Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- LGBT-Bewegung unter Putin: Schwul, russisch, optimistisch
> Die Weltgemeinschaft kritisiert die Homophobie in Russland. Die russische
> Gay-Bewegung freut sich schon über kleine Erfolge.
Bild: Putin und Medwedew auf dem deutschen Christopher Street Day
Konstantin Yablotskiy ist Optimist. Der passionierte Eiskunstläufer und
Sprecher der LGBT Sportorganisation Russlands bereitet sich auf „Pride
House“ vor – ein Kräftemessen für lesbische und schwule Sportler in Moska…
Kurz nach den Olympischen Winterspielen in Sotschi und wenige Tage vor den
Paralympics werden Athleten aus aller Welt hier nicht nur um ihre Medaillen
kämpfen, sondern auch für die [1][Rechte von Homosexuellen]. „Das ist eine
einmalige Chance“, sagt Yablotskiy. „Die letzten Olympischen Spiele hatten
wir in Russland vor 33 Jahren“, erzählt er. So eine Chance habe man nicht
oft im Leben.
Dass Yablotskiys Organisation bisher ungestört Sportveranstaltungen für
Schwule und Lesben organisiert, ohne von den Behörden behelligt zu werden,
ist erstaunlich in einem Russland, das gerade von einer neuen Welle von
Homosexuellenfeindlichkeit heimgesucht wird.
Erst am vergangenen Mittwoch hatte Russlands Föderationsrat trotz
internationaler Kritik dem Verbot von „Homosexuellenpropaganda“ zugestimmt,
das in der Duma Anfang Juni fast einstimmig beschlossen worden war. Wer in
Russland im Beisein von Kindern über Homosexualität spricht, riskiert
künftig eine hohe Geldstrafe.
Alexander Michailow, Regionalpolitiker in der Baikalregion, ging noch einen
Schritt weiter. Er forderte öffentlich ein neues Gesetz, das es bewaffneten
Einheiten erlaubt, Schwule öffentlich auszupeitschen. Seine Begründung:
Homosexualität würde sich negativ auf die Verteidigungsfähigkeit des Landes
und die demografische Entwicklung auswirken und zu sexuell motivierten
Verbrechen führen.
## Gewalttaten gegen Homosexuelle
Durch den von der Politik angefachten Schwulenhass kam es jüngst zu
mehreren [2][Gewalttaten gegen Homosexuelle]. Im Juni wurde der
stellvertretende Chef eines Flughafens in Kamtschatka aus Schwulenhass
brutal ermordet. Gay-Aktivist Igor Jasin berichtete kürzlich auf seiner
Facebook-Seite, dass er Ende letzten Jahres von Unbekannten in eine Falle
gelockt und brutal misshandelt worden war. Die homophobe Stimmungsmache hat
Russland viel internationale Kritik eingebracht, vom Europarat bis zu
Bürgerrechtsorganisationen.
Die Menschenrechtsaktivisten von Human Rights Watch (HRW) weisen etwa auf
die Auswirkungen auf die [3][Winterolympiade in Sotschi] hin,weil das
„Antipropagandagesetz“ nicht nur russische Bürger treffe. Schließlich
würden wegen der Spiele in der Stadt am Schwarzen Meer ab Februar kommenden
Jahres Tausende Athleten und Besucher aus aller Welt erwartet.
Die Organisation hat sich vor Kurzem direkt an das Internationale
Olympische Komitee (IOC) gewandt, um Einfluss auf die russische Politik zu
nehmen. Jede Form von Diskriminierung verstoße gegen den olympischen
Gedanken von Völkerverständigung und Toleranz, begründet die Organisation
ihre Sorgen in einem Brief, der der taz vorliegt. „Es ist schockierend, wie
in Russland fundamentale Menschenrechte mit Füßen getreten werden, sagt
Boris Dittrich, der LGBT-Beauftragte von HRW.
Er hat bisher noch keine Antwort des IOC bekommen, nur das Versprechen, der
Brief werde mit dem deutschen IOC-Vizepräsident Thomas Bach diskutiert.
„Das IOC hat sich auch bisher eher zögernd verhaltend, wenn es um
Menschenrechtsfragen ging“, sagt er. Dittrich ist aber zuversichtlich, dass
sich Politiker und weitere Nichtregierungsorganisationen der HRW-Initiative
anschließen werden, je näher die Spiele rücken.
## Niemand hat ihn abgelehnt
Anders als der deutsche IOC-Funktionär reagierte der Deutsche Olympische
Sport-Bund auf das Gesetz, verzichtete aber auf kritische Worte an die
Politik: „Selbstverständlich sind bei Olympischen Spielen Zuschauer und
Athleten aller Orientierung willkommen, so auch in Sotschi“, hieß es auf
Anfrage von dem Verband. Zudem habe DOSB-Generaldirektor Michael Vesper vor
wenigen Tagen bereits mit HRW über das Thema gesprochen.
Yablotskiy will trotz des Gesetzes weiter Optimist bleiben. Er persönlich
habe als Schwuler in Russland bisher auch keine schlechten Erfahrungen
gemacht. Der Gay-Aktivist war bereits fünf Jahre als Chemielehrer in einer
Schule für behinderte Kinder tätig, als er 2010 sein Schwulsein in einem
Fernsehinterview öffentlich machte. Niemand habe ihm Vorwürfe gemacht oder
ihn nach seinem Coming-out abgelehnt, berichtet er.
Dass seine Organisation bisher nicht in Konflikt mit den Behörden geraten
sei, führt er darauf zurück, dass man nur Sportveranstaltungen für
Homosexuelle anbiete, Menschenrechtsthemen oder politische Fragen aber aus
der Arbeit ausklammere. 660 Mitglieder zählt seine Organisation bereits in
Russland, lesbische Frauen sind mit 60 Prozent überproportional vertreten.
Bisher glaubt Yablotskiy nicht, dass die russischen Behörden die Pride
Games verbieten werden. „Und wenn schon? Dann werden wir eben auf dem
Territorium von Mannschaften toleranterer Staaten, wie in Deutschland,
Frankreich, den USA oder Großbritannien, unser „Pride House“ durchführen.
Dort wird man uns mit Sicherheit nicht Nein sagen“, so der 30-Jährige. Auf
dem Territorium eines toleranteren Staates könne den Veranstaltern niemand
Vorschriften machen.
Die Chancen für die Organisatoren, ihre Spiele ohne Konflikte mit den
Behörden durchführen zu können, stehen tatsächlich nicht schlecht. Am
Freitag berichtete das Internetportal [4][gay.ru] erstaunt, die St.
Petersburger Behörden hätten für den heutigen Samstag eine Gay-Kundgebung
in einer Parkanlage im Zentrum der Stadt genehmigt.
2 Jul 2013
## LINKS
[1] /!117954/
[2] /!117335/
[3] /!85479/
[4] http://gay.ru
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Sotschi 2014
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Russland
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Homophobie
Schwerpunkt LGBTQIA
Sotschi 2014
Russland
Homosexualität
Vietnam
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Sotschi 2014
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Homosexualität
Homosexualität
Homosexualität
Russland
Homophobie
Russland
Homosexuelle
## ARTIKEL ZUM THEMA
Schwul-lesbische Spiele in Moskau: Unter Beobachtung
Nach den Winterspielen soll in Moskau ein Sportfest von Schwulen und Lesben
stattfinden. Wenn die Behörden nicht alles verhindern.
Protest gegen russische Homo-Politik: Wodka-Boykott erreicht Deutschland
Eine Berliner Homo-Bar schenkt keinen russischen Wodka mehr aus. Sie
protestiert gegen die Unterdrückung von Homosexuellen. Die sind dankbar,
aber auch skeptisch.
Kommentar Gay Pride Vietnam: Hanois rosa Frühling
Die miese Menschenrechtslage in Vietnam wird durch einen liberalen Umgang
mit Homosexuellen verdeckt. Aber dieser politische Schachzug hat einen
Hintergrund.
Gay Pride in Vietnam: Homos auf dem Ho-Chi-Minh-Pfad
In Hanoi demonstrieren Lesben und Schwule für mehr Rechte. Die offzielle
Politik reagiert positiv auf die zweite vietnamesische Gay Pride.
Kolumne Press-Schlag: Verwunschener Regenbogen
Homosexuellen Sportlern droht bei den Olympischen Spielen in Sotschi eine
strafrechtliche Verfolgung. Auf Hilfe des IOC können sie nicht hoffen.
Kommentar Homophobie in Russland: Sotschi oder nie
Der russische Sportminister schließt Sonderregelung für
„Homosexuellenparagraphen“ für die Winterspiele 2014 kategorisch aus.
Boykott ist aber keine Lösung.
Winterspiele in Sotschi 2014: Homo-Propaganda bleibt verboten
Der Minister stellt klar: Auch während Olympia gelten die russischen
Anti-Homo-Gesetze. Das IOC hatte kürzlich noch mitgeteilt, Russland werde
das Gesetz aussetzen.
Homotaz Freundschaft: „Freundschaft ist die wahre Liebe“
Hella von Sinnen und Jürgen Domian kennen sich seit 30 Jahren. Ein Gespräch
über ihre Wurzeln, Homos im Showbusiness und Buddha unterm Baum.
Homotaz Freundschaft: Kurze Geschichte vom Krieg
Die Heterosexuellen merken es nicht. Sie halten uns alle für gleich.
Manchmal stimmt das. Aber wir wissen auch: Es tobt ein Kampf der
Generationen zwischen uns.
Homotaz Freundschaft: Mein bester Freund ist Hetero
Es ging und geht nicht mehr nur um Gleichberechtigung. Die Gesellschaft
muss Homosexuelle als Andere und als Gleiche akzeptieren. Ein Editorial zur
homotaz.
„Homosexuellen-Propaganda“ in Russland: Anzeigen wegen Rowdytums
Aktivisten protestierten in St. Petersburg gegen das von Putin
unterzeichnete „Homosexuellen-Propaganda“-Gesetz. Gegner griffen sie mit
Eiern und Rauchbomben an.
Kommentar Homophobie in Russland: Die russische Jagd
Das Gesetz über ein Verbot von „Homosexuellen-Propaganda“ wurde von der
Duma verabschiedet. Es stärkt Putins Macht nicht.
Hetero-Wahn in Russland: Wo Homophobie noch Mainstream ist
Die Staatsduma verabschiedet ein Verbot von „Homosexuellen-Propaganda“.
Fortan leben russische Schwule und Lesben an der Grenze der Legalität.
Homophobie in Russland: Erneut Mann getötet
Homosexualität ist in Russland seit 1993 nicht mehr strafbar, aber
gesellschaftlich stigmtisiert. Der Hass auf Schwule forderte jetzt ein
neues Opfer.
Homosexuellen-Parade in der Ukraine: „Ein historischer Tag“
In Kiew gab es eine Premiere: Die Stadt erlaubte eine Homosexuellenparade –
außerhalb des Zentrums. In Moskau endet eine Kundgebung mit Festnahmen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.