| # taz.de -- Deutsche Außenpolitik zu Syrien: Spielarten der Ratlosigkeit | |
| > Deutsche Politiker greifen nach allem, damit nicht der Eindruck entsteht, | |
| > sie ließen Syrien einfach verbluten. Bei der Flüchtlingshilfe tun sie | |
| > sich schwer. | |
| Bild: Aus Homs sind erst 1.200 Menschen gerettet worden | |
| BERLIN taz | In ihrer vollkommenen Hilflosigkeit gegenüber dem Krieg in | |
| Syrien reden deutsche Politiker kleinste Erfolge gerne groß. Rolf | |
| Mützenich, als Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion für Außenpolitik und | |
| Verteidigung zuständig, nimmt davon inzwischen Abstand. | |
| Aus Homs, der uralten belagerten Stadt, seien nach den Genfer Verhandlungen | |
| im Februar gerade einmal 1.200 Menschen gerettet worden, sagt er. „Aber wir | |
| können derzeit nur diesen, den humanitären Faden aufnehmen“, sagt er. „Ei… | |
| andere Wahl haben wir nicht.“ | |
| Niemand im Bundestag verlangt noch einen militärischen Vorstoß in dem als | |
| heillos geltenden Konflikt. Baschar al-Assad lässt die Bevölkerung bluten | |
| und hungern, aber keiner weiß, wie er zu stoppen ist, solange Russland und | |
| Iran ihn beschützen. Eine Flugverbotszone oder Waffenlieferungen an die | |
| Opposition sind vom Tisch. Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des | |
| Auswärtigen Ausschusses, sagte zuletzt über Syrien: „Ein früheres | |
| Eingreifen hätte Schlimmeres verhindert. Aber hinterher ist man immer | |
| klüger.“ | |
| Nach den missglückten Friedensverhandlungen in der Schweiz im Februar ist | |
| die hiesige Diskussion nun auf Nothilfe zusammengeschnurrt. Das bedeutet | |
| vor allem: Aufnahme von mehr Flüchtlingen, wesentlich mehr als 5.000 oder | |
| 10.000. Die Grünen haben hierzu am 20. März einen Antrag im Bundestag | |
| vorgestellt. Um die Landesinnenminister von Union und SPD nicht zu | |
| erschrecken, verzichteten sie sogar auf Zahlen: Deutschland müsse eben | |
| „weit mehr“ Syrerinnen und Syrer aufnehmen „als bisher“, und zwar | |
| „zeitnah“. | |
| Der Linken-Außenpolitiker Jan van Aken hat zuletzt einen Hoffnungsschimmer | |
| im Norden Syriens ausgemacht. Er war im Januar in den kurdischen Gebieten | |
| und fand dort „erstaunliche Normalität“ und demokratische Strukturen vor. | |
| Diese, meinte er, gelte es besser zu nutzen, um dem Rest des Landes mit | |
| Medizin und Nahrungsmitteln zu helfen: „Wenn die Grenzen in die Türkei im | |
| Norden geöffnet würden, wäre Nothilfe möglich“, sagt er. Außenminister | |
| Frank-Walter Steinmeier (SPD) müsse „sanften Druck auf die Türkei“ ausüb… | |
| das Embargo gegen die kurdischen Gebiete aufzuheben. | |
| ## Kurdischen Separatismus nicht unterstützen | |
| Hierzu schüttelt Steinmeiers Genosse Mützenich langsam den Kopf. Auch die | |
| Kurden hätten zu viele Waffen und betrieben eine Ethnisierung des Konflikts | |
| in Syrien. Sie hätten aber offensichtlich einen inoffiziellen | |
| Nichtangriffspakt mit Gewaltherrscher Baschar al-Assad abgeschlossen. „Es | |
| sind keine guten Partner in diesem Konflikt“, sagt Mützenich. Auch | |
| Grünen-Außenpolitiker Frithjof Schmidt sagt: | |
| „Man darf auf keinen Fall auch nur den Anschein erwecken, dass man | |
| kurdischen Separatismus unterstützt.“ Es müsse aber möglich sein, die | |
| politische Frage des Separatismus von der humanitären Frage der | |
| Notversorgung syrischer Gebiete zu trennen. Offensichtlich sei von den | |
| zugesagten Hilfsmillionen noch nicht alles dorthin geflossen, wo es helfe. | |
| 440 Millionen Euro für Flüchtlingslager in Syriens Nachbarstaaten und für | |
| die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen hat Deutschland seit 2012 | |
| zugesagt. Zu Jahresbeginn sattelte das Auswärtige Amt noch mal 80 Millionen | |
| Euro drauf – Deutschland sei damit einer der größten Helfer in der Region. | |
| Weniger großartig sehen UNO-Zahlen aus. Deren Hilfsfonds für Syrien sind | |
| gemessen an milliardenschweren Zusagen erst zu einstelligen Prozentsätzen | |
| gefüllt. | |
| Niemanden im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags und ringsherum lässt das | |
| Schicksal Syriens kalt. Dass die Ukraine nun Syrien aus den Medien und von | |
| den Tagesordnungen verdrängt hat, verschafft gleichwohl eine zynische | |
| Erleichterung, denn keiner gesteht gern täglich seine Blamage. | |
| Dabei macht der neue Konflikt mit Russland auch in Syrien alles nur noch | |
| schlimmer. Der Grüne Omid Nouripour, der sich seine Erschütterung mit am | |
| stärksten anmerken lässt, ruft ins Telefon: „Meine Ratlosigkeit ist nur | |
| noch größer geworden!“ Was, wenn Russland nun das Wenige an Kooperation, | |
| das 2013 erreicht werden konnte, wieder einstelle? So beteiligt sich | |
| Russland an der filigran koordinierten Verschiffung der syrischen | |
| Chemiewaffen zu deren Zerstörung. Sollte Präsident Wladimir Putin die | |
| russischen Schiffe zum Schutz der Frachter mit den hochgiftigen Containern | |
| im Mittelmeer wieder abziehen, ist die Entsorgung gefährdet. | |
| Und so greifen die deutschen Außenpolitiker nach jedem Strohhalm, um dem | |
| Vorwurf zu entgehen, sie ließen Syrien einfach verbluten. SPD-Mann | |
| Mützenich war zuletzt in China und stellte fest, dass man sich dort | |
| inzwischen um eine aktivere Außenpolitik bemühen wolle. „China ist bereit, | |
| bestimmte internationale Güter wie Frieden und Sicherheit mit zu sichern“, | |
| sagt er. „Solch ein Angebot sollte man annehmen.“ | |
| 21 Mar 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Winkelmann | |
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