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# taz.de -- Flucht mit 107 Jahren: Wiedervereinigung auf Syrisch
> Eine 107 Jahre alte Syrerin erreicht nach monatelanger Odyssee ihre
> Familie in Niedersachsen.
Bild: Hat eine lange Flucht hinter sich: Sabria Khalaf
VECHTA taz | Das braune Sofa dominiert das Wohnzimmer. Es ist ein Ruhepol.
In dem Raum ist viel los, es ist laut. Reporter sprechen mit Leuten, auf
dem Fußboden liegt ein Fotograf und macht Fotos. Immer wieder kommen neue
Leute, werden freundlich begrüßt, Fragen beantwortet. Auch Nachbarn sind
gekommen – und der Bürgermeister. Ganz klein, fast verschwindend sitzt die
Frau auf dem Sofa, um die sich der ganze Rummel dreht: Sabria Khalaf, 107
Jahre alt.
Die Syrerin ist am Montagnachmittag nach einer Odyssee, die mehrere Monate
dauerte, in Holdorf im Landkreis Vechta angekommen. Gemeinsam mit ihrem
Sohn ist Sabria Khalaf schon vor vielen Monaten wegen des Bürgerkriegs aus
dem kleinen Dorf Oteldja im Norden Syriens geflohen. Als Kurdin und
gläubige Jesidin (siehe Kasten) war sie gleich aus zwei Gründen gefährdet,
Opfer eines Angriffs von islamistischen Fundamentalisten zu werden.
Sabria Khalaf lässt den Rummel geduldig über sich ergehen. Sie ist so froh,
nach der monatelangen Flucht nun in Deutschland bei ihrer Familie zu sein,
dass sie sagt: „Es ist, als hätte ich Flügel.“
Die alte Frau kommt im Gespräch immer wieder auf ihre Flucht zu sprechen.
„Das war furchtbar“, sagt sie. Zunächst ist sie mit ihrem Sohn bis nach
Istanbul gereist. Dort vertrauten sich die beiden einer Schlepperbande an,
die sie in die EU, nach Italien oder Griechenland, bringen sollte.
In einem Boot harrte sie mit zahlreichen anderen syrischen Flüchtlingen
vier Tage und vier Nächte aus. „Wir saßen so dicht beisammen, dass sich
unsere Hände und Knie berührten“, erinnert sie sich. Unter Deck war alles
verschmiert mit Benzin und Öl. „Ich musste meine Kleidung wegwerfen, weil
alles so stank“, erzählt sie.
Von den Strapazen wurde sie krank. „Aber ich wollte unbedingt zu meiner
Familie“, sagt Sabria Khalaf. Das habe sie angetrieben. Schließlich werden
die Flüchtlinge auf dem Meer entdeckt und in Griechenland in
Flüchtlingsheimen untergebracht.
Ihr Sohn Shiroan Ali, der mittlerweile in Holdorf wohnt, ist bereits seit
dem Jahr 2000 in Deutschland. Seit 1998 hatte er seine Mutter nicht
gesehen. Um sie nach Deutschland zu holen, ist er nach Athen gereist und
hat von dort versucht, eine Aufenthaltsgenehmigung für seine Mutter zu
erwirken.
Irgendwann erfuhr Bundespräsident Joachim Gauck von dem Schicksal der
107-Jährigen und setzte sich dafür ein, dass sie ihren Lebensabend bei
ihrer Familie in Niedersachsen verbringen darf. Sabria Khalafs Antrag wurde
stattgegeben. Sie durfte einreisen.
## Großer Bahnhof am Flughafen
Bereits am Flughafen in Düsseldorf wird die alte Frau von Reportern,
Neugierigen und Verwandten begrüßt. Darunter ist auch ihr Enkel Soraf Ali.
„Wir wollten alle einmal die Großmutter zur Begrüßung küssen“, sagt er.
Schließlich bugsiert die Familie die erschöpfte Frau in ein Auto und fährt
nach Holdorf. Dort wird sie von der 70-köpfigen Familie begrüßt, die über
das gesamte Bundesgebiet verteilt lebt. Den ganzen Nachmittag über strömen
immer wieder Verwandte ins Wohnzimmer, küssen die Großmutter und halten
ihre Hand. „Das wird in den nächsten Tagen so weitergehen“, sagt Soraf Ali
und lacht.
18 Mar 2014
## AUTOREN
Chantal Tajdel
## TAGS
Flüchtlinge
Jesiden
Syrischer Bürgerkrieg
Flüchtlinge
Homs
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