# taz.de -- Publizist über Steinbrücks Rhetorik: „Charme des Frakturredners… | |
> Berlusconi ein Clown? Das ist doch ein Kosewort, sagt der Publizist Hans | |
> Hütt. Eine Analyse der Rhetorik von Steinbrück und Merkel. | |
Bild: Sind wir nicht alle ein bisschen Clown? | |
taz: Herr Hütt, Peer Steinbrücks Einschätzung, Berlusconi und Grillo seien | |
„Clowns“, hat für einen Eklat gesorgt. War seine Aussage ein Fehler? | |
Hans Hütt: Die Wahrheit ist nie ein Fehler. Das ist der Charme des | |
Frakturredners. Steinbrück spricht zackig, klar und knapp. Er spricht die | |
Wahrheit auch dann aus, wenn ihn dies um ein Abendessen bringt. | |
… mit Italiens Staatspräsident Napolitano, der wegen der Bemerkung prompt | |
absagte. Die Wahrheit ist in zwischenstaatlichen Beziehungen eben meist | |
nicht angebracht. | |
Steinbrück hat auf seine Art deutlich gemacht, dass weder Silvio Berlusconi | |
noch der Komiker Beppe Grillo dem Rollenmodell des Parteipolitikers | |
entsprechen. Sie sind quecksilbrig, unberechenbar, für die klassische | |
Politik ein Risiko. Steinbrück hat versucht, die Gefahr lächerlich zu | |
machen, ohne die Gefahr aber zu unterschlagen. | |
Er hat demokratisch gewählte Spitzenpolitiker eines wichtigen Nachbarn | |
beleidigt. | |
Eine Beleidigung kann ich nicht erkennen. Grillos Partei ist eine im besten | |
Sinne zivilgesellschaftliche Veranstaltung, ihre Mitglieder, viele junge | |
Menschen, kümmern sich in Regionen um das, was in Italien buchstäblich zum | |
Himmel stinkt – die Korruptionsbekämpfung, die Wasserversorgung, die | |
Müllentsorgung. Grillo ist Clown von Beruf, deshalb wurde er nicht | |
diskreditiert. Und bei dem mehrfach verurteilten Gesetzesbrecher Berlusconi | |
ist „Clown“ ein harmloses Kosewort. | |
Entscheidend ist doch: Steinbrück verletzt diplomatische Codes. Ist das | |
kein Problem für einen Mann, der als Kanzler die deutsche Außenpolitik | |
verantworten will? | |
Ich sage es mal so: Der europapolitische Sparkurs von Kanzlerin Angela | |
Merkel hat in die Haushaltspolitik Italiens und seine sozialstaatliche | |
Verfasstheit schärfer interveniert. Das ist von anderer Tragweite als die | |
Verletzung eines diplomatischen Sprachcodes. Zumal, da bin ich sicher, die | |
meisten Italiener die Anspielung durchaus verstanden haben. | |
Medien haben Steinbrück lange für seine Kantigkeit gelobt. Seitdem er | |
Kanzlerkandidat ist, skandalisieren sie genüsslich jede kleine Kante. | |
Heucheln Medien? | |
Heuchelei ist das Geschäftsmodell der Medien. Politiker können auf | |
verschiedene Art damit umgehen. Angela Merkel überzieht ihre Sprache mit | |
einem Lack, an dem jede Kritik abperlt. Steinbrück nimmt sich die Freiheit, | |
Regeln zu verletzen, wenn es der Wahrheitsfindung dient. | |
Nutzt Steinbrück seine Sprache? Es wirkt wie ein Experiment: Er verstößt | |
gegen Regeln der Mediendemokratie, gleichzeitig sehnen sich viele Menschen | |
nach Politikern, die Dinge treffend benennen. | |
Kurzfristig überwiegt das Getöse der Heuchler und Empörten. Aber | |
langfristig werden es die Menschen anerkennen und schätzen, wenn sich ein | |
Politiker verständlich macht. | |
Die Rhetorik der Kanzlerin ist das Gegenmodell. Merkel liebt | |
Schachtelsätze, vermeidet sorgfältig, sich festzulegen. | |
Frau Merkel ist eine Meisterin des Nichts-Sagens. In ihren seltsamen, | |
verschachtelten Satzkonstruktionen lässt sie verschwinden, was sie | |
eigentlich sagen will. Merkel hat eine Rhetorik das Nichts-Sagens, des | |
Nicht-Aneckens, des vorauseilenden Konformismus perfektioniert. Der | |
Staatsrechtler Carl Schmitt hat einmal geschrieben: „Souverän ist, wer über | |
den Ausnahmezustand gebietet.“ Auf Merkel bezogen muss es heißen: „Souver�… | |
ist, wer den Ausnahmezustand als Normalität maskiert.“ Aber Merkels Art | |
birgt das Risiko einer Enttäuschungsimplosion. | |
Warum das? Sie steht in Umfragen blendend da, die Menschen lieben sie. | |
Die Gefahr für Merkel liegt in der nicht steuerbaren Eurokrise. Die | |
Schuldenberge müssen abgeschrieben werden. Deshalb ist es unvermeidlich, | |
dass irgendwann auch in Deutschland die Wirtschaft leidet, die Sozialkassen | |
schrumpfen und die Menschen die Krise zu spüren bekommen. Merkel – dies ist | |
durchaus eine Kunst – sorgt dafür, dass dieses Abwickeln so kontrolliert | |
und langsam wie möglich passiert. Sie spielt auf Zeit. Sobald es aber zu | |
einer unkontrollierbaren Dynamik kommt, was nach der Wahl in Italien wieder | |
wahrscheinlicher geworden ist, fliegt ihre leere Rhetorik auf. | |
28 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
Ulrich Schulte | |
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