| # taz.de -- Kommentar Holocaust-Gedenktag: Niemals vergessen | |
| > Das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus ist kein sehr altes | |
| > Ritual. Erinnern heißt auch, alle Verbrechen der Nazis genau zu | |
| > betrachten. | |
| Bild: Ein polnischer Auschwitz-Überlebender am Montag. | |
| In einer Gesellschaft fest verankerte Bekenntnisse mit sich wiederholendem | |
| Inhalt nennt man Rituale. Mancher mag Rituale mit Langeweile verbinden. | |
| Aber gewisse Rituale sind notwendig, denn mit ihnen versichern sich die | |
| Bürger eines Landes ihrer gemeinsamen Geschichte und der daraus | |
| erwachsenden Verpflichtungen. Das Gedenken an die Schoah am 27. Januar | |
| jeden Jahres ist so ein Ritual. Es geht dabei weniger um einen | |
| Erkenntnisgewinn, es geht nicht um neue Argumente, sondern vor allem darum, | |
| deutlich zu machen, dass die von Deutschen begangenen Verbrechen niemals | |
| vergessen werden dürfen. | |
| Dabei sei hier daran erinnert, dass das Gedenken an die Opfer des | |
| Nationalsozialismus kein sehr altes Ritual ist. Erst 1996 bequemte sich die | |
| Bundesrepublik dazu, den Tag der Eroberung des Vernichtungslagers Auschwitz | |
| durch die Rote Armee besonders zu begehen. Das spricht nicht eben für ein | |
| angemessenes Gedenken zu Zeiten, als die meisten Täter noch am Leben waren. | |
| Bisher stand im Mittelpunkt dieses Tages der Holocaust. Jüdische | |
| Überlebende sprachen im Bundestag von der Zeit der Verfolgung, von den | |
| Tätern und von ihrer Rettung. In diesem Jahr redete zum ersten Mal mit dem | |
| Schriftsteller Daniil Granin ein russischer Überlebender. Er erinnerte an | |
| ein Kriegsverbrechen, das in Deutschland kaum noch präsent ist: die | |
| Belagerung Leningrads von 1941 bis 1943, die mehr als einer Million | |
| Menschen das Leben kostete. Die Täter waren ganz normale Soldaten. | |
| An das damals Geschehene zu erinnern ist überfällig. Denn der von den Nazis | |
| begonnene Eroberungskrieg gegen die Sowjetunion droht heute, anders als die | |
| Schoah, tatsächlich in Vergessenheit zu geraten. Erinnern heißt freilich | |
| auch, jedes dieser Verbrechen genau zu betrachten. Mit den Juden wollten | |
| die Nazis ein ganzes Volk und eine gesamte Religion vernichten. Deshalb ist | |
| es richtig, von der Einzigartigkeit des Holocausts zu sprechen. Ähnliches | |
| planten sie mit Sinti und Roma. Die Russen sollten zum Teil umgebracht, zum | |
| Teil als künftige Sklaven gehalten werden. Das macht die Verbrechen an | |
| nichtjüdischen Menschen in der Sowjetunion nicht weniger monströs. | |
| ## Einige Täter saßen vor 50 Jahren im Parlament | |
| Vor 50 Jahren war es noch unvorstellbar, dass das Parlament der jüdischen | |
| Opfer gedachte und dabei die Täter nicht aussparte – einige von ihnen saßen | |
| damals im Bundestag. Vor knapp 20 Jahren löste eine Ausstellung über die | |
| Verbrechen der Wehrmacht heftige Kritik aus. Vor fünf Jahren gab es in | |
| Berlin noch keinen Gedenkort für die Sinti und Roma in Berlin. | |
| Das zeigt zweierlei. Es ist in Deutschland nicht gelungen, eine | |
| Erinnerungskultur zu etablieren, solange die Masse der deutschen Täter noch | |
| am Leben war. Die andere Erkenntnis lässt hoffen: Wenn 2014 im Deutschen | |
| Bundestag ein ehemaliger Sowjetsoldat über sein Leiden und Überleben | |
| während der Leningrader Blockade spricht, dann regt sich in der | |
| Gesellschaft keine relevant zu nennende Kritik mehr. | |
| 27 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Hillenbrand | |
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