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# taz.de -- Gedenken an Auschwitz: "Wir wollen die Nazis nicht wieder haben"
> Zum 16. Mal organisieren Pankower eine Lichterkette. Wie das Gedenken an
> Auschwitz zusammenhängt mit dem Engagement für Flüchtlinge, sagt
> Initiatorin Ilona Nack.
Bild: Zum 16. Mal wird in Pankow mit einer Lichterkette an Auschwitz erinnert.
taz: Frau Nack, die Pankower machen an diesem Sonntag zum 16. Mal eine
Lichterkette in Erinnerung an die Befreiung von Auschwitz. Die Lichterkette
war doch eine Aktionsform der 90er Jahre gegen Fremdenfeindlichkeit?
Ilona Nack: So ist es, und genau daher kommt unsere Lichterkette auch. In
Pankow wurde 1998 eine Parteizentrale der „Republikaner“ in einem
Gartenhaus der jüdischen Familie Garbáty eingerichtet. Die Familie war
früher in Pankow sehr einflussreich, hatte eine Zigarettenfabrik, ein
Waisenhaus und viele Liegenschaften – das alles wurde von den Nazis
„arisiert“. Gegen den Einzug der Reps haben spontan Schüler und Anwohner
der Berliner Straße demonstriert – 14 Tage lang. Die „Republikaner“ sind
dann entnervt wieder ausgezogen. Aber uns hat das aufgerüttelt. Leute ganz
unterschiedlicher Herkunft haben sich dann zusammengeschlossen zur
Initiative „Kommission für Bürgerarbeit“, weil wir gesagt haben: Wir woll…
die Nazis nicht wieder haben. Wir haben uns dann dieser bundesweiten
Initiative mit den Lichterketten angeschlossen. Bei den anderen ist das mit
der Zeit wieder eingeschlafen, wir haben eben durchgehalten.
Dieses Jahr geht es nicht nur um die Erinnerung an die Opfer des Holocaust
und den Kampf gegen heutige Nazis in Pankow. Sie wollen auch zur
Unterstützung von Flüchtlingen aufrufen. Wie hängt das für Sie zusammen?
Man darf nicht vergessen: Viele Juden wurden unter den Nazis auch zu
Flüchtlingen, wurden verjagt wie die Familie Garbáty. Insofern haben wir
schon eine Verbindung zu den Menschen, die heute aus religiösen oder
politischen Gründen oder aus wirtschaftlicher Not fliehen müssen. Darum
erinnern wir dieses Mal daran, dass Menschen in vielen Teilen der Welt
verfolgt werden. Unser Motto dieses Jahr, „Willkommen Fremde“, gilt auch
für das neue Asylbewerberheim in der Mühlenstraße. Die Flüchtlinge sind ja
bei uns sehr positiv aufgenommen worden. Wir haben zum Glück eine große
Spendenbereitschaft und Unterstützung für das Heim, auch unsere
„Kommission“ macht mit.
Aber auch in Pankow gibt es Gegner des Flüchtlingsheims.
Ja, wir haben hier auch rechte Kameradschaften und Ähnliches. Die haben zum
Beispiel vorigen Sonntag einen Anschlag auf unsere Tafeln des Gedenkens
verübt. Und sie haben schon mehrfach versucht, unsere Lichterkette zu
stören. Das hat aber in den letzten Jahren zum Glück wieder nachgelassen.
Was ist mit den Gedenktafeln passiert?
Das ist eine längere Geschichte. 2004/2005 haben SchülerInnen der Pankower
Gymnasien der jüdischen NS-Opfer in Pankow gedenken wollen und deren Namen
auf große Leinwände geschrieben. Das war eine mühevolle Arbeit, Hunderte
Namen mit der Hand zu schreiben. Die Leinwände wurden an die Zäune des
ehemaligen Jüdischen Waisenhauses gehängt. Im dritten Jahr haben Neonazis
die Leinwände teilweise abgefackelt. Sie haben diese Aktion sogar
fotografiert und sich im Netz damit gebrüstet. Letzten Sommer haben dann
SchülerInnen eine Spendenaktion gestartet, um Geld für richtige Tafeln zu
sammeln, die zerstörungs- und graffitisicher sind. Im November wurden die
ersten Tafeln aufgehängt, vorige Woche konnten endlich die letzten zwei
angebracht werden. Gleich darauf am Sonntag haben dann Unbekannte zwei der
Tafeln aus ihren Verankerungen gerissen. Der Hausmeister des ehemaligen
Waisenhauses hat das zum Glück wieder repariert.
Zur Lichterkette und der Feier danach haben Sie dieses Jahr Vertreter aus
Wandlitz eingeladen. Wie kommt das?
Wir machen jedes Jahr noch etwas Besonderes – auf einer Veranstaltung nach
der eigentlichen Lichterkette. Wir hatten schon Gesprächskreise mit
Muslimen und Juden, Klezmer-Musik und anderes. Und wir hatten uns, als klar
war, dass wir auch ein Flüchtlingsheim bekommen, voriges Jahr mit der
Wandlitzer Initiative beraten, was wir tun können. Damit wir nicht solche
Probleme bekommen wie in Hellersdorf. Und nun führt die Kantorei Wandlitz,
die im dortigen „Tisch der Toleranz“ für das Flüchtlingsheim aktiv ist, in
der Kirche am Pankower Markt ein Stück auf: für Chor, drei
BriefeschreiberInnen und einen Projektor. Das Stück beschäftigt sich mit
der Flüchtlingsproblematik.
26 Jan 2014
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Holocaust
Gedenken
Berlin
Holocaust
Holocaust
Jüdische Gemeinde
Holocaust-Gedenktag
Holocaust
Dokumentarfilm
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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