf Tagen zogen sich die Rebellen auf internationalen Druck aus Goma | |
zurück – und nahmen in einem gewaltigen Beutezug alles mit: die Fahrzeuge | |
der Provinzregierung, Stromgeneratoren, Busse, Lastwagen, Straßenbaugeräte. | |
Jetzt können sie damit in ihrem Kerngebiet um die Distrikthauptstadt | |
Rutshuru 70 Kilometer Straßen bauen und einen Staat im Staate errichten. | |
„Bald wird Rutshuru aussehen wie Kigali“, heißt es. Die Schilder mit der | |
Aufschrift „Stoppt die Korruption“, die man im Nachbarland Ruanda sieht, | |
stehen jetzt auch im M23-Territorium, mit M23-Logo. | |
In Goma hat die M23 auch Artillerie, einen Panzer und die dazugehörigen | |
Geschosse erbeutet, dazu 16 Container mit Maschinengewehren und Munition. | |
Das alles wird jetzt sortiert, inspiziert und verteilt. Mit den ebenfalls | |
erbeuteten Transportfahrzeugen geht dies flotter als früher – wenngleich so | |
mancher Offizier erst noch lernen muss, seinen Geländewagen zu fahren. | |
## Die Moral leidet | |
Militärisch gestärkt, besteht für die sonst so disziplinierte Rebellenarmee | |
jetzt dennoch die Gefahr, dass ihre Kämpfer an Moral einbüßen. Die | |
Frustration der M23-Soldaten war ihnen im Gesicht abzulesen, als sie aus | |
Goma abzogen. Viele hatten nach sieben Monaten im Busch das städtische | |
Leben genossen, hatten Verwandte und Freunde besucht. Der verordnete | |
Rückzug stieß ihnen sauer auf. | |
Die M23-Führung muss nun bei den Verhandlungen mit Kongos Regierung, die | |
ihnen als Gegenleistung für den Rückzug aus Goma zugesichert wurden, etwas | |
herausschlagen. In Anzug und Krawatte trafen am Freitag 25 Rebellen mit | |
einem Reisebus, begleitet von ugandischen Militärkonvois, in Ugandas | |
Hauptstadt Kampala ein, wo die Gespräche im Rahmen der ICGLR | |
(Internationalen Konferenz der Großen Seen) stattfinden. Die politische | |
Führung verteilt Visitenkarten mit kongolesischer Flagge und M23-Logo. Die | |
M23-Quasiregierung tritt mit „Ministern“ und „Generalsekretären“ an. | |
Allerdings nicht auf höchster Ebene: M23-Präsident Jean Marie Runiga hat | |
seinen Generalsekretär François Rucogoza geschickt, Militärführer General | |
Sultani Makenga wird von Oberst Antoine Manzi vertreten. | |
Für Kongos Regierung ist auch nicht Präsident Joseph Kabila anwesend, | |
sondern Außenminister Raymond Tshibanda an der Spitze einer kleinen | |
Delegation. In seinem einleitenden Statement zeigte sich Tshibanda am | |
Sonntagabend gesprächsbereit. „Unser Ziel ist es, die Rebellion zu | |
beenden“, sagt er. Er sei bereit, über den mit dem M23-Vorgänger CNDP | |
(Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes) am 23. März 2009 | |
geschlossenen Vertrag zu verhandeln. Weil dieser nicht erfüllt wurde und u. | |
a. eine Reform der Armee ausblieb, hatten dieses Jahr Ex-CNDP-Offiziere die | |
M23 gegründet. | |
Während sich Tshibanda kurzfasst, beschuldigt M23-Generalsekretär Rucugoza | |
in einer ausufernden Rede Kabila, ethnischen Hass zu schüren und für | |
schlechte Regierungsführung „ohne Visionen“ verantwortlich zu sein. Dies | |
kann Tshibanda nicht hinnehmen: „Unter solchen Bedingungen können wir nicht | |
verhandeln“, schimpft er und stürmt mit seinen Delegierten aus dem | |
Konferenzsaal. | |
Vor Goma halten die Rebellen immer noch Stellungen auf den Hügeln von | |
Munigi, drei Kilometer von der Stadtgrenze entfernt, um jederzeit wieder | |
vorstoßen zu können. Die meisten M23-Offiziere gönnen sich derweil eine | |
Ruhepause in der Militärakademie von Rumangabo. Zur Unterhaltung gibt es | |
ein Buch, das ein Offizier an der Front gefunden hat: „Die Geschichte des | |
israelischen Geheimdienstes Mossad“. | |
10 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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