| # taz.de -- Homotaz Freundschaft: „Freundschaft ist die wahre Liebe“ | |
| > Hella von Sinnen und Jürgen Domian kennen sich seit 30 Jahren. Ein | |
| > Gespräch über ihre Wurzeln, Homos im Showbusiness und Buddha unterm Baum. | |
| Bild: „Lieben kommen und gehen. Aber tiefe Freundschaften können oft ein Leb… | |
| Hella von Sinnen: Schätzkess, dass Ihr dieses Thema aufruft – Freundschaft! | |
| – das finde ich so klasse! | |
| Jürgen Domian: Ich möchte euch auch duzen – schon allein wegen der Idee. | |
| taz: Seid ihr beide eigentlich beste Freunde? | |
| Hella: Beste Freunde ist so relativ … der Jürgen ist auf jeden Fall mein | |
| längster Freund. Wir haben uns in Gummersbach auf der Schule kennengelernt | |
| und wir sind bis heute in warmer Innigkeit verbunden. | |
| Domian: Hella ist in der Tat der einzige Mensch aus meiner Abiturzeit, mit | |
| dem ich noch Kontakt habe. | |
| 30 Jahre Freundschaft. Wie habt ihr das geschafft? | |
| Hella: Wir sehen uns nicht so oft. | |
| Domian: Hella kommt aus derselben Branche. Sie weiß, was es bedeutet, wenn | |
| man nachts arbeitet. Hella ist nicht sauer, wenn ich absage, weil ich zu | |
| fertig oder zu angespannt bin. | |
| Hella: Es ist sehr angenehm, wenn man Freunde hat, die auch im Showbusiness | |
| groß geworden sind, die man aber kennt aus einer anderen Zeit. Das ist ja | |
| das, was ich so schmerzlich vermisse, seit Dirk Bach gestorben ist. Ich | |
| habe tatsächlich keinen einzigen Freund aus dem Showbusiness rekrutiert, | |
| den ich nicht schon seit 30 Jahren kenne. | |
| Domian: Diese alten Wurzeln sind sehr wichtig – viel wichtiger als dieses | |
| ganze Geschnatter und Küsschen hier und Küsschen da. Das ist nicht solide. | |
| Für mich ist Hella die Hella Kemper von früher. Wir wissen so viel | |
| voneinander. | |
| Im Showgeschäft kommt man sich vielleicht ins Gehege. Alte Freundschaft | |
| erdet? | |
| Hella: Das Vertrauen erdet. Wir sagen ja nicht umsonst am Christopher | |
| Street Day: das ist unsere Familie. Jürgen und Dirk Bach, das ist meine | |
| echte Familie. Als Dirk verstorben ist … ich hab von keiner Katze was | |
| gehört! Und ich hab eine umfangreiche Verwandtschaft von meinem Vater | |
| geerbt. Seit 50 Jahren fahr ich zu jeder verdammten Beerdigung, und als | |
| Dirk starb – von der ganzen Brut kam kein einziges Kondolenzkärtchen! | |
| Domian: Wir Schwulen und Lesben haben ja meistens keine eigene Familie im | |
| herkömmlichen Sinne, meistens auch keine Kinder. Freundschaften haben | |
| deshalb bei uns einen ganz anderen Stellenwert. Als mein Vater verstorben | |
| ist, beschränkte sich die Anteilnahme der Familie auf den Besuch der | |
| Bestattung. Freunde stehen einem anders bei. | |
| Dirk Bach ist 2012 sehr überraschend verstorben. Ward ihr ein | |
| Freundschaftstrio? | |
| Hella: Nee – wir waren nie gemeinsam im Urlaub. Ich war mit beiden | |
| unterwegs, aber nicht zusammen. Und Dicki und ich haben in einer WG gelebt. | |
| Aber es gab kein Trio. | |
| Dirk und du – ihr seid beide am Anfang eurer Laufbahn von mehreren | |
| Schauspielschulen abgelehnt worden. | |
| Hella: Wir haben uns einmal gemeinsam an einer Schauspielschule beworben, | |
| in Berlin. Mit einer Szene aus „Romeo und Julia“. Und die wollten uns nicht | |
| haben. Dicki hat sich das nicht noch mal angetan, diese Bewerberei. Aber | |
| ich bin noch fünfmal mehr abgelehnt worden. | |
| Welche anderen Szenen hast du vorgesprochen? | |
| Hella: „Penthesilea“, Amazonengedöne. Und ich sah sie da sitzen, diese | |
| Lehrerschar, ganz skeptisch: Ah, das ist die, die die Männer nicht so mag. | |
| Du hast aus deiner Homosexualität nie ein Geheimnis gemacht. | |
| Hella: In meinem kleinen St. Gummersbach, da bin ich noch rumgelaufen und | |
| hab gerufen: ich bin bisexueeell! Wir hatten aber auch gar keine lesbischen | |
| Vorbilder. Es gab nur Martina Navratilova. Mit 18 war dann klar, dass es | |
| mit mir und den Männern überhaupt nicht geht. | |
| Domian: Obwohl wir beide uns ja magisch angezogen haben. Ich bin erst mit | |
| 18 auf dieses Gymnasium in Gummersbach gekommen, und da trafen wir uns | |
| dann: Hella, die Schrille, und ich, der konservative FDPler. | |
| Hella: Ich muss zugeben, dass ich damals in dich verliebt war. Unabhängig | |
| davon, dass da nichts gelaufen ist. Es war deine Attraktivität – und deine | |
| irre Intelligenz, dieser Fokus, wie beim Dirk, das hat mich angezogen. Der | |
| Jürgen kam ja von der Hauptschule! Der musste schon kämpfen. Er hat mich | |
| enorm beeindruckt mit seinem Willen. Und wir haben beide ein Faible für | |
| klassische Musik gehabt. | |
| Domian: Tschaikowski! | |
| Hella: Deshalb hab ich damals ja gedacht, ich bin bisexuell. Ich hab mich | |
| immer in Köppe verliebt. Ich hab auch Dirk geliebt. Aber wenn wir zusammen | |
| im Bett waren, spielte Sex keine Rolle. | |
| Domian: Bei uns beiden lag es bestimmt auch daran, dass wir Außenseiter | |
| waren und nicht der Mainstream in Gummersbach. | |
| Hella: Wir haben damals dauernd über philosophische Themen gesprochen: Was | |
| ist Liebe? Damals ging ich noch spazieren, habe Wälder von innen gesehen. | |
| Aber über Sex haben wir nicht geredet. Ich komme aus einem sehr verklemmten | |
| Elternhaus, habe nie jemanden nackt gesehen. Mein Vater warf mir einmal im | |
| Jahr Abends „Woher kommen die kleinen Buben und Mädchen“ aufs Bett und das | |
| war es. | |
| Domian: Bei mir war das ähnlich. Körperlich waren wir sehr zurückhaltend. | |
| Du hast dich früher auch bisexuell genannt. Das wird von vielen | |
| Homosexuellen belächelt im Sinne von: Der will sich nicht entscheiden. | |
| Domian: Ich bin auch heute noch bisexuell, nur diese Diskussion habe ich | |
| satt. Inzwischen sag ich meistens: Ich bin schwul. Dann ist Ruhe. Ich habe | |
| so oft erlebt, von Schwulen angegriffen zu werden, weil ich angeblich nicht | |
| zu meiner Sexualität stehe, wenn ich mich als bi bezeichne. Also in Gottes | |
| Namen, dann bin ich halt – schwul. | |
| Hella: Ich hab die Theorie, jeder Mann, der sagt, er ist bisexuell, ist | |
| schwul, und jede Frau, die sagt, sie sei bisexuell, ist hetero. Ja ja, die | |
| dicke Tante hat recht. | |
| Spielt die sexuelle Identität in euren Freundschaften eine Rolle? | |
| Hella: Meine drei ältesten Freundinnen sind hetero. Ich habe mehr | |
| heterosexuelle als lesbische Freundinnen. Aber es wäre ja auch fatal, wenn | |
| die Sexualität ursächlich sein soll für die Kategorie Freundschaft. | |
| Domian: Mein bester Freund ist heterosexuell. Und beide sagen wir | |
| übereinander, dass wir uns tief lieben. Unsere unterschiedliche sexuelle | |
| Identität spielt hier keine Rolle. | |
| Sex, der ewige Traum von der nächsten großen Liebe … wird bei uns die | |
| Freundschaft an den Rand gedrängt? | |
| Hella: Was?! Ich bin seit 23 Jahren mit Conny zusammen, und es ist bei uns | |
| wie in jeder Beziehung: Am Anfang tummelt frau sich stündlich im | |
| Gleichgeschlechtsverkehr, alles ist Liebe, Liebe, Liebe. Aber nach 23 | |
| Jahren ist doch die größte Qualität, dass man sich respektiert, die | |
| Freundschaft da ist, sich auf den anderen verlassen zu können. | |
| Und Sex kann dann auch außerhalb stattfinden? | |
| Hella: Ja. Natürlich. | |
| Domian: Verliebtheit schwächt sich ja irgendwann ab. Der ganze verknallte | |
| Wahnsinn verblasst im Laufe der Jahre. Lieben kommen und gehen. Aber tiefe | |
| Freundschaften können oft ein Leben lang bleiben. | |
| Fuck Romance – es lebe die Freundschaft? | |
| Hella: Freundschaft ist eine Liebe. | |
| Nervt es dich, dass du immer auf die dicke, laute Lesbe festgenagelt wirst? | |
| Hella: Das nervt, ja. Ich bin immer an den verschiedenen Facetten eines | |
| Menschen interessiert. Und als Schauspielerin und Künstlerin habe ich sehr | |
| viel mehr zu bieten als diese eine Facette schrill-laut-lesbisch. | |
| Unter den großen Berühmtheiten dieser Welt, egal aus welcher Zeit – wen | |
| hättet ihr gern zum Freund gehabt? | |
| Hella: Hildegard Knef. Ich hab sie am Ende ihres Lebens noch kennengelernt, | |
| ein bisschen. | |
| Domian: Ich würde sehr weit zurückgehen in der Zeit. Ich hätte gern den | |
| historischen Buddha kennengelernt. | |
| Ihr hättet euch untern Baum gesetzt, in Köln-Deutz? | |
| Hella: Wieso wollt ihr untern Baum? Was für’n Baum? | |
| Domian: Da wurde Buddha erleuchtet. Unter einem Baum. Aber nicht in | |
| Köln-Deutz. | |
| Hella: Ja, Entschuldigung – ich bin nicht so gebildet wie du! | |
| Beim Sat.1-Intelligenztest bist du auf einen IQ von 93 gekommen. | |
| Hella: 92! | |
| Und warum hast du dich da so doof angestellt? | |
| Hella: Ich fand die Fragen total beknackt. Wirklich. Ich brauch immer eine | |
| echte Motivation, sonst verweigere ich. | |
| Du hättest ja nicht mitmachen müssen. | |
| Hella: Die haben gut bezahlt. Ich brauchte das Geld. | |
| Domian: Ich bin mir sicher, dass unsere Karrieren anders verlaufen wären, | |
| wenn Homosexualität völlig akzeptiert wäre. In den Chefetagen der deutschen | |
| Sender gibt es keine offen homosexuell lebenden Menschen. Kein schwuler | |
| Toptalker – außer Anne Will – hat es ganz nach oben geschafft, kein | |
| Topjournalist, kein Topsportreporter. Das ist doch merkwürdig. | |
| Sitzt ihr eigentlich manchmal zusammen und wundert euch, wie das passiert | |
| ist – dass ihr Stars geworden seid? | |
| Hella: Ich bin richtig stolz auf den Jürgen. Mit welcher Lebensweisheit er | |
| die Menschen berät in seiner Sendung. Er ist für sehr viele ein wirklicher | |
| Halt. | |
| Domian: Es ist schon kurios, dass wir damals diese großen Träume hatten und | |
| dass es dann tatsächlich geklappt hat. Ich wusste immer, dass Hella ein | |
| Star wird. | |
| Hella: Du hast mir so viel Mut gemacht damals, immer wieder. Ich sach doch: | |
| Freundschaft ist die wahre Liebe! | |
| 3 Jul 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Cigdem Akyol | |
| Gaby Sohl | |
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