| # taz.de -- Kolumne Leuchten der Menschheit: „Säkularismus ist die einzige L… | |
| > Der Deutsch-Ägypter Hamed Abdel-Samad hat mit Gott kein Problem. Die | |
| > Islamisten aber mit ihm. Trotz Fatwa schweigt er aber nicht. | |
| Bild: Abdel-Samads Faschismusvorwurf brachte islamistische Scharfdenker so sehr… | |
| Nächste Woche erscheint Hamed Abdel-Samads Buch „Der islamische Faschismus“ | |
| im Droemer Verlag. Auf einer Veranstaltung im Gorki-Theater in Berlin | |
| erläuterte der Deutsch-Ägypter diese Woche seine – für ihn selbst nicht | |
| ganz ungefährlichen – Thesen. | |
| Auch in Deutschland steht er unter Polizeischutz, seit er bei einer Debatte | |
| in Kairo Mursis Muslimbruderschaft „faschistoide Tendenzen“ bescheinigt | |
| hatte. Das war in der Phase, als die Muslimbrüder sich anschickten, in | |
| Ägypten eine theokratische Diktatur zu errichten, also bevor sie durch | |
| Massenproteste und schließlich durch das Militär wieder von der Macht | |
| verdrängt wurden. | |
| Abdel-Samads Faschismusvorwurf brachte islamistische Scharfdenker so sehr | |
| auf die Palme, dass eine Fatwa gegen ihn erging. Ein Professor der | |
| renommierten Kairoer Al-Azhar-Universität sprach sich ebenso wie ein | |
| Extremistenführer der Dschamaa Islamiyya öffentlich für die Ermordung des | |
| ketzerischen Politologen aus. Klare Botschaft: Leg Dich nicht mit den | |
| Islamisten an, sonst wirst Du umgelegt. Punkt. | |
| „Die Drohung hat den Zweck, mich einzuschüchtern, damit ich meine Kritik | |
| nicht mehr äussere,“ sagt Abdel-Samad in Berlin. „Ich tue genau das | |
| Gegenteil.“ Also weiterreden. „Der Islam hat faschistoide Züge, die im | |
| Islamismus deutlich werden.“ | |
| ## „Ich habe mit Gott kein Problem“ | |
| Er sagt aber auch: „Ich will den Menschen nicht ihre Religion wegnehmen, | |
| ich habe nichts gegen Spiritualität, aber wenn die Religion sich ins | |
| politisch-juristische System einmischt, dann muss man ihre Bedeutung | |
| neutralisieren.“ Nach Abdel-Samad heißt das: Säkularismus ist die einzige | |
| Lösung, auch für die politischen Systeme der islamischen Welt. „Ich habe | |
| mit Gott kein Problem, solange er sich in meine Angelegenheiten nicht | |
| einmischt,“ sagt er im Gorki-Theater nicht ohne Humor. | |
| Er spricht unverklemmt über die Vereinbarkeit von politischem Islam und | |
| Demokratie, an die er nicht glaubt: „Schauen Sie, würden Sie einen Mercedes | |
| ohne Motor kaufen, um ihn dann von zwei Eseln oder Kamelen ziehen zu | |
| lassen?“ Auch die europäische Aufklärung musste gegen die katholische | |
| Kirche durchgesetzt werden, so Abdel-Samad. Würdigen solche Gedanken | |
| Muslime herab? Mitnichten, auch wenn sich Fundamentalisten daran stören. | |
| Vieles, was Abdel-Samad sagt, klingt nach Selbstverständlichkeiten – wären | |
| da nicht jene Fatwa aus Kairo oder ein verschwiemelter europäischer | |
| Kulturrelativismus, der immer wieder einschränkt und anmerkt, | |
| Menschenrechte und Demokratie hätten für die islamische Welt keine | |
| Gültigkeit. Das passe kulturell nicht zueinander. Forderungen danach seien | |
| westlich-imperialistisch-kolonialistisch. | |
| ## Eine Art geistige Fatwa | |
| Doch genau das bestreitet der Politologe Abdel-Samad. Denn wer wie die | |
| alten „Antiimperialisten“ argumentiere, verhänge eine Art geistige Fatwa | |
| über die Kritiker des islamistischen Fundamentalismus, auch wenn man | |
| vielleicht in bester Absicht europäisches Überlegenheitsdenken anprangern | |
| wolle. Eine aufklärerisch verstandene Kritik am Islamismus liesse sich | |
| zudem sehr leicht von der Propaganda europäischer Muslimfeindlichkeit | |
| unterscheiden, so Abdel-Samad, der als Sohn eines Imams in Ägypten über den | |
| Koran sozialisiert wurde, bevor er, wie er es ausdrückt, „zum Wissen | |
| konvertierte“. | |
| Mit 23 Jahren war er 1995 nach Deutschland gekommen und hatte sich mit den | |
| Jahren aus dem Würgegriff religiöser Orthodoxie befreit. Damit eckt er in | |
| Deutschland auch bei konservativen Islamverstehern und -verbänden an. Doch | |
| er habe nichts gegen das Kopftuch, antwortet er einer jungen Muslima, die | |
| im Gorki-Theater versucht, ihm das Gegenteil zu unterstellen. Doch das | |
| Kopftuch-Tragen müsse die freie und individuelle Entscheidung einer Frau | |
| sein, nicht das Resultat von Zwang. | |
| Die schicke Muslima trägt Kopftuch im Gorki und beansprucht sehr bestimmt, | |
| für „die“ Muslime in Deutschland zu sprechen. Hamed Abdel-Samed erwidert | |
| kühl, von welcher Organisation sie denn komme und wie sie behaupten könne, | |
| für „die“ Muslime in Deutschland zu sprechen. | |
| Für ihn ja wohl nicht. Die große Gemeinschaft der Islamversteher hätte es | |
| gerne, dass nur sie über das Verhältnis von Religion und Politik sprechen | |
| darf. Aber genau das ist das Problem: Die Heilige Schrift ist nicht | |
| geeignet, wie Abdel-Samad betont, um mit ihr juristisch-politische Debatten | |
| über die mögliche Verfasstheit heutiger Gesellschaften zu führen. Nicht | |
| hier, und nicht in Ägypten. | |
| 28 Mar 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Fanizadeh | |
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