# taz.de -- Regierung informiert über NSA-Affäre: „Ich kann das nicht beant… | |
> Die Regierung will die NSA-Affäre aufklären, gibt aber keine Infos preis. | |
> Und wenn, dann nur verschlüsselt. Ein Protokoll der Nichtinformation. | |
Bild: Spricht vage über „intensive Detailkenntnis“: Regierungssprecher Sei… | |
Der Ort: Der große Saal im Haus der Bundespressekonferenz, direkt hinter | |
der Spree, ein paar hundert Meter vom Reichstag entfernt. Vor dem Eingang | |
parken die schwarzen Limousinen der Ministeriumssprecher. | |
Das Setting: Die erste Regierungspressekonferenz dieser Woche beginnt. Die | |
Hauptstadtpresse will wissen: Was wusste die Regierung von den | |
Ausspähattacken des US-Geheimdienstes? In der Mitte des Podiums sitzt | |
Steffen Seibert, der wie immer adrett gescheitelte Sprecher der | |
Bundeskanzlerin. | |
Die Akteure: Staatssekretär Seibert (offizielle Abkürzung StS), rund 50 | |
Journalisten und ganz hinten, leider unsichtbar, der Gesunde | |
Menschenverstand (GMV). | |
Journalist: Herr Seibert, vor einer Woche haben wir hier ausführlich über | |
das Thema NSA und Abhören gesprochen. Sind der Bundesregierung im Laufe | |
dieser sieben Tage vielleicht irgendwelche Fakten zur Kenntnis gelangt? | |
StS Seibert: Es gilt heute wie vor einer Woche das, was ich gesagt habe, | |
nämlich dass es jetzt die Aufgabe der Bundesregierung ist, sich um | |
Sachaufklärung zu bemühen. Dafür ist sozusagen ein Prozess in Gang geleitet | |
worden. Sie wissen, dass in dieser Woche eine Reihe von Spitzenbeamten | |
verschiedener Ministerien und der Dienste in Washington Gespräche führen | |
wird, auch in Vorbereitung eines dann Ende dieser Woche folgenden Besuchs | |
des Bundesinnenministers. (…) | |
GMV: Schwurbel-Alarm! Na, das kann ja heiter werden … | |
Journalist: Heißt das, in der zurückliegenden Woche gab es noch keinerlei | |
Kenntnisse? | |
StS Seibert: Das heißt, dass wir diesen Prozess der Sachaufklärung | |
organisiert haben, und zwar mit den Ergebnissen, die ich Ihnen gerade | |
vorgetragen habe. | |
Journalist: Da muss ich nicht aufgepasst haben. Welche Ergebnisse meinen | |
Sie? | |
GMV: Jene Ergebnisse, die es gar nicht gibt, natürlich. | |
StS Seibert: Ich meine die Ergebnisse, dass heute Gespräche auf EU-US-Ebene | |
beginnen, dass in dieser Woche Spitzenbeamte aus verschiedenen deutschen | |
Ministerien mit amerikanischen Vertretern zusammentreffen werden und dass | |
der Innenminister Ende dieser Woche reisen wird. (…) | |
Journalist: Herr Seibert, trifft es zu, dass es vertragliche Vereinbarungen | |
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA gibt, die der NSA das | |
gestatten, was sie offenbar tut, nämlich massenhaft Daten abzugreifen? | |
StS Seibert: Der Bundesnachrichtendienst kooperiert im Rahmen seines | |
gesetzlichen Auftrags mit Partnerdiensten, seit Jahrzehnten auch mit der | |
NSA. Im Kampf gegen terroristische Bedrohungen können wir die Bevölkerung | |
nur schützen, wenn wir mit anderen zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit … | |
GMV: … chrrr … chrrr … chrrr. Ups, äh, wo waren wir doch gleich? | |
… erfolgt ganz streng nach Recht und Gesetz, und sie wird durch das | |
zuständige parlamentarische Gremium kontrolliert. Daher können weitere | |
sensible Fragen nach dieser Kooperation auch nur im Parlamentarischen | |
Kontrollgremium besprochen werden. (…) | |
Journalist: Heißt das, Sie können uns nicht sagen, ob es vertragliche | |
Vereinbarungen gibt? | |
StS Seibert: Das heißt, ich habe Ihnen gesagt, dass es (…) eine schon sehr | |
lang zurückreichende Zusammenarbeit mit der NSA gibt, und zwar nach Recht | |
und Gesetz. Der BND hält sich bei allem, was er tut, an Recht und Gesetz. | |
(…) | |
GMV: Ach echt? Merkel würde dem BND sicher sofort das „volle Vertrauen“ | |
aussprechen. | |
Journalist: (…) Das hatte der Kollege (…) ja auch gar nicht so richtig | |
bezweifelt. Er wollte nur wissen, ob sich diese langwierige Zusammenarbeit | |
irgendwie auf Grundlage von Nießbrauch entwickelt hat (…) oder ob es | |
Verträge gibt, die Rechte und Pflichten beider Seiten in dieser Kooperation | |
definieren (…). Gibt es solche Verträge? Das müsste doch auch ohne | |
wochenlange Sachaufklärung herauszufinden sein. | |
GMV: Klar könnte man das herausfinden. Aber nur dann, wenn man es überhaupt | |
wollte. | |
StS Seibert: Ich dachte, dass ich auch schon gesagt hätte, dass über die | |
Art und Weise sowie auch über mögliche Absprachen bei dieser Zusammenarbeit | |
dem Parlamentarischen Kontrollgremium berichtet wird. (…) | |
GMV: Eben. Und diese elf Bundestagsabgeordneten tagen bekanntlich streng | |
geheim und dürfen nichts über ihre Treffen mit den Geheimdienstchefs | |
verraten. | |
Journalist: Können Sie also auch nicht die Existenz solcher Verträge | |
bestätigen oder dementieren? Wäre selbst das geheim, jenseits des Inhaltes? | |
Verstehe ich das richtig? | |
StS Seibert: Ich kann hier nur auf das Parlamentarische Kontrollgremium | |
verweisen. | |
GMV: Danke. Hatten wir schon. | |
Journalist: (…) Wenn ich Sie richtig verstanden habe, erwarten Sie, dass | |
die Amerikaner die für uns geltenden Maßstäbe der Verhältnismäßigkeit und | |
der rechtlichen Bedingungen respektieren, wenn sie auf unserem Territorium | |
Abhör- oder Datenüberwachungsmaßnahmen unternehmen. Wenn sie das jetzt | |
nicht auf unserem Territorium machen (…), erwarten wir von ihnen dann auch, | |
dass sie unsere Maßstäbe der Verhältnismäßigkeit respektieren (…) ? Äu�… | |
wir damit einen Wunsch? (…) | |
GMV: Harter Stoff, die Frage. Der arme Regierungssprecher ist schon ganz | |
rot angelaufen im Gesicht. Fällt ihm jetzt noch was ein? | |
StS Seibert: Nein, wir äußern keinen Wunsch, sondern wir vertreten mit | |
Überzeugung den Standpunkt, der uns bei unserer Arbeit seit vielen | |
Jahrzehnten leitet. Diesen Standpunkt werden wir auch in den Gesprächen | |
vertreten, die jetzt geführt werden. (…) | |
Journalist: (…) Gibt es jetzt eine Differenzierung zwischen dem, was unsere | |
Freunde auf unserem Territorium machen, und dem, was unsere Freunde auf | |
ihrem Territorium, aber mit unseren Daten machen? | |
StS Seibert: Ich kann Ihnen diese Frage an dieser Stelle nicht beantworten. | |
Das muss ich leider sagen. (…) | |
GMV: Endlich sagt er mal, was sich sowieso alle denken. | |
Journalist: (…) Jetzt hat ja Frau Merkel mit Herrn Obama letzte Woche (…) | |
gesprochen. Mich würde schon interessieren: Ist denn auch konkret über | |
diesen Vorwurf gesprochen worden, dass Wanzen in EU-Einrichtungen sind, und | |
hat er dazu etwas entgegnen können? (…) | |
StS Seibert: Vernünftig ist, dass die politischen Spitzen, wenn sie | |
miteinander sprechen, darüber sprechen, wie mit der Sache umzugehen ist, | |
wie ernst Vorwürfe zu nehmen sind und wie man damit umgeht, Vorwürfe zu | |
besprechen, zu klären, zu verifizieren oder aus der Welt zu schaffen. | |
Vernünftig ist, dass über die tatsächliche Art dessen, was | |
nachrichtendienstlich auf der einen oder anderen Seite getan worden ist, | |
diejenigen sprechen, die die intensive Detailkenntnis davon haben. | |
GMV: Hä? Gegenvorschlag: Vernünftig ist, beherzt draufloszuschwurbeln, | |
wenn’s einem zu heiß wird. | |
Journalist: Herr Seibert, der Bundesnachrichtendienst hält sich ja streng | |
an Recht und Gesetz. Dazu gehört ja u. a. die Einschränkung, dass er bei | |
deutschen Grundrechtsträgern bei der Kommunikationsüberwachung (…) | |
eingeschränkt ist in dem, was er machen darf. Wenn ich Sie richtig | |
verstehe, dann muss diese Einschränkung auch für die Kooperationspartner | |
des Bundesnachrichtendienstes gelten, da ja leitend ist, dass auf deutschem | |
Boden andere nicht machen dürfen, was der BND auch nicht darf. Habe ich das | |
richtig verstanden? | |
GMV: Träum weiter. Schön wär’s! | |
StS Seibert: Also ich wiederhole jetzt noch einmal und werde nicht darüber | |
hinausgehen, dass für uns das Leitbild ist, dass bei jedem Eingriff in | |
Bürgerrechte, in Datensicherheit, die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein | |
muss. Das ist unser Leitbild. (…) | |
GMV: Das Leitbild ist: Nichts sagen und das immer wiederholen. | |
Journalist: (…) Das bedeutet nicht, dass aus deutscher Sicht die | |
Beschränkungen, die für den BND auf deutschem Boden gelten, auch für dessen | |
Kooperationspartner gelten müssen? | |
StS Seibert: Ich möchte jetzt über das nicht hinausgehen, was ich gesagt | |
habe, weil die Gespräche noch gar nicht stattgefunden haben. Diesen möchte | |
ich jetzt nicht vorgreifen. (…) | |
GMV: Immer schön vertrösten. Aber wir wissen doch: Vernünftig wird sein, | |
auch später nichts aus vertrauensvollen Gesprächen unter Freunden zu | |
verraten, sondern lieber auf das Parlamentarische Kontrollgremium zu | |
verweisen. | |
Journalist: Herr Seibert, ich habe noch einmal eine Frage zu dem Umgang mit | |
etwaigen Geheimabkommen. Wie legitimieren Sie, dass über etwaige | |
Geheimabkommen, die potenziell den Umgang mit den Daten von 80 Millionen | |
Deutschen betreffen, nur das Parlamentarische Kontrollgremium informiert | |
wird, aber nicht die Öffentlichkeit? | |
StS Seibert: Sie sagen „nur das Parlamentarische Kontrollgremium“. Das ist | |
der Bundestag. Das ist die gewählte Vertretung unseres Volkes. Das halte | |
ich nicht für ein „nur“. | |
Journalist: Informationen, die dort gegeben werden, dürfen aber nicht an | |
die Öffentlichkeit weitergegeben werden. Also es ist zu 100 Prozent ein | |
geheimes Gremium. | |
StS Seibert: Weil es sich um geheimdienstliche Tätigkeiten handelt. | |
Geheimdienstliche Tätigkeiten unterliegen einer besonderen Geheimhaltung. | |
Sonst wären sie das eben nicht mehr. (…) | |
GMV: Na, danke. Fazit: Alles ist geheim. Schön, dass wir trotzdem drüber | |
geredet haben! | |
(Alle Fragen und Antworten stammen aus [1][dem Originalprotokoll] der | |
Bundespressekonferenz von diesem Montag.) | |
9 Jul 2013 | |
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[1] http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/… | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
Astrid Geisler | |
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