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# taz.de -- Demonstrationen in Portugal: Kreativ gegen Sparpolitik
> Gegen die Austeritätspolitik gingen am Samstag Zehntausende auf die
> Straße. Dabei sind die Portugiesen kreativ – und geschichtsbewußt.
Bild: Auch in Lissabon gingen am Samstag Tausende gegen die Spar- und Steuerpol…
LISSABON ap | Passos Coelho, Portugals Ministerpräsident, könnte bald Ärger
mit dem Finanzamt bekommen. Tausende Bürger, die sich über seine rigide
Sparpolitik ärgern, vermerken zurzeit seinen Namen und seine Steuernummer
auf Quittungen und Rechnungen. Das Ziel der ungewöhnlichen Protestaktion:
Coelhos Ausgaben sollen sein offizielles Einkommen übersteigen, so dass ihm
die Steuerfahnder zu Leibe rücken müssen – zumindest theoretisch.
In dem krisengeschüttelten und hoch verschuldeten EU-Land machen sich immer
mehr wütende Bürger mit derart kreativen Protestformen bemerkbar. Ein
weiterer Höhepunkt waren am Samstag Großdemonstrationen mit Zehntausenden
Teilnehmern in mehr als 20 Städten.
„Es gibt ein verbreitetes Gefühl der Machtlosigkeit“, sagt Antonio Costa
Pinto, Politologe an der Universität Lissabon. Kein Wunder, denn die
Arbeitslosigkeit ist auf ein Rekordhoch von 16,9 Prozent geschnellt, bei
den Unter-25-Jährigen sogar auf rund 40 Prozent. Die Rezession geht schon
ins dritte Jahr, und die Bürger ächzen unter immer neuen Steuererhöhungen
und schmerzhaften Einschnitten bei den Sozialleistungen.
Coelho gibt sich noch ungerührt. Die Protestierenden, die ein Ende des
strikten Sparkurses und staatlich finanzierte Wachstumsprogramme fordern,
seien in der Minderheit und nicht repräsentativ, sagte er vergangene Woche.
„Wir sollten einen einzelnen Baum nicht mit dem Wald verwechseln.“ Die
Antwort der Protestbewegung auf Facebook folgte prompt. Auf einem Poster
mit dem Demonstrationsaufruf prangt nun den Slogan : „Wir sind der Wald!“
## Land der Brüderlichkeit
Coelho und seine Mitte-Rechts-Regierung müssen dieser Tage auch öfter wider
Willen einem 40 Jahre alten Protestlied lauschen, das Demonstranten
landauf, landab wie eine Hymne anstimmen. Der getragene Folksong „Grandola,
Vila Morena“ hat seinen Ursprung in der Nelkenrevolution 1974. Als das von
Zeca Afonso gesungene Lied damals nachts im Radio gespielt wurde, war es
das Signal für die Rebellentruppen, vereint gegen die vier Jahrzehnte
währende Diktatur in Portugal loszuschlagen.
Der Text erscheint brandaktuell. Beschworen wird ein „Land der
Brüderlichkeit“ und eingefordert, dass dem Volk das letzte Wort gebühre.
Kürzlich haben es Aktivisten von der Besuchertribüne im Parlament lauthals
angestimmt, so dass Coelho seine Rede unterbrechen und geduldig die
musikalische Darbietung der Demonstranten abwarten musste. Anderen seiner
Minister erging es bei öffentlichen Auftritten ähnlich.
Nach außen hin gaben sich die Kabinettsmitglieder amüsiert. Doch ihr
wachsendes Unwohlsein war offenkundig.
2 Mar 2013
## AUTOREN
Barry Hatton
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Sparpolitik
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