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# taz.de -- Kolumne Leuchten der Menschheit: Streiten für die Toten
> Ein Buch über Trotzki sorgt für eine heftige Kontroverse. Trotz seiner
> schlampigen Machart erscheint es jetzt erstmals auf deutsch, im
> Suhrkamp-Verlag.
Bild: Schafft noch immer viel Raum für Streit und Interpretation: Leo Trotzki.
Neulich sagte ein Trotzkist aus der 68er-Generation zu mir, das eigentliche
Drama der Jetzt-Geborenen sei doch, dass sie später einmal Menschen wie
ihn, also Trotzkisten aus der 68er-Generation, nicht mehr kennen lernen
würden.
Solches Sendungsbewusstein pflegt der Soziologe Wolfgang Pohrt mit einem
einfachen Vergleich zu diskreditieren, wenn er die Protestbewegung als ein
Duplikat der Apollomission bezeichnet: beides Effekte eines zeitverhafteten
Machbarkeitsrausches und am Ende beides ein Flop. Soll heißen, dass die
Protestbewegung mitnichten so autonom war, wie sie noch immer gerne
dargestellt wird. Das missfällt freilich einigen, da es einer bestimmten
Wahrheitsproduktion zuwiderläuft. Wobei die Protestbewegung mit dem Einwurf
ja mitnichten einfach als Ganzes diskreditiert werden soll.
Um Wahrheitsproduktion geht es auch in einer aktuellen Auseinandersetzung,
die zwei Jahre lang die Gemüter erhitzte und in der wieder einmal für Leo
Trotzki gestritten wurde. Die Rede ist von einer 2009 auf Englisch
erschienenen Trotzki-Biographie des Oxford-Historikers Robert Service.
Diese Woche ist sie in deutscher Übersetzung im Suhrkamp Verlag
herausgekommen.
Das Buch strotzt im Original nur so von Fehlern und ob der obendrein als
diskreditierend empfundenen Sicht auf Trotzki schickten sich 14 deutsche
Historiker und Soziologen an, die Publikation zu verhindern, darunter Oskar
Negt, Peter Steinbach und Helmut Dahmer.
Sie verfassten einen Brief an Suhrkamp-Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz,
die das Buch auch auf den geäußerten Antisemitismusvorwurf hin noch mal
prüfen ließ und schlussendlich an einer leicht überarbeiteten Herausgabe
festhielt.
Verwunderlich ist, dass ein Oxford-Professor es sich erlauben kann, so
fehlerhaft zu arbeiten, und es damit auch in einen renommierten Verlag
schafft. Genauso verwunderlich ist aber auch, mit welch einer Vehemenz um
die richtige politische Einordnung und letztlich um Geschichtsschreibung
gestritten wird. Steht nicht auch hier ein Machbarkeitsgedanke Pate, einer,
der Wissen lenken und in richtig/falsch trennen will? Man hätte schließlich
das Buch auch einfach kritisieren können.
7 Jul 2012
## AUTOREN
Tania Martini
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