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# taz.de -- Erste staatliche Waldorfschule: Lernen mit den Schmuddelkindern
> In Hamburg will sich die erste staatliche Waldorfschule gründen. Der
> Gegenwind ist stark. Dabei taugt die Schule als Zukunftsmodell für das
> Bildungswesen.
Bild: Kann mehr als Namen tanzen: Waldorfschule.
Die Nachrichtenlage ist unübersichtlich, was die staatliche Waldorfschule
in Hamburg anlangt. Ein Rudolf-Steiner-Hasser aus Bremen sammelt
Unterschriften, um die Schule zu verhindern. Und der Schulsenator der
Hansestadt, Ties Rabe (SPD), tut das, was Minister am liebsten tun: Er
lässt die Sache ganz genau prüfen. Vor 2014 wird es also nichts mit der
Integration einer Waldorf-Initiative in die staatliche Grundschule
Fährstraße in Hamburg-Wilhelmsburg.
Doch woher kommt eigentlich der heftige Gegenwind? Es geht um die
Grundfesten der deutschen Schule: Sie muss a) staatlich sein und soll sich
b) nicht allzu sorgsam um die Schmuddelkinder kümmern.
In Hamburg würde beides mit einer staatlichen Waldorfschule infrage
gestellt: Wilhelmsburg ist nicht das mondänste Hamburger Quartier, dort
gute Schule auch für sozial Deklassierte zu machen, fällt dem Staat schwer.
Jedenfalls läuft jene bürgerliche Klientel, die es vor Ort noch gibt, dem
Staat davon. Und genau auf diese Mittelschicht, die für Schule wichtig und
zugleich anstrengend ist, zielt der „Verein Interkulturelle
Waldorfpädagogik“: Er will sie im Stadtteil halten, er will ihr das Angebot
machen, dass eine sozial gemischte Schule pädagogisch einfacher zu
organisieren ist als eine, die aus 90 Prozent Hartz-IV- und
Zuwanderer-Familien besteht.
## Die Zukunft des deutschen Schulwesens
Freilich dementiert Senator Rabe: „Es geht nicht darum, eine staatliche
Waldorfschule zu gründen oder die Ideologie von Rudolf Steiner in
staatliche Unterrichtspraxis zu überführen.“ Dabei sollte er gerade damit
werben, dass er bürgerschaftliches Engagement mit staatlicher
Schulorganisation und -budget zusammenbringen möchte. Denn in einer von
unten initiierten public-private partnership könnte man sicher besser
Schule machen – vielleicht ist es gar die Zukunft des deutschen
Schulwesens, was bisher immer noch beinahe rein staatlich daherkommt.
Klar gibt es in einigen Orten und Regionen einen starken Zuwachs privater
Schulen, und darunter sind hie und da auch sündhaft teure Privatschulen für
„Expatriots“, in denen vornehmlich englische Abschlüsse angeboten werden.
Das ist aber mitnichten eine Tendenz zur Privatisierung, wie es ständig
durch den Blätterwald hallt.
Wer genauer hinsieht, wird Folgendes bemerken: Erstens, Privatschulen sind
in Deutschland in erster Linie ehedem entweder kirchlich organisierte
Einrichtungen oder Waldorfschulen – sie stellen über 80 Prozent der
Privatschulen. Und: Diese Schulen sind nicht teuer. Zweitens sind die
Schulen, die neuerdings privat organisiert werden, Angebote an
Elternklientelen, die keinen Bock mehr auf staatliche Schulen haben. Oder
aber: die Schulen errichten, weil es ohne sie gar keine Schule vor Ort mehr
gäbe.
## Der Staat ist mit Schulemachen überfordert
Dem Staat, diesem vermeintlich grundgütigen Lernorganisierer, ist es
nämlich schlicht zu teuer, auf dem platten Land Minischulen zu erhalten. Er
macht sie dicht – zu Hunderten, und das ist nicht nur eine Fußnote
deutscher Schulgeschichte, sondern ein stabiler, für jeden erkennbarer
Trend: Der Staat allein ist mit Schulemachen überfordert.
Daher wird allerorten das private, sprich gesellschaftliche Engagement
größer – so oder so. Manche Eltern fliehen in die Nachhilfe. Andere gehen
den anderen Weg – und erarbeiten oder erstreiten sich Mitbestimmung über
Elternvereine, -räte und -konferenzen. In Jena versucht die Stadt gar, ihre
Schulen zu privatisieren, pardon zu kommunalisieren.
Was also sollte man gegen eine staatlich angeleitete Steinerschule haben?
Immerhin könnten die beamteten Lehrer darauf achten, dass nicht zu viel von
Rudis unverständlichen Schriften gelesen werden.
30 Jan 2013
## AUTOREN
Christian Füller
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