# taz.de -- Das Wahlprogramm der SPD: Sozialdemokraten folgen Bürgerwillen | |
> Die SPD-Führung verteidigt die Agenda 2010 vehement – und will sie | |
> korrigieren. Der Mindestlohn soll eingeführt werden, der | |
> Spitzensteuersatz steigen. | |
Bild: 1, 2, 3: Die Regulierung der Finanzmärkte liegt Steinbrück am Herzen. | |
BERLIN taz | Mal pathetisch, mal ganz banal. Peer Steinbrück kann beides. | |
„Es geht um die Bändigung der Fliehkräfte in unserer Gesellschaft“, fasste | |
der SPD-Kanzlerkandidat am Montag das Wahlprogramm seiner Partei zusammen. | |
Oder simpler ausgedrückt: „Es geht darum: Wie halten wir diesen Laden | |
zusammen?“ | |
Wie es Sozialdemokraten gelingen soll, die „aus dem Lot geratene | |
Gesellschaft“ wieder auf Kurs zu bringen, haben sie in ihrem gut | |
100-seitigen Wahlprogramm aufgeschrieben. Am Montag hat es der | |
Parteivorstand final diskutiert und „einvernehmlich und einmütig“ | |
verabschiedet, wie Steinbrück sagt. Am 14. April soll es auf dem | |
SPD-Parteitag beschlossen werden. | |
Mit dem Wahlprogramm versucht die SPD einen Drahtseilakt: Die Agenda 2010 | |
wird vehement verteidigt und zugleich kräftig korrigiert. Am Wochenende | |
startete die SPD-Spitze zum zehnjährigen Jubiläum der Agenda eine | |
Interviewoffensive, lobte die Reform. Der damalige Kanzler Gerhard Schröder | |
wird am Dienstag erstmals seit Ausscheiden aus der aktiven Politik die | |
SPD-Fraktion besuchen. | |
Er zog bereits am Wochenende ein positive Bilanz der Agenda. Auch im | |
Parteiprogramm wird hervorgehoben, dass Deutschland in der Krise dank der | |
„aktiven Industriepolitik“ der SPD gut dastehe. „Diese Reformpolitik der | |
Agenda 2010 erhöhte die Investitionen in Forschung und Innovation und holte | |
Hunderttausende Menschen vom Abstellgleis der Sozialhilfe“, heißt es. | |
## Stammbelegschaft und Leiharbeiter | |
Direkte Fehler gesteht die SPD nicht ein. „Wir räumen nichts ab“, sagt | |
Parteichef Sigmar Gabriel am Montag in Berlin. Aber die Agenda sei in | |
manchen Bereichen in die falsche Richtung gegangen. Insbesondere der | |
„Missbrauch von Leiharbeit und Niedriglohnbeschäftigung“ müsse korrigiert | |
werden, heißt es dazu im Wahlprogramm. So sollen Stammbelegschaft und | |
Leiharbeiter nach dem Willen der SPD künftig gleich bezahlt werden. Den | |
Einsatz von Leiharbeitern als Streikbrecher will sie ebenso verbieten wie | |
die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen. | |
Den stärksten Kurswechsel zur Agendareform vollzieht die Partei mit ihrem | |
klaren Bekenntnis für einen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn von | |
8,50 Euro pro Stunde in Ost und West. Vor zehn Jahren hatten die | |
Sozialdemokraten noch gegen einen solchen gestimmt. | |
Den Spitzensteuersatz will die SPD auf 49 Prozent erhöhen ab einem zu | |
versteuernden Einkommen von 100.000 Euro im Jahr. Geplant ist zudem eine | |
Vermögensteuer, die im Programm jedoch vage bleibt. Sie soll „der | |
besonderen Situation des deutschen Mittelstandes, von | |
Personengesellschaften und Familienunternehmen Rechnung tragen“, heißt es. | |
Die Parteilinken forderten bereits im Vorfeld schärfere Formulierungen und | |
kündigten Änderungsanträge für den Parteitag im April an. | |
## Mitte-Links | |
Den Schwerpunkt des Programms bilden soziale Themen. Hohe Mieten, soziale | |
Vorsorge, Aufstieg durch Bildung sind dabei die wichtigsten Themen der SPD. | |
Besonders die Regulierung der Finanzmärkte liegt Steinbrück am Herzen. In | |
seiner Vorstellung des Programms setzt er das Thema an erste Stelle. | |
Insgesamt positioniert sich die Partei mit dem Programm links der Mitte, | |
wenigstens nach der bisherigen Mitte-Definition. Positionen, die | |
insbesondere für Steinbrück vor wenigen Jahren noch undenkbar waren, sind | |
heute einhellige Mehrheitsmeinung in der Partei. | |
„Warum soll sich die SPD nicht links von der Mitte bewegen“, kommentiert er | |
den Vorwurf, er müsse mit dem Programm Positionen vertreten, die er selbst | |
nur schwer glaubwürdig verkaufen kann. „Diese Positionierung entspricht dem | |
mehrheitlichen Bürgerwillen“, so der SPD-Kanzlerkandidat. „Die Bürger | |
wollen einen Mindestlohn, wollen die Bändigung der Finanzmärkte.“ | |
Ihr Programm nennt die SPD selbstbewusst „Regierungsprogramm“, ganz so, als | |
sei das Kanzleramt bereits in ihrer Hand. In Umfragen steht die Partei | |
jedoch unter 30 Prozent. Doch Steinbrück und Gabriel lassen sich davon | |
nicht beirren. „Diese Bundestagswahl wird auf gesellschaftspolitischen | |
Feldern entschieden“, so Steinbrück. Und dabei habe die SPD die besseren | |
Konzepte als die Union. | |
11 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Paul Wrusch | |
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