| # taz.de -- Eurokolumne: Finanzkrise ohne Happy End | |
| > Deutschland ist gut durch die Krise gekommen. Dadurch wird die Kluft in | |
| > der EU immer größer. Die Sparpolitik des Südens muss der Norden | |
| > ausgleichen. | |
| Bild: Angela Merkel freut sich, weil Deutschland ganz okay durch die Krise komm… | |
| Es gibt im neuen Jahr scheinbar nur noch gute Nachrichten. Der Kurs des | |
| Euro steigt, das Defizit sinkt, und der deutsche Arbeitsmarkt ist in | |
| Topform. Die Krise, die die Eurozone im vergangenen Jahr fest im Würgegriff | |
| hatte, scheint wie weggeblasen. | |
| Selbst die launigen Finanzmärkte wetten plötzlich auf ein Happy End. | |
| Pünktlich zum Jahreswechsel haben die Optimisten die Oberhand gewonnen. Der | |
| Bundesregierung kommt das wie gerufen. Schließlich wird im Herbst gewählt, | |
| da ist Ruhe an der Euro-Front angesagt. Kanzlerin Merkel warnt zwar noch | |
| vor übertriebenem Optimismus, doch ihr Finanzminister Schäuble behauptet | |
| schon wieder keck, das Schlimmste sei überstanden. Noch-FDP-Chef Rösler | |
| frohlockt, die Aussichten für Deutschland seien „absolut positiv“. | |
| Sind sie das wirklich? Im letzten Quartal 2012 ist die deutsche Wirtschaft | |
| um 0,5 Prozent geschrumpft – gut geht anders. Gerade erst hat die | |
| Bundesregierung ihre Wachstumsprognose für 2013 auf 0,4 Prozent halbiert. | |
| Doch woher selbst dieser traurige Rest kommen soll, kann sie nicht | |
| erklären. Aus den Krisenländern Südeuropas jedenfalls nicht. Die stecken | |
| nämlich in einer tiefen Rezession. | |
| Woher kommt die Rezession? Sie ist eine Folge der harten Sparpolitik, die | |
| Deutschland der Eurozone verordnet hat. Das hat der Internationale | |
| Währungsfonds gerade noch einmal nachgerechnet. Die IWF-Experten kommen zu | |
| dem Schluss, dass Sparprogramme viel stärker auf die Konjunktur | |
| durchschlagen als bisher angenommen. Im schlimmsten Fall verschärfen sie | |
| sogar die Krise. | |
| In Griechenland, Spanien und Portugal ist genau das geschehen. Aus eigener | |
| Kraft finden diese Länder nicht mehr aus dem Teufelskreis aus Sparen und | |
| Schrumpfen heraus. Wenn er länger anhält, könnte er auch Deutschland nach | |
| unten ziehen. Der spanische Premier Rajoy hat deshalb an die | |
| Bundesregierung appelliert, etwas für das Wachstum zu tun. Madrid habe | |
| keinen Spielraum für eine expansive Finanzpolitik, Berlin schon. | |
| Rajoy hat recht. Deutschland hat von der Krise profitiert und sein Defizit | |
| schneller als geplant abgebaut, dank sprudelnder Steuereinnahmen und | |
| sinkender Zinsen. Nun könnte Schäuble die Zügel locker lassen und mit | |
| Steuersenkungen oder Zukunftsinvestitionen die Konjunktur ankurbeln. IWF | |
| und Weltbank fordern das schon seit Langem: Die Austeritätspolitik im Süden | |
| müsse durch Wachstumsimpulse im Norden ausgeglichen werden. | |
| Eigentlich sollte diese Forderung in Berlin auf fruchtbaren Boden fallen. | |
| Von mehr Wachstum würden schließlich auch Merkel, Schäuble und, wer weiß, | |
| vielleicht sogar Rösler und seine FDP profitieren. Wenn es wieder | |
| aufwärtsgeht, ist Merkel im Herbst kaum zu schlagen. Eine tiefe Rezession | |
| hingegen könnte zu Arbeitsplatzabbau auch in Deutschland führen und die | |
| Wahlchancen der schwarz-gelben Koalition mindern. | |
| Doch die Bundesregierung stellt sich taub. Sie hat sich schon vor dem | |
| letzten EU-Gipfel im Dezember festgelegt: Neue Konjunkturstützen wird es | |
| nicht geben – weder in Deutschland noch in der Eurozone. Über Nacht zog | |
| Merkel ihre Versprechen zurück, die Sparpeitsche durch ein finanzielles | |
| Zuckerbrot zu ergänzen. Nicht nur Eurobonds sind tabu, auch Merkels | |
| ureigene Idee eines Eurozonen-Budgets ist gestorben. | |
| So dümpelt Euroland einer ungewissen Zukunft entgegen. Die Finanzmärkte | |
| sind wieder in Feierlaune, doch die Realwirtschaft richtet sich auf ein | |
| verlorenes Jahr ein. Erst 2014 sei in der Eurozone wieder mit Wachstum zu | |
| rechnen, prognostiziert die Weltbank. Bis dahin dürfte sich die Spaltung in | |
| einen reichen Norden und einen notleidenden Süden weiter verfestigen. | |
| Die Kluft ist schon jetzt so tief, dass die EU-Kommission soziale Unruhen | |
| und politische Instabilität fürchtet. Das wiederum könnte die erhoffte | |
| wirtschaftliche Erholung gefährden, warnt Währungskommissar Olli Rehn. So | |
| droht schon der nächste Teufelskreis, von der Wirtschafts- in die | |
| Sozialkrise und zurück. Keine schönen Aussichten. | |
| 18 Jan 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
| ## TAGS | |
| Eurokrise | |
| Schwerpunkt Angela Merkel | |
| Schwerpunkt Finanzkrise | |
| Berlin | |
| Madrid | |
| Portugal | |
| Sparpolitik | |
| Euro | |
| Schwerpunkt Angela Merkel | |
| EU | |
| Euro-Rettung | |
| Deutsche Bank | |
| EU | |
| Eurokolumne | |
| Steinbrück | |
| Eurokolumne | |
| Eurokrise | |
| Inflation | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Massenprotest in Portugal: Gegen Sparpolitik und Troika | |
| Landesweit gehen Hunderttausende auf die Straße und fordern den Rücktritt | |
| der Regierung. Die kämpft derweil um die Einhaltung der Sparziele. | |
| Demonstrationen in Portugal: Kreativ gegen Sparpolitik | |
| Gegen die Austeritätspolitik gingen am Samstag Zehntausende auf die Straße. | |
| Dabei sind die Portugiesen kreativ – und geschichtsbewußt. | |
| Eurokolumne: Kein Währungskrieg, nirgends | |
| Die Finanzminister der G-20-Staaten haben den Währungskrieg offiziell | |
| abgeblasen. Doch standen wir wirklich kurz vorm Abgrund und sind nun | |
| gerettet? | |
| Eurokolumne: Warum Merkel Europa totspart | |
| „Von Deutschland lernen, heißt siegen lernen“ ist Angela Merkels Parole. | |
| Und dafür müssen Strukturreformen her – auch in der EU. | |
| Budgetstreit in der EU: Beamte im Gehalts-Check | |
| Vor dem Budgetgipfel streiten Berlin und Brüssel über die Kosten der | |
| EU-Verwaltung. Derzeit steht vor allem ein Sparposten im Fokus: die | |
| Beamtengehälter. | |
| Eurokolumne: Eine Plünderungsgemeinschaft? | |
| Er liebt nicht nur die EU, sondern auch Photovoltaikmodule und Windmühlen. | |
| Deshalb wehrt sich „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried gegen kleingeistiges | |
| Europabashing. | |
| Deutsche Bank: Das Skandalgeldhaus | |
| Von Agrarspekulation bis Zinsmanipulation – die Deutsche Bank ist dabei. | |
| Unter dem schlechten Image leidet auch die Bilanz. | |
| Europa und die Finanzsteuer: EU streitet um Milliardensegen | |
| Die neue Finanzsteuer soll jährlich 35 Milliarden Euro bringen – mehr als | |
| erwartet. Berlin will das Geld für sich, das Europaparlament hält dagegen. | |
| Eurokolumne: Jetzt ist das Tafelsilber dran | |
| „Integrierte“ Europäer leben nicht nur ökologisch, sondern auch finanziell | |
| und materiell jenseits ihrer dauerhaften Möglichkeiten. Rettung böte eine | |
| Postwachstumsökonomie. | |
| Eurokolumne: Politik lebt von Alternativen | |
| Vier Herausforderungen warten auf den SPD-Kanzlerkandidaten. Bewältigt | |
| Steinbrück diese, genießt er im Wahljahr einen Vorteil. | |
| Eurokolumne: Keinerlei Anlass für Optimismus | |
| Im dritten Krisenjahr ist es wichtiger denn je, sich Gedanken über das | |
| Kommende zu machen. Zinsen für Staatsanleihen sind dabei das geringste | |
| Problem. | |
| Eurokolumne: Leben im Paralleluniversum | |
| Die Sparpolitik der EU geht immer weiter. EU-Politiker sehen bereits erste | |
| Erfolge. Leben sie eigentich noch im selben Universum? | |
| Eurokolumne: Die Angst vor dem Gelduntergang | |
| Inflation ist ein nationales Trauma. Darum äußert sich auch der ehemalige | |
| Weinbauminister Rainer Brüderle gewohnt kompetent dazu. |