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# taz.de -- Kontrolle der Geheimdienste: Im Saal der Ahnungslosen
> Elf Bundestagsabgeordnete sollen herausfinden, ob der BND und das
> Kanzleramt in der Prism-Affäre lügen. Die Geschichte einer Überforderung.
Bild: Quis custodiet ipsos custodes? Schattenmänner beim Richtfest der neuen B…
BERLIN taz | Drei Schlösser sichern die Stahltür im Parlamentskeller,
Polizisten patrouillieren auf dem Gang zwischen Poststelle und Kantine,
neben einer Klingelanlage steht „Bundestagsverwaltung“ auf dem Türschild.
Hinter der Sicherheitstür werden allerdings nicht etwa Plenarprotokolle
abgestempelt, in dem fensterlosen Raum tagt – streng geheim und angeblich
abhörsicher – ein kleiner Zirkel, auf den sich dieser Tage viele Blicke
richten. Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) soll herausfinden, ob
Regierung und Nachrichtendienste wirklich so gar nichts von Prism und
Tempora wussten.
Doch nach zweistündiger Sondersitzung der Geheimdienstkontrolleure am
Mittwoch ist der Erkenntnisgewinn gleich null. Genau wie bei den
vorangegangenen Treffen. „So kann das nicht weitergehen“, poltert der
Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele, während die Geheimdienstchefs durch
unterirdische Gänge des Parlaments davonhuschen. „Ich fühle mich als
parlamentarischer Kontrolleur nicht ernstgenommen, sondern an der Nase
herumgeführt.“ Notfalls müsse man eben die Kanzlerin vorladen.
Clemens Binninger, einer der CDU-Abgeordneten in der Kontrollrunde, raunzt
genervt in Ströbeles Richtung: „Mannomann! Geht’s auch ’ne Nummer kleine…
Das Lamento der Opposition – nur Wahlkampftheater? Oder ist das Parlament
tatsächlich unfähig, die Arbeit der Nachrichtendienste zu überprüfen? Die
Kontrolle des BND durch die zuständigen Bundestagsgremien sei „relativ
intensiv“, versichert der ehemalige BND-Präsident Hansjörg Geiger der taz.
Auch der Marburger Historiker Wolfgang Krieger, der sich über Jahre mit
Geheimdiensten und deren Kontrolle befasst hat, hält die Rechte der
deutschen Parlamentarier im internationalen Vergleich für „sehr groß“. Nur
schöpften die Abgeordneten ihre weitreichenden Möglichkeiten nicht aus,
dazu fehle es ihnen an Zeit und Mitarbeitern. Bis heute habe der Bundestag
darauf verzichtet, mehr Personal für die Geheimdienstkontrolle
einzustellen.
„Das wurde zwar immer wieder diskutiert“, sagt Krieger, „aber es ist nie
etwas daraus geworden.“ Die Gründe dafür seien „schwer zu durchschauen“.
Tatsächlich sind 11 Bundestagsabgeordnete zuständig für die Kontrolle
dreier deutscher Geheimdienste – allein der BND hat etwa 10.000 Mitarbeiter
in Pullach, Berlin und dem Rest der Welt. Was die Parlamentarier über ihre
gemeinsame Arbeit berichten, klingt so gegensätzlich, als seien sie in
unterschiedlichen Gremien aktiv.
## Optimistischer Blick
Der SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann beispielsweise hält das PKGr für
„gut und geeignet“, Skandale wie den aktuellen aufzuklären – auch wenn d…
Geheimdienstvertreter von sich aus „nie alles“ erzählten.
Die klassischen parteipolitischen Fronten spielten hinter den
verschlossenen Stahltüren oft keine Rolle. Viele Beschlüsse würden
einstimmig gefällt. Im aktuellen Skandal hätten die Kontrolleure aus dem
Bundestag „Druck aufgebaut“ und die Bundesregierung zum Handeln genötigt.
Der Grünen-Politiker Ströbele hingegen berichtet mit einer Mischung aus
Amüsement und Verzweiflung über seine Arbeit als inzwischen dienstältester
BND-Kontrolleur. Glaubt man ihm, dann steht die Geheimniskrämerei um die
monatlichen Runden im Parlamentskeller in keinem Verhältnis zu deren
Informationsgehalt. „Die Regierung lässt uns da in der Regel lange Vorträge
über die Situation in Krisenregionen halten“, sagt er. Alle
Geheimdienstskandale aber seien auf anderem Weg aufgeflogen.
## Das „Rumpelstilzchen"-Meeting
Anfangs, berichtet Ströbele, durfte er seinen Mitarbeitern nicht mal
verraten, wann die Sitzungen stattfanden. Er habe dann angekündigt: „Ich
geh jetzt zum Rumpelstilzchen.“ Bis heute werde im PKGr kein Protokoll
geführt. Das mache es schwer, Geheimdienstmitarbeiter nachträglich der Lüge
zu überführen.
Klar habe er theoretisch allerhand Auskunftsrechte, sagt Ströbele: „Aber
was genau soll ich denn zurzeit wo genau suchen?“ Solange das
Kontrollgremium keinen festen Stab von Mitarbeitern zur Seite gestellt
bekomme, die selbst Erfahrungen aus dem Sicherheitsbereich mitbrächten und
auch an den Sitzungen teilnehmen dürften, könne es seiner schwierigen
Aufgabe niemals gerecht werden.
Wolfgang Nešković, der als parteiloser Abgeordneter sieben Jahre für die
Linke im Kontrollgremium saß, nahm seinen Auftrag so ernst, dass er sogar
ein Praktikum beim BND in Pullach absolvierte. Inzwischen hat er aus
Entsetzen über das „erbärmliche Kontrollniveau“ im PKGr einen Gesetzentwu…
zu dessen Reform ausgearbeitet.
## Nur Mehrheitsbeschlüsse zählen
Der ehemalige Bundesrichter fordert unter anderem, die Minderheitenrechte
in dem Gremium zu stärken. Zurzeit müssten alle Ermittlungsschritte
mehrheitlich beschlossen werden – obwohl den Vertretern der
Regierungsfraktionen nicht daran gelegen sein könne, Skandalträchtiges über
die eigenen Leute ans Licht zu bringen. Damit, urteilt Nešković, gebe es im
PKGr eine „gesetzlich verankerte Kontrollarmut“.
Außerdem sollten die Parlamentarier die Möglichkeit bekommen, an der
wöchentlichen „Präsidentenrunde“ der Geheimdienste im Kanzleramt
teilzunehmen – um sich ein eigenes Bild der Lage zu machen.
Zwar seien die Behörden verpflichtet, das PKGr über „Vorkommnisse
besonderer Bedeutung“ zu informieren. Aber was genau das sei, dürften sie
selbst entscheiden. So legten die Geheimdienste den Abgeordneten meist
Informationen vor, die keinen Neuigkeitswert hätten.
„Die Geheimdienste können uns erzählen, was sie wollen“, warnt Nešković…
den Sicherheitsbehörden seien die Sitzungen der Geheimdienstkontrolleure
deshalb auch als „Märchenstunde“ bekannt.
6 Jul 2013
## AUTOREN
Astrid Geisler
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