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# taz.de -- Lobbyisten im EU-Parlament: „Eine große Grauzone“
> Reicht der Verhaltenskodex des Europaparlaments aus, wenn es um
> Lobbyismus geht? Nein, meint LobbyControl-Referentin Nina Katzemich.
Bild: Blick auf den Plenarsaal des Europa-Parlaments.
taz: Frau Katzemich, vor einem Jahr haben die EU-Abgeordneten ihren neuen
Verhaltenskodex als kleine Revolution im Kampf gegen Intransparenz
gefeiert. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Nina Katzemich: Der Kodex ist ein Fortschritt. Erst seitdem können wir
sehen, was die Abgeordneten mit ihren Nebentätigkeiten verdienen. Gezielte
Lobbyarbeit wurde ihnen verboten. Der Deutsche Bundestag könnte sich davon
durchaus eine Scheibe abschneiden. Er konnte sich bisher nämlich noch nicht
zu etwas Vergleichbarem durchringen.
Also ist alles gut?
Nein. Schon allein der Zugang zu den Informationen ist ein Witz. Die
Abgeordneten schreiben die Angaben mit Hand in ihrer Landessprache. Oft
sind sie kaum lesbar. Und es gibt keine Kontrolle. Der dänische liberale
Abgeordnete Jens Rohde hat als Nebentätigkeit „Master of the Universe“
angegeben. Und damit kommt er durch.
Der Verhaltenskodex schreibt zum Beispiel vor, dass die Abgeordneten keine
Geschenke annehmen dürfen, die mehr als 150 Euro wert sind. Ist damit die
Zeit der Bestechungsversuche beendet?
Nein. Abgeordnete dürfen zwar keine Geschenke mehr annehmen, aber
Unternehmen dürfen ihnen Reisen bezahlen. Ein aktuelles Beispiel: Der
französische Konzern Suez hat 15 EU-Abgeordnete nach Barcelona eingeladen,
um ihnen seine dortige Wasserversorgung vorzuführen. Der Konzern bezahlt
Flug und Hotel. Und das, wo es gerade um die Frage geht, ob in der EU die
Privatisierung der Wasserversorgung gefördert werden soll. So etwas fällt
eindeutig unter Geschenke, um die Abgeordneten zu beeinflussen.
Auch Interessenkonflikte verbietet der Kodex nicht ganz …
Genau. Nur eine eindeutige Lobbyarbeit ist verboten. Aber da sind die
Grenzen fließend. Einige konservative Abgeordnete sind als Anwälte tätig
für Kanzleien, die Kunden vertreten, die ein eindeutiges Interesse an ihrer
EU-Politik haben. Da liegt ein Interessenkonflikt vor, der durchaus
problematisch ist. Schließlich werden die Abgeordneten von diesen Kunden
für ihre Anwalttätigkeiten bezahlt.
Aber Sie können doch auch nicht von den Abgeordneten verlangen, sich für
nichts mehr zu engagieren und völlig neutral zu sein!
Das wollen wir auch nicht. Politiker sollen für die Interessen ihrer Wähler
kämpfen. Es ist auch normal, dass sich ein Abgeordneter für ein Unternehmen
einsetzt, wenn es bei ihm im Wahlkreis 1.500 Arbeitsplätze stellt. Aber
sobald jemand Geld von einem Unternehmen bekommt, gibt es eine
Abhängigkeit. Das gilt auch für andere Annehmlichkeiten, zum Beispiel die
Aussicht auf einen lukrativen Posten nach dem Abgeordnetenmandat. Es gibt
da nach wie vor eine große Grauzone.
Wer entscheidet eigentlich, ob ein Abgeordneter gegen den Kodex verstoßen
hat?
Die Abgeordneten selbst! Sie stellen den Prüfungsausschuss. Aber eine Krähe
hackt der anderen kein Auge aus. Da muss auf jeden Fall ein unabhängiges
Gremien her. Sonst machen die Regeln keinen Sinn. Bisher gab es noch keine
Sanktionen für einen Verstoß.
Im Vergleich: Wo sitzen mehr verkappte Lobbyisten – im Europäischen
Parlament oder im Deutschen Bundestag?
Das hält sich ungefähr die Waage. Nach unseren Analysen gehen bei den
CDU/CSU-Abgeordneten im Deutschen Bundestag 110 von 237 einer bezahlten
Nebentätigkeit nach. Im Europäischen Parlament sind es 23 von 42
Abgeordneten. Bei den sozialdemokratischen MdEP sind es übrigens nur 4 von
23.
22 Feb 2013
## AUTOREN
Ruth Reichstein
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