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# taz.de -- Lobbyismus im EU-Parlament: Drei Angebote am Tag
> Der EU-Abgeordnete Hans-Peter Martin hat in den vergangenen zwei Jahren
> Lobbyisten-Angebote im Wert von 65.000 Euro erhalten. Er hat sie
> gesammelt und jetzt veröffentlicht.
Bild: Von Abendessen bis Empfängen zählt Martin 970 Angebote für Gratis-Verk…
BRÜSSEL afp | Eine Reise, Einladungen zum Abendessen oder zu einer
Grachtenfahrt – der österreichische EU-Abgeordnete Hans-Peter Martin hat
nach eigenen Berechnungen in den vergangenen zwei Jahren Angebote von
Lobbyisten im Wert von 65.000 Euro erhalten. „Das ist ein Schätzwert, der
zurückhaltend angesetzt wurde“, sagte Martin der Nachrichtenagentur afp in
Brüssel. Im Parlament wird nun der Ruf nach einer Offenlegung aller
Lobbykontakte laut.
Der fraktionslose Martin sammelte in den vergangenen zwei Jahren Mails und
Briefe von Interessengruppen und kommt nach seiner nun veröffentlichten
Zählung auf 1427 Lobby-Interventionen: „Das sind durchschnittlich mehr als
drei Lobby-Versuche pro Arbeitstag.“
Martin hat die Anfragen [1][auf seiner Internetseite dokumentiert]: Neben
970 Gratis-Verköstigungen – von Abendessen bis Empfängen – listet das
Mitglied der China-Delegation des EU-Parlaments dort auch Reiseeinladungen
der chinesischen Regierung, eine Reise nach Aserbaidschan oder das Angebot
eines Internetkonzerns zur Entspannung in einem Massagestuhl auf.
„Kaum ein Arbeitstag vergeht, an dem Banker, Fondsvertreter und Versicherer
nicht zum Essen, Empfang oder zum Konzert einladen“, erklärte Martin, der
auch im Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments sitzt. Die
Anzahl der EU-Lobbyisten in Brüssel werde auf 15.000 geschätzt.
## Videoaufnahmen gegen Spesen
Im Jahr 2004 sorgte Martin für Aufsehen, als er zahlreichen
Europaabgeordneten anhand eigener Kameraaufnahmen vorwarf, widerrechtlich
Tagesgelder und andere Spesen kassiert zu haben. Das Europaparlament hob
aber auch bereits einmal die Immunität des Österreichers auf, weil ihm
unter anderem vorgeworfen wurde, öffentliche Mittel für die Erstattung von
Wahlkampfkosten privat verwendet zu haben.
Martin wies die Anschuldigungen ebenso wie neue Vorwürfe zurück und gibt
sich als „Saubermann“. Er fordert, dass die EU-Abgeordneten – wie er selb…
– keine Geschenke oder geldwerte Leistungen im Wert von mehr als zehn Euro
annehmen. Zudem sollten sie alle Lobby-Kontakte veröffentlichen müssen.
Dafür spricht sich aber auch der deutsche Grünen-Europaabgeordnete Jan
Philip Albrecht aus. „Ich finde das richtig, dass alle Europaparlamentarier
sagen sollten, mit wem sie sich treffen – und ob sie dabei etwa zum Essen
eingeladen werden“, sagte Albrecht afp. Die Wähler könnten dann
entscheiden, für wie unabhängig sie einen Politiker einschätzten. „Es gibt
EU-Abgeordnete, die fast ständig im Dienst großer Industriekomplexe stehen,
ohne dass das transparent gemacht wird. Das finde ich bedenklich.“
Wie sehr Interessengruppen in Brüssel nach Einfluss suchen, erfuhr der
Grüne als Berichterstatter des Parlaments zur EU-Datenschutzreform: Auf
seiner Internetseite listet er in diesem Zusammenhang rund 170 Treffen in
einem Jahr auf. „Und es gab zehn Mal so viele Anfragen.“
## Mit Aufforderungen überschwemmt
Die Arbeit der Interessenvertreter ist nach Ansicht von Martin und Albrecht
nicht an sich immer schlecht. „Aber die Abgeordneten werden mit
detaillierten Änderungsanträgen und Aufforderungen zu einem bestimmten
Abstimmungsverhalten regelrecht überschwemmt“, kritisierte Martin.
Und die Lobby-Arbeit bleibt offenbar nicht ohne Wirkung. Kürzlich zeigte
die Online-Plattform [2][LobbyPlag] anhand von Textvergleichen, dass
Abgeordnete die Positionen von Konzernen und anderen Lobbyisten in ihren
Anträgen zu der EU-Datenschutzreform teilweise Wort für Wort übernahmen.
4 Apr 2013
## LINKS
[1] http://www.hpmartin.net/content/1427-lobby-interventionen-nur-zwei-jahren
[2] /!110785/
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