| # taz.de -- Studie zur „Familienarbeitszeit“: Mutti mehr, Vatti weniger | |
| > Wenn beide Partner nur 32 Stunden arbeiten, verhilft das Müttern aus der | |
| > Teilzeitfalle und Vätern zu mehr Freizeit. Den Staat kostet das Modell | |
| > nicht viel. | |
| Bild: Meistens bleibt die Frau zu Hause, wenn die Kinder klein sind. Die Famili… | |
| BERLIN taz | Die Antwort auf die „familienpolitische Zwickmühle“, in der | |
| Deutschland steckt, lautet 32 Stunden. 32 Stunden wöchentliche Arbeitszeit | |
| gleichermaßen für Mütter und Väter. Das meint zumindest das Deutsche | |
| Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). | |
| Die Berliner Forschungseinrichtung hat gerade im Auftrag der SPD-nahen | |
| Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) ausgerechnet, welche Folgen das sogenannte | |
| 80-Prozent-Modell hätte, wenn es staatlich gefördert würde. Das Ergebnis: | |
| Zwischen 38 und 70 Prozent mehr Familien als bislang würden die | |
| „Familienarbeitszeit“, wie die FES das Modell genannt hat, wählen. Wie | |
| kommt das? | |
| Ein Grund ist der finanzielle Anreiz, den sowohl Männer als auch Frauen | |
| bekommen sollen. Männer, die auch als Väter heute in der Regel Vollzeit, | |
| also 100 Prozent, arbeiteten, reduzieren ihre Arbeitszeit auf 80 Prozent | |
| und bekommen dafür eine Lohnersatzleistung bis zur Höhe ihren alten | |
| Nettoeinkommens. Frauen, die als Mütter heute vielfach gar nicht oder | |
| reduziert arbeiten, stocken auf 80 Prozent, also 32 Stunden, auf - und | |
| bekommen dafür ebenfalls die Differenz bis zur Vollzeitstelle bezahlt. | |
| „Am Ende hat die Familie mehr als bei dem Alleinernährermodell oder wenn | |
| der Mann Vollzeit und die Frau Teilzeit arbeitet“, sagt | |
| FES-Familienexpertin Christina Schildmann. | |
| Konkret würden zwischen 109 Euro und 190 Euro bei niedrigen und mittleren | |
| Einkommen gezahlt werden, bei höheren Verdiensten zwischen 220 Euro und 250 | |
| Euro. Mehr als 360 Euro pro Person gibt es aber nicht, das ist die | |
| Kappungsgrenze. | |
| ## Ob verheiratet oder nicht ist egal | |
| Die Lohnersatzleistung gibt es aber nur, wenn beide - Vater und Mutter - | |
| jeweils 32 Stunden in der Woche arbeiten. Dabei ist es egal, ob die Eltern | |
| miteinander verheiratet sind oder nicht. Die Familienarbeitszeit soll im | |
| Anschluss an die Elternzeit beginnen. | |
| Die Kosten, die der Staat tragen soll, seien mit zunächst etwa 140 | |
| Millionen Euro pro Jahr „moderat“, sagt Katharina Wrohlich, spezialisiert | |
| auf Familienfragen beim DIW. Die Effekte für die Vereinbarkeit von Familie | |
| und Beruf dafür umso größer: Frauen kämen raus der Minijob- und | |
| Teilzeitfalle, hätten dadurch nicht nur mehr eigenes Geld, sondern auch | |
| eine bessere Rente. Väter hätten mehr Zeit mit ihren Kindern, würden | |
| gesünder leben und müssten nicht mehr die Hauptlast des Familieneinkommens | |
| tragen. | |
| Bei Frauen- und Familienverbänden, bei Gewerkschaften und bei den Kirchen | |
| findet die Idee Zuspruch. „Es ist dreifach gerecht“, sagt Barbara König vom | |
| Zukunftsforum Familie: Es würden die Vielfalt der Familie, die | |
| Geschlechtergerechtigkeit und die soziale Gerechtigkeit gestärkt. | |
| Die Idee des finanziellen Anreizes sei wichtig, sagt Volker Baisch, | |
| Geschäftsführer der Väter gGmbh, einer Unternehmensberatung, die | |
| gemeinnützige und Non-Profit-Organisationen dabei unterstützt, | |
| familienfreundliche Arbeitsbedingungen zu schaffen. „Väter fühlen sich | |
| verantwortlich für ihre Familien“, sagte Baisch. | |
| ## Nur ein Prozent lebt das 80-Prozent-Modell | |
| In diesen Wochen debattieren die möglichen Koalitionspartner CDU, CSU und | |
| SPD über familienfreundliche Arbeitszeiten. Bislang ohne Ergebnis. 60 | |
| Prozent aller Familien wünschen sich laut einer DIW-Studie, dass beide | |
| Partner gleichmäßig erwerbstätig sind. Viele Eltern würden gern etwa 30 | |
| Stunden arbeiten, hat auch das Familienministerium herausgefunden. Aber nur | |
| ein Prozent aller Eltern lebt bislang das 80-Prozent-Modell. | |
| Die Gewerkschaft Verdi hat damit bereits Erfahrung. Als die Organisation | |
| 2001 aus vielen Einzelgewerkschaften zusammengeschlossen wurde, musste | |
| Personal eingespart werden. Verdi bot ein 80-90-Modell an: 80 Prozent | |
| arbeiten, 90 Prozent des bisherigen Gehalts bekommen. Davon haben 15 | |
| Prozent Männer und 85 Prozent Frauen Gebrauch gemacht, sagt Karin | |
| Schwendler vom Verdi-Bundesvorstand: „Die Männer waren froh über einen | |
| freien Tag in der Woche, die Frauen hatten mehr Zeit für die Familie.“ | |
| 14 Nov 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schmollack | |
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