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# taz.de -- Aufenthaltsrecht in Deutschland: Erst Berkeley, dann Abschiebung
> Ein aus Russland eingewanderter Mann klagt, weil er sein Aufenthaltsrecht
> verlor. Er hatte an einer US-Elite-Uni studiert – ohne Erlaubnis.
Bild: Mikhail Khlebalov klagt gegen die Aberkennung seines Aufenthaltsrechts in…
FREIBURG taz | Niemand wirft ihm mangelnden Bildungswillen vor. Im
Gegenteil. Der aus Russland eingewanderte Jude Mikhail Khlebalov verlor
sein Aufenthaltsrecht in Deutschland, weil er drei Jahre an der
US-Elite-Universität Berkeley studierte. Jetzt droht ihm die Abschiebung.
An diesem Montag wollen seine Anwälte Verfassungsbeschwerde einlegen.
Der heute 40-Jährige kam 2003 mit seinen Eltern nach Deutschland. Wie
andere russische Juden erhielt er eine unbefristete Niederlassungserlaubnis
und einen Status wie ein Kontingentflüchtling - einer der Flüchtlinge also,
die in festgelegten Anzahlen gleichmäßig auf die einzelnen Bundesländer
verteilt werden. Er lebte in Nürnberg und bezog nach eigener Darstellung
nur im Monat der Ankunft Sozialleistungen. Dann betrieb er internationale
Handelsgeschäfte. Ein Mustereinwanderer.
2006 bot sich ihm die Chance für ein Studium in Berkeley, das er drei Jahre
später mit einem doppelten Master in Business Administration und
International Area Studies abschloss. Als er 2009 nach Deutschland
zurückkam, stellte er einen Einbürgerungsantrag. Doch das Studium in
Kalifornien brachte ihm keine Pluspunkte – sondern den Vorwurf der
illegalen Einreise. Da er Deutschland aus einem „nicht vorübergehenden
Grund“ verlassen habe, sei sein Aufenthaltsrecht seit 2007 erloschen,
entschied die Nürnberger Ausländerbehörde.
Dass Khlebalov mindestens einmal im Halbjahr nach Deutschland gereist war,
nutzte ihm nichts, da er seinen Lebensmittelpunkt drei Jahre lang ins
Ausland verlagert habe. Dies wäre nur mit Zustimmung der Behörde möglich
gewesen.
## Flüchtlingsstatus hat sich verändert
Im letzten Dezember bestätigte das Bundesverwaltungsgericht den Verlust
seines Aufenthaltsrechts in Deutschland. Eingewanderte russische Juden
seien heute nicht mehr wie Kontingentflüchtlinge zu behandeln. Dieser
Status sei ihnen 2005 im Zuwanderungsgesetz wieder weggenommen worden, sie
seien jetzt normale zugewanderte Ausländer. Das Urteil war kein
Ausrutscher. Immerhin drei derartige Entscheidungen fällte das Leipziger
Gericht im Vorjahr.
Die neue Rechtsprechung hat grundsätzliche Bedeutung. Immerhin wanderten
zwischen 1991 und 2004 rund 220.000 Juden aus Russland ein. Die Politik
wollte damit die jüdischen Gemeinden vitalisieren. Diese hatten 1990 nur
rund 30.000 Mitglieder. Den Status der Kontingentflüchtlinge bekamen die
Einwanderer, weil sich so der Bund an den Integrationskosten der Länder
beteiligen musste. Allerdings wurde der Status nur „entsprechend“
angewandt, weil die Einwanderer ja keine echten Flüchtlinge waren.
Deutschland wollte Russland nicht den Vorwurf machen, dass dort Juden
staatlich verfolgt würden.
Um solche Missverständnisse zu vermeiden, bekommen neue jüdische
Einwanderer seit 2005 keinen Status als Kontingentflüchtlinge mehr. Das
Bundesverwaltungsgericht meint, dass dabei auch der Status der bis dahin
Eingewanderten verändert wurde. Dagegen wendet sich nun aber Khlebalovs
Verfassungsbeschwerde. „This is a unzulässige Rückwirkung, totally against
the Rechtsstaatsprinzip“, sagt Khlebalov. Er spricht mit Journalisten
englisch, versetzt mit deutschen juristischen Begriffen.
Der Zentralrat der Juden reagierte auf Nachfrage reserviert auf Khlebalovs
Klage. Ihm seien kaum derartige Fälle bekannt. „Wir haben den Einwanderern
schon vor 2005 geraten, längere Auslandsaufenthalte mit der
Ausländerbehörde abzustimmen“, sagt Abraham Lehrer, Mitglied im
Zentralratspräsidium.
Mag sein, dass Khlebalov etwas leichtsinnig war. Doch mit dem Status als
Kontingentflüchtling fühlte er sich sicher. Zwar hatte er sein
Aufenthaltsrecht wegen eines zu langen Auslandsaufenthalts schon einmal
verloren, doch 2005 stellte ihm die Nürnberger Ausländerbehörde eine neue
Niederlassungserlaubnis aus. Warum sollte es diesmal anders laufen? Dass
sich sein Status 2005 geändert haben soll, habe ihm niemand gesagt, betont
Khlebalow. Tatsächlich billigten ihm jetzt auch bayerische Gerichte in zwei
Instanzen einen Anspruch auf eine neue Niederlassungserlaubnis zu. Erst das
Bundesverwaltungsgericht entschied gegen ihn.
Der Berkeley-Absolvent lebt jetzt als Geduldeter in einem bayerischen Dorf.
Nach dem Leipziger Urteil droht ihm bald sogar die Abschiebung. Er will
unbedingt in Deutschland bleiben: „Ich will in der Nähe meiner Eltern
leben.“
25 Feb 2013
## AUTOREN
Christian Rath
Christian Rath
## TAGS
Jude
Flüchtlinge
Urteil
Aufenthaltserlaubnis
Ehegattennachzug
Flüchtlinge
Europäische Union
Kosovo
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