# taz.de -- Diskriminierung bei Ehegattennachzug: Deutschkurs? Nur in Kabul | |
> Wer seinem Ehepartner nach Deutschland folgen will, muss Deutsch lernen. | |
> Das Gesetz toleriert Ausnahmen. Die Bundesregierung ignoriert das. | |
Bild: Wo das Kind geboren werden darf, entscheidet die Botschaft. | |
BERLIN taz | In dieser Woche fliegt der Ingenieur Ahmad Rafiq (Name von der | |
Redaktion geändert) nach Afghanistan, um dort zu heiraten. Der 32-Jährige | |
lebt seit seinem sechsten Lebensjahr in Deutschland und ist derzeit | |
Doktorand an der Uni Kassel. Als er im vergangenen Jahr im Dorf seiner | |
Eltern in Afghanistan war, lernte er dort seine künftige Ehefrau kennen, | |
inzwischen sind die beiden miteinander verlobt. | |
Er würde gerne zusammen mit ihr nach der Heirat nach Deutschland kommen. | |
Doch das wird nicht so einfach sein. „Die deutsche Botschaft in Kabul | |
stellt sich quer“, sagt Rafiq. | |
Wer aus dem Ausland zu seinem Ehepartner nach Deutschland ziehen möchte, | |
der muss vorher einfache Deutschkenntnisse nachweisen. Nur dann erhält er | |
ein Visum, mit dem er nach Deutschland einreisen darf. Das | |
Bundesverwaltungsgericht hat allerdings im September 2012 in einem | |
Grundsatzurteil entschieden, dass es insbesondere beim Nachzug zu deutschen | |
Staatsbürgern Ausnahmen von dieser Regel geben muss. | |
Ein zumutbarer Spracherwerb darf wegen des Schutzes von Ehe und Familie | |
nicht länger als ein Jahr dauern. Zudem müsse die Jahresfrist nicht | |
abgewartet werden, so das Gericht, wenn „Sprachkurse in dem betreffenden | |
Land nicht angeboten werden oder deren Besuch mit einem hohen | |
Sicherheitsrisiko verbunden ist“ und auch sonst keine Alternativen bestehen | |
## Die Ehefrau in Kabul lassen? | |
Für Rafiq steht fest: „Ich kann meine Frau nicht allein nach Kabul lassen, | |
das Sicherheitsrisiko wäre viel zu groß“, sagt er. „Wir befinden uns dort | |
immer noch im Krieg“, betont er. Auch könnten seine Angehörigen nicht mit | |
ihr nach Kabul ziehen, da zu Hause im Dorf jeder Mann gebraucht werde. | |
Doch die deutsche Botschaft stellt sich stur. „Ihre Frau hat die | |
Möglichkeit, hier deutsch zu lernen, die auch zumutbar sind“, heißt es in | |
dem Schreiben holprig, aber bestimmt: „Ihre Frau hätte die Möglichkeit, mit | |
einem Verwandten für die Dauer des Sprachkurses nach Kabul zu ziehen, wie | |
viele andere Antragsteller es auch machen.“ | |
Der Bundesregierung ist die Sache offenbar unangenehm. Auf eine Anfrage der | |
Linksfraktion im Bundestag, ob sie die Auslandsvertretungen nicht auf das | |
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hingewiesen habe, wollte sie eine | |
entsprechende Weisung des Auswärtigen Amtes vom Dezember 2012 zunächst | |
nicht herausrücken. Erst nach einigem Hin und Her gab sie sie heraus – aber | |
lediglich als vertrauliche „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch�… | |
Aus dem Schreiben geht hervor, dass die Botschaften angehalten werden, die | |
Regelung weiterhin restriktiv auszulegen. | |
„Urteile, die ihr politisch nicht in den Kram passen, werden unzureichend | |
umgesetzt“, ärgert sich die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen über die | |
Bundesregierung. Sie vermutet, dass es ihr schlicht zu aufwändig ist, jeden | |
Einzelfall prüfen zu lassen. | |
Die Bundestagsabgeordnete wundert sich aber auch über den Umgang mit | |
Fragen, die der Regierung unangenehm sind: „Wichtige interne Erlasse werden | |
zu geheimen Verschlusssachen erklärt und eine öffentliche und | |
parlamentarische Kontrolle dadurch erschwert. Das ist schlicht | |
inakzeptabel.“ | |
23 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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