| # taz.de -- Pro und Contra syrische Chemiewaffen: Ist ein Ja der Linkspartei n�… | |
| > Der Bundestag stimmt über die Bundeswehr-Beteiligung an der Vernichtung | |
| > syrischer Chemiewaffen ab. Wie soll sich die Linke verhalten? | |
| Bild: Stein des Anstoßes: die Fregatte „Augsburg“ | |
| Pro: | |
| Die Linksfraktion im Bundestag sollte dem Mandat zustimmen, mit dem die | |
| Vernichtung der syrischen Chemiewaffen geschützt wird. Es hat lange kein | |
| zustimmungsfähigeres Mandat gegeben: Massenvernichtungswaffen werden von | |
| der Weltgemeinschaft abtransportiert und entsorgt. Statt zu höhnen, dass | |
| zum Schutz der Transportschiffe keine deutsche Fregatte gebraucht werde, | |
| könnte sich die Linke freuen, dass diese Fregatte einen unbestreitbar guten | |
| Zweck erfüllt – wenn auch nur im äußeren Schutzring. | |
| Womit die symbolische Ebene bereits geklärt wäre. Natürlich hängt der | |
| Einsatz weder an der „Augsburg“ noch am Votum der Linken. Die Norweger, | |
| Dänen und US-Amerikaner kämen auch ohne Deutsche klar – so wie der | |
| Bundestag ohne die Linksfraktion. Doch hat dieses Votum, wenn es wie | |
| erwartet in Nein, Enthaltung und ein Ja zerfällt, eine riesengroße | |
| Bedeutung für die Frage, ob die Bundesrepublik je anders als von CDU und | |
| CSU regiert werden wird. | |
| Denn wenn die Bundestagsfraktion der Linken nicht einmal die Vernichtung | |
| von Chemiewaffen passieren lässt, wird es keinen Bundeswehreinsatz geben, | |
| der von dem kritischen Fraktionsdrittel genehmigt wird, nicht heute, nicht | |
| im nächsten Wahljahr und auch nicht danach. Das war‘s dann für | |
| Rot-Rot-Grün. Eine Handvoll Nein-Stimmen wäre verkraftbar, aber nicht so | |
| viele. Im Ergebnis wird die Union mit SPD oder Grünen weiterregieren. | |
| Es gab eine kurze Zeit ab 2010, da war der Abzug aus Afghanistan | |
| beschlossen, die Nato hatte vorläufig genug, andere Aufgaben boten sich | |
| nicht an. Da öffnete sich ein Fenster für Rot-Rot-Grün. Aktuell verlängert | |
| der Bundestag alle paar Tage kleinere Einsätze hier oder dort, in Somalia | |
| wie im Mittelmeer. Keine Koalition könnte dazu jedes Mal eine | |
| Ganz-oder-gar-nicht-Show veranstalten. | |
| Darauf hinzuweisen, ist keine mutwillige Erpressung redlicher Pazifisten. | |
| Die GegnerInnen dieses Einsatzes thematisieren den Zusammenhang zwischen | |
| Mandat und Koalition ebenso wie die BefürworterInnen und EnthalterInnen. | |
| Kurz: Alle wissen Bescheid und wollen Nutzen daraus schlagen. Die | |
| Neinsager-Gruppe um Sahra Wagenknecht ist dabei kein isoliertes Grüppchen, | |
| sondern vertritt große Teile der Parteibasis – und nicht nur das. Auch sehr | |
| viele Nichtlinkswähler wollen keine Bundeswehruniform außerhalb der | |
| deutschen Grenzen sehen. Punkt, aus. | |
| Diese Haltung hat gute historische und oft zweifelhafte aktuelle Gründe. | |
| Diese Woche gab es diesbezüglich erschütternde Gedenkveranstaltungen in | |
| Ruanda. Wer diese Haltung im Bundestag vertreten will, opfert dafür aber | |
| jede Chance, ernst genommen zu werden: Denn er will ja nie regieren. Ein | |
| absolutes Nein zur Bundeswehr im Ausland bedeutet nicht nur, dass gute | |
| Argumente gegen Einsätze nicht mehr gehört werden. Es ist das Ende auch | |
| vieler anderer sinnvoller Diskussionen. Dieser Preis ist einfach zu hoch. | |
| (Ulrike Winkelmann) | |
| Contra: | |
| Worum geht es bei dem Konflikt in der Linkspartei? Geht es wirklich um die | |
| Frage, ob sie eine sinnvolle Abrüstungsinitiative unterstützen soll? Meint | |
| irgendjemand derjenigen, die dem Bundeswehreinsatz im Mittelmeer ihre | |
| Zustimmung geben wollen, dass es ernsthaft des maritimen Begleitschutzes | |
| bewaffneter deutscher Streitkräfte für ein Schiff der US-Marine bedarf? | |
| Dass sich Deutschland aktiv an der Vernichtung syrischen Giftgases | |
| beteiligen sollte, ist auch in der Linkspartei unumstritten. Deswegen gibt | |
| es auch keinen Streit darüber, dass die BRD ihrer internationalen | |
| Verantwortung gerecht wird, die bei der Zerstörung der Chemiewaffen | |
| anfallenden Reste im niedersächsischen Munster zu entsorgen. Aber braucht | |
| es einen militärischen Out-of-area-Einsatz? | |
| Ob die Fregatte „Augsburg“ in See stechen wird, hängt nicht von den Stimmen | |
| der Fraktion der Linken ab. Der Bundestag wird mit einer über | |
| 90-prozentigen Mehrheit dafür stimmen. Das Abstimmungsverhalten der | |
| Linkspartei ist nur aus einem Grund relevant: Es geht darum, sie | |
| „regierungsfähig“ zu machen. Das ist ein zynischer, weil instrumenteller | |
| Umgang mit einer – gerade vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit – | |
| fundamentalen Frage. | |
| Wie einst bei den Grünen ist auch für die Linkspartei die Aufgabe ihrer | |
| friedensbewegten Positionen Bedingung für das angestrebte Entree in die | |
| Bundesregierung. Darauf arbeiten „Reformer“ wie Stefan Liebich schon seit | |
| einiger Zeit beharrlich hin. Sie wollen, dass nicht mehr jeder Einsatz der | |
| Bundeswehr im Ausland abgelehnt, sondern von Fall zu Fall entschieden wird. | |
| Heute Begleitschutz im Mittelmeer, morgen der erste Blauhelm-Einsatz. | |
| Übermorgen für die erste Kriegsbeteiligung? Diesen Weg haben SPD und Grüne | |
| bereits hinter sich. Was mit der Entsendung blau behelmter | |
| Bundeswehrsanitäter nach Kambodscha begann, endete mit der Unterstützung | |
| des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen Jugoslawien. | |
| Bis Anfang der neunziger Jahre war es Common Sense, dass die Außenpolitik | |
| der BRD eine rein nichtmilitärische ist. „Ich begreife eine Politik für den | |
| Frieden als wahre Realpolitik dieser Epoche“, sagte Willy Brandt bei seiner | |
| Nobelpreisrede 1971. War er deswegen „politikunfähig“? Heute lehnt zwar der | |
| Großteil der Bevölkerung deutsche Militäreinsätze im Ausland ab. Im | |
| Bundestag gibt es jedoch nur noch die Linkspartei, die nicht ihren Frieden | |
| mit dem Krieg gemacht hat. | |
| Wenn sie das Einzige aufgibt, was sie elementar von den anderen im | |
| Bundestag vertretenen Parteien unterscheidet, wird sie vielleicht einmal | |
| mitregieren dürfen. Aber Antimilitaristen und Pazifisten hätten dann keine | |
| einzige Stimme mehr im Parlament. Die Grünen haben ihren | |
| Transformationsprozess überlebt. Bei der Linkspartei wäre das nicht sehr | |
| wahrscheinlich. Es wäre traurig, wenn ein Karl Liebknecht oder ein Carl von | |
| Ossietzky nicht einmal hier mehr Platz finden würden. (Pascal Beucker) | |
| 9 Apr 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Pascal Beucker | |
| Ulrike Winkelmann | |
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