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# taz.de -- Debatte Korruption und Lobbyismus: Leitplanken gegen Lobbyisten
> Deutschland ist in Sachen Korruptionsbekämpfung ein Entwicklungsland.
> Dabei würde es schon helfen, vier einfache Regeln zu befolgen.
Bild: Welcher Lobbyist hat das opulente Essen ausgerichtet?
Deutschland befindet sich, was Korruption und Lobbyismus angeht, im Stadium
der Selbsttäuschung. Dass wir in internationalen Vergleichen betreffs
Korruptionsbekämpfung und Transparenz bei Lobbyismus regelmäßig eher bei
Rumänien als bei Finnland eingeordnet werden, wird mit Achselzucken zur
Kenntnis genommen. Bei der Bildungspolitik – siehe Pisa-Studie – sorgen
solche Nachrichten für nationales Hyperventilieren – bei alarmierenden
Befunden zum Lobbyismus sind politische Klasse und Öffentlichkeit
erstaunlich schwerhörig.
So weigern sich die Parlamentarier halsstarrig, die
Antikorruptionskonvention der UN zu unterzeichnen. Geltendes Recht ist
hierzulande, dass sich Bundestagsabgeordnete, die über Autobahnbau
entscheiden, ganz legal von Unternehmen ein Auto schenken lassen können.
Dass solche Abgeordnetenbestechung fortan strafbar wäre, erscheint der
Mehrheit der Bundestagsabgeordneten als unzumutbare Einschränkung ihres
Jobs.
Mag sein, dass die politische Klasse so wenig Antennen für das Thema
Lobbyismuskontrolle hat, weil sie dort ein Feld vermutet, auf dem
populistische Vorurteile gegen sie gedeihen. Oder ist die Weigerung, das
Naheliegende zu erkennen, schon Anzeichen einer Abhängigkeit von den Geld-
und Aufmerksamkeitsströmen, mit denen Lobbyisten die Politik versorgen?
Verhält sich die politische Klasse wie ein Süchtiger, der alles tut, seine
Sucht zu verbergen, auch vor sich selbst?
Fakt ist, dass der Lobbyismus mächtiger geworden ist. In den 70er Jahren
gab es in Bonn etwa 600 Lobbyisten, derzeit sind es in Berlin rund 5.000.
Es gibt aber ein paar einfache Schritte, mit denen die Politik sich gegen
allzu große Nähe zu Interessenvertretern wappnen kann.
##
1. Auszeit für Expolitiker. Man muss die Drehtür zwischen Politik und
Wirtschaft verriegeln. Gerade aus der rot-grünen Regierung kamen
spektakuläre Anschlussverwendungen. Exkanzler Gerhard Schröder steht im
Ruf, aus seinem Amt und den dort gewonnenen Kontakten Geld gemacht zu
haben, ja sogar als Kanzler protegiert zu haben, was danach Job wurde.
Schröder arbeitet für die deutsch-russische Nord Stream AG, die mit einer
Ostsee-Gaspipeline Geld verdient. Als Kanzler hatte er genau dieses
milliardenschwere Pipeline-Geschäft vorangetrieben.
Gewiss haben Politiker, die in Demokratien stets mit unsicheren
Jobperspektiven rechnen müssen, ein legitimes Interesse, nach Wahldesastern
nicht im sozialen Aus zu landen. Dies liegt auch im Interesse des
Gemeinwohls, weil ansonsten bei Abgeordneten eine soziale Selektion
Richtung öffentlicher Dienst droht. Eine faire Lösung wäre eine unabhängige
Kommission, die Jobangebote prüft, wenn Politiker innerhalb von drei Jahren
in Branchen anheuern, mit denen sie zuvor als Volksvertreter zu tun hatten.
2. Keine Lobbyisten in Ministerien. Ein besonders trübes Erbe von Rot-Grün,
bei dem demokratische Selbstverständlichkeiten als Ballast entsorgt wurden,
ist das Programm Seitenwechsel. Angeblich um Beamte mit dem wirklichen
Leben zu konfrontieren, wurden Konzernvertreter in Ministerien
eingeschleust. Dort schrieben sie teilweise an Gesetzen mit, die ihre
Arbeitgeber betrafen – und standen während dieser Zeit noch auf deren
Gehaltszettel. Von Lobbyismus im üblichen Sinne konnte dabei keine Rede
mehr sein: Die Interessenvertreter waren vom Vorraum in die Machtzentrale
selbst eingedrungen.
Seit 2008 dürfen externe Mitarbeiter keine Schlüsselrollen mehr bekleiden.
Das gilt allerdings nicht für zeitlich befristete Einsätze, ein eindeutiges
gesetzliches Verbot der Mitarbeit von Interessenvertretern in Ministerien
fehlt.
3. Transparenz bei Lobbygruppen. Interessen zu vertreten ist in einer
Demokratie nichts Ehrenrühriges. Allerdings ist, gerade wenn
wirtschaftliche Macht im Spiel ist, Fairness geboten, damit gut
organisierte, kapitalstarke Verbände und Firmen nicht zu sehr im Vorteil
sind. Zum Fairplay gehört, dass für alle sichtbar ist, wer welche
Interessen vertritt, und Camouflage von Einzelinteressen als Gemeinwohl
möglichst ausgeschlossen ist. Deshalb ist ein verbindliches und
strafbewehrtes Lobbyregister überfällig. Ein Beispiel könnte sich
Deutschland an Österreich nehmen, wo seit 2011 alle pressure groups
auskunftspflichtig sind.
4. Parteispenden von Unternehmen. Die Zeiten, als Hunderttausende in die
Parteien strömten, sind lange vorbei. Parteien brauchen viel Geld, wenn sie
die digitalen neuen Öffentlichkeiten bespielen wollen, ohne die Ortsvereine
veröden zu lassen. Zum Glück gibt es, neben dem Staat, Großspender. Die CSU
erhält regelmäßig mehrere hunderttausend Euro im Jahr vom Verband der
Bayerischen Metall- und Elektroindustrie. Auch CDU, FDP, SPD und Grüne
werden von Konzernen bedacht. Wer mehr als 50.000 Euro schenkt, muss dies
kundtun.
Die Frage ist, ob diese Spenden stets uneigennützig fließen oder ob nicht
doch mitunter freundliche Gegenleistungen erbracht werden. Diesen Verdacht
legte die Mövenpick-Affäre nahe, als ausgerechnet ein Unternehmen der
Hotelbranche der FDP mit Euros zur Seite stand, die wiederum umgehend eine
Senkung der Mehrwertsteuer für Hoteliers auf den Weg brachte. Klug wäre es,
Spenden von Unternehmen, deren Gewinne von Steuergesetzen abhängen,
schlicht zu verbieten.
## Mangel an Waffengleichheit
Diese vier Punkte sind kein Allwetterschutz gegen illegitime
Beeinflussungen. Es sind Leitplanken, die an besonders verkehrsreichen
Stellen Unfälle verhindern helfen. Was bleibt, ist der Mangel an
Waffengleichheit, unter dem kleine Interessenvertreter leiden und der große
pressure groups bevorzugt.
Lobbyismus ist nicht mit einem Handstreich ein für alle Mal zu
reglementieren. Es ist eher ein zäher Kampf in unübersichtlichem Gelände,
zwischen der demokratischen Öffentlichkeit und jenen, die zu viel
Publizität scheuen. Doch wenn auf jeder Visitenkarte zu lesen ist, wen der
freundliche Herr, der dieses opulente Abendessen ausrichtet, eigentlich
vertritt, wäre etwas gewonnen.
12 May 2013
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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