| # taz.de -- Privat unterrichtet: Ziemlich reiche Freunde | |
| > Laut einer Studie kontrolliert Bremen die Privatschulen nicht ausreichend | |
| > und fördert so die soziale Spaltung. Die Bildungsbehörde sieht das anders | |
| Bild: Zumindest bei den ersten Buchstaben ist sind sich private und öffentlich… | |
| Segregation von Kindern nach sozialem Status der Eltern: Das Land Bremen | |
| duldet, wie sich Privatschulen sozial abschotten und ignoriert dabei das | |
| Grundgesetz. So jedenfalls lautet der Vorwurf einer Studie des | |
| Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). | |
| In Bremen gebe es einen „überschaubaren, aber vorhandenen Trend“ hin zu | |
| Privatschulen, sagt Andreas Staets, Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft | |
| Erziehung und Wissenschaft in Bremen. Schuld daran sei die schlechte | |
| Finanzierung der öffentlichen Schulen. Derzeit gehen im Land Bremen rund | |
| zehn Prozent der SchülerInnen auf Privatschulen (siehe Infokasten). | |
| Private Ersatzschulen sind nur erlaubt, „wenn eine Sonderung der Schüler | |
| nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird“. So will das | |
| Grundgesetz Eliteschulen von Besserverdienenden verhindern. Laut bisheriger | |
| Rechtsprechung müssen staatliche Behörden darum fortlaufend sicherstellen, | |
| dass Privatschulen nicht nur Kinder reicher Eltern aufnehmen. | |
| Bremen beachtet keine der neun Vorgaben, die der Studie zufolge eine | |
| „effektive Einhaltung“ des Sonderungsverbots gewährleisten. Dabei sei | |
| gerade Bremen hinsichtlich der sozialen Segregation eine „Stadt mit | |
| Sprengstoff“, so Bildungssoziologie Marcel Helbig. | |
| Zusammen mit dem Rechtswissenschaftler Michael Wrase untersuchte er, ob die | |
| Bundesländer dem Sonderungsverbot nachkommen. Die von der Studie | |
| aufgestellten Kriterien erfüllt kein Bundesland gänzlich. Bremen und | |
| Thüringen bilden das Schlusslicht. | |
| Die Bildungsbehörde weist die Kritik zurück. „Wir achten auf eine soziale | |
| Staffelung beim Schulgeld“, so ihre Sprecherin Miriam Schmidt. Dafür gebe | |
| es zudem Stipendien, die aber nicht statistisch erfasst würden. | |
| Im Zuge des Aufnahmeverfahrens werde die Behörde außerdem über die | |
| aufzunehmenden SchülerInnen informiert. Danach erhebe die Bildungsbehörde | |
| jährlich die Höhe der Schulgelder. Eine Höchstgrenze gibt es laut Schmidt | |
| jedoch nicht. Auch sei auf dieser Grundlage noch keiner Privatschule die | |
| Genehmigung entzogen worden. | |
| Als „unbefriedigend“ bezeichnen die Autoren der Studie die | |
| Verwaltungspraxis in Bremen. „Es wird nicht definiert, welches | |
| durchschnittliche Schulgeld erhoben wird und wie viel Prozent der Plätze | |
| über Stipendien vergeben werden.“ Ein Monitoring, das allein auf | |
| Schulgeldern basiere, entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben. | |
| Die Wissenschaftler kritisieren auch, dass das Bremische Privatschulgesetz | |
| das Sonderungsverbot nicht konkretisiert. „So bleiben die Kriterien für die | |
| Einhaltung weitgehend offen“, so Rechtswissenschaftler Wrase. | |
| Thomas vom Bruch, bildungspolitischer Sprecher der | |
| CDU-Bürgerschaftsfraktion, wiegelt ab: „Ein Interesse an sozialer | |
| Segregation kann ich nicht erkennen.“ Er sehe daher keinen Bedarf für | |
| zusätzliche Regelungen. | |
| Der CDU-Sprecher betont, dass der freien Schulwahl die Privatschulfreiheit | |
| entgegensteht. „Beides hat Verfassungsrang“, sagt vom Bruch. Demnach dürfen | |
| die Privatschulen selbst entscheiden, welche SchülerInnen sie aufnehmen. | |
| Als „falsche Wiedergabe des Grundgesetzes“ bezeichnet das Studien-Autor | |
| Helbig. Er sagt: „Die Privatschulfreiheit gilt nur dann, wenn eine | |
| Sonderung ausgeschlossen ist.“ Und das sei nur erreichbar über | |
| landesgesetzliche Regelungen, die über die Formulierung des Grundgesetzes | |
| hinausgehen. Diese sollten eine Höchstgrenze der durchschnittlichen | |
| Schulgelder vorgeben oder die Kontrolle der Aufnahmepraxis von | |
| Privatschulen regulieren. | |
| Kristina Vogt, bildungspolitische Sprecherin der Linken, teilt die Kritik | |
| der Studie: „Es gibt keine automatische Berücksichtigung geringer | |
| Elterneinkommen.“ Ein solcher Nachlass sei gesondert zu beantragen und | |
| daher eine „Hürde“ für betroffene Eltern. | |
| Vogt kritisiert weiterhin, dass Privatschulen und Bildungsbehörde die | |
| Aufnahme geflüchteter SchülerInnen nicht gemeinsam lösten (taz berichtete). | |
| Sie sagt: „Wir hätten es begrüßt, wenn sich auch Privatschulen an dieser | |
| Aufgabe beteiligen könnten.“ Stattdessen finde auch hier nur eine weitere | |
| Absonderung statt. | |
| 10 Jan 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Lukas Thöle | |
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