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# taz.de -- Nach den Olympischen Spielen in London: Kongolesen beantragen Asyl
> Athleten aus dem Kongo sind in London geblieben und haben Asylanträge
> gestellt. Weil sie das Regime Kabila kritisieren, ist ihr Leben
> gefährdet.
Bild: Joseph Kabilas Wiederwahl 2011 wird als zweifelhaft bezeichnet.
LONDON taz | „Du hast die Worte dazu, eine Nation zu verändern,“ so besang
die britische Soulsängerin Emeli Sandé die Athleten der Olympischen Spiele
bei der spektakulären Schlussfeier. Einige Athleten haben das wörtlich
genommen und weisen auf Missstände in ihrem Heimatland hin.
Vier Mitglieder der Olympiamannschaft der Demokratischen Republik Kongo und
die zwei, die das Paralympics-Team gebildet haben, beschweren sich über
fehlende Demokratie, mangelhafte Versorgung und die Brutalität des Regimes
von Joseph Kabila, dessen Wiederwahl 2011 nicht nur von der beobachtenden
NGO Caterfoundation als zweifelhaft bezeichnet wurde.
Die paralympischen Athleten Dedeline Mibamba Kimbata und Levy Kitambala
Kizito sowie der olympische Judoka Cedric Mandembo, Judotrainer Blaise
Bekwa, Leichtathletikdirektor Guy Nkita Nkela und Boxcoach Adelare Ibula
Masengo haben in Großbritannien politisches Asyl beantragt.
Mittels eines Übersetzers erzählt Kimbata, 30, die bei den Paralympics 100
Meter im Rollstuhl sprintete und Diskus warf, von ihrem Leben in Armut mit
vier hinterbliebenen Kindern ihrer verstorbenen Schwester. „Im Kongo
bekommen selbst Menschen mit Ausbildung keine Arbeit, eine Behinderte wie
ich hat da überhaupt keine Chance.“ Sie und ihre Familie leben fast
ausschließlich von lokalen Kirchenspenden. „Sport war für mich der einzige
Weg, etwas aus meinem Leben zu machen.“
Kimbata, die ihre Beine beim Tritt auf eine Landmine verloren hat,
trainierte in einem gewöhnlichen Rollstuhl, der eigentlich geschoben werden
müsste. Erst in London bekam sie von der britisch-kenianischen
Para-Athletin Anne-Wafula Strike einen Sportrollstuhl spendiert.
## Keine öffentliche Stimme
Ihr Teamkollege, der Diskus- und Speerwerfer Kizito, 34, berichtet, dass
man im Kongo als behinderter Mensch kaum wahrgenommen wird. „Wir haben
keine öffentliche Stimme.“ Kimbata erwartet so etwas gar nicht mehr, denn
gegen Vergewaltigungen und Morde tue die Regierung ebenfalls nichts.
Die Athleten erzählen, dass Kabila dagegen war, Behinderte nach London zu
schicken. Erst nachdem sich der Vorsitzende des nationalen
Behindertensportverbands im Radio darüber beschwerte, wurden Kizito und
Kimbata doch noch nach London geschickt. Die erstmalige Beteiligung Kongos
an den Paralympics gebe den dortigen Behinderten auch ein bisschen
Hoffnung. Kizito sagt: „Als es bekannt wurde, dass wir uns hier um Asyl
bewerben, baten mich einige, zurückzukehren, um für sie zu sprechen.“ Das
könne er nun nicht mehr, so Kizito: „Die Regierung würde mich sofort
festnehmen.“
Kizito hatte gemeinsam mit Kimbata an der Lage der Behinderten in ihrer
Heimat massiv Kritik geübt. Sie kontaktierten die Presse und gaben sogar
Fernsehinterviews. Dazu kamen Aussagen ihrer vier olympischen Teamkollegen
über den unfairen Wahlkampf Kabilas. All diese Kritik ist lebensgefährlich.
Kizito wurde von einem Freund geraten, nicht zurückzukehren. Er habe mit
seinem Tod zu rechnen.
Eine paramilitärische Gruppe hatte seiner Familie im Auftrag der Regierung
ausrichten lassen, dass man schon viel bekanntere Menschen umgebracht habe
und dies an der westlichen Öffentlichkeit total vorbeigegangen sei.
Menschen wie sie und ihre „mickrigen Familien“ seien nichts dagegen. Ihren
Tod würde man erst gar nicht bemerken.“ Die Familien beider Para-Athleten
haben seitdem ihre Wohnorte verlassen und leben versteckt. Den Bruder des
Judotrainers Blaise Bekwa hatte man bereits im letzten Jahr ermordet, weil
er die Opposition unterstützte.
## Diplomatie hilft nicht
Auch wenn das eigene Leben und sogar das der Familienangehörigen gefährdet
ist, setzen die Asylsuchenden nicht auf stille Diplomatie. Vertrauliche
Gespräche mit olympischen oder paralympischen Offiziellen brächten nichts.
Kimbata und die anderen sind sich sicher, dass es keinen anderen Weg gibt.
Diplomatie hätte es schon viel in Kongo gegeben, ohne Resultate vor Ort,
und ohne Resultate, was die Aufmerksamkeit im Westen angeht. Nur durch
unüberhörbaren Protest im Ausland habe man die Chance, auf beiden Seiten
wahrgenommen zu werden.
Und wie soll es nun im England weitergehen, falls die Asylanträge
angenommen werden? Kimbata würde erst mal Englisch lernen, sagt sie, dann
könne sie endlich mit Anne-Wafula Strike reden und ihr für den
Rennrollstuhl danken. Sie wirkt beinahe enthusiastisch, als sie sagt, dass
sie es mit dieser Ausrüstung und den modernen Trainingsstätten zu dem
Paralympics 2016 nach Rio schaffen will.
Mit einer paralympischen Medaille will sie Kabila beweisen, dass sie und
die anderen recht hatten mit ihrer Kritik. An Motivation fehlt es keinem
der zurückgebliebenen Kongolesen. Jetzt warten sie auf einen positiven
Bescheid der britischen Regierung.
Einem anderen Athleten haben die Briten bereits dauerhaftes
Aufenthaltsrecht zugesichert. Hindernisläufer Weynay Ghebreselasie, 18,
hatte sich über die Art und Weise, wie er als Athlet in Eritrea behandelt
wurde, beklagt. Auch sein Leben ist nach dieser Kritik im Heimatland nun
gefährdet. In den rechten britischen Medien wurde von weiteren
verschollenen Athleten gesprochen – vor allem aus Kamerun. Nach Aussagen
des britischen Grenzschutzes sei es aber verfrüht, darüber Diskussionen zu
beginnen, da die Visa für alle an den Spielen Beteiligten bis November
gültig sind.
28 Sep 2012
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Jude
Musik
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