# taz.de -- Kolumne Leuchten der Menschheit: So (s)tanzt der Genosse Dath | |
> Die 50 schönsten Revolutionslieder und ein verdrehter | |
> „Antiimperialismus“: Die „Melodie und Rhythmus“ bleibt ihrem | |
> Retro-Kommunismus treu. | |
Bild: Darf in der Top 50 der Revolutionslieder nicht fehlen: Hannes Wader. | |
Die im Verlag 8. Mai (Junge-Welt-Gruppe) erscheinende Zeitschrift Melodie | |
und Rhythmus (M&R) hat mit Ausgabe Mai/Juni einen Relaunch gewagt. Doch | |
trotz optischem Lifting gibt weiterhin ein bizarrer Retro-Kommunismus den | |
Takt vor. „Class War“, so der Titel, ein staatskommunistischer Evergreen, | |
der schon 1957 bei Gründung (in der DDR) das Blatt hätte zieren können. | |
Damals freilich niemals auf Englisch (imperialistisch!). Sprachliche | |
Verwestlichung nun auch hier, wo die Uhren 1957 in der DDR noch ganz anders | |
tickten: Wolfgang Harich wanderte gerade für zehn, Walter Janka für fünf | |
Jahre in den Bau – Erich Mielke wurde Minister für Staatssicherheit. | |
Aber zurück zum heutigen M&R-Thema: „Popmusik und Klassenkampf“. | |
Chefredakteurin Susann Witt-Stahl fordert in einem abenteuerlichen Prolog | |
ihres Blattes, die (westliche) Popmusik vom „Neoliberalismus“ abzugrenzen, | |
um sie – ja was? – in den Dienst von Putins großrussischen Trachtenvereinen | |
zu stellen. | |
Die ganze Welt, so Witt-Stahl, schaue nämlich auf die Ukraine, wo | |
„ultranationalistische und faschistische Kräfte – leider mit Unterstützung | |
der deutschen Regierung – an die Macht“ strebten. Frau Witt-Stahl glaubt | |
also, die von Russland und seinen Vasallen unabhängig bleiben wollende | |
ukrainische Demokratiebewegung kurzerhand per Faschismusvorwurf erledigen | |
zu können. Dieser verdrehte „Antiimperialismus“ reicht noch weiter als 1957 | |
zurück, er wurde in der DDR auch nach dem Tod Stalins (1953!) nie | |
überwunden. | |
Doch Stopp: Was hat das alles mit Popmusik zu tun? Eher wenig. Doch nach | |
Ansicht von Frau Witt-Stahl sehr viel: „Denn Musiker begleiten diese | |
’Revolution‘ [Anmerkung: in der Ukraine] von rechts mit einer schaurigen | |
Rattenfängermelodie und einem strammen Rhythmus, in dem wieder der | |
altbekannte Marschtritt des Imperialismus zu hören ist.“ Uff, man glaubt es | |
kaum, dieser erbärmliche Sound ist also mit der sowjetischen Botschaft | |
nicht einfach mit verschwunden. Schade, Chance der Erneuerung verpasst. | |
So wird das nix mit der angestrebten „kulturellen Hegemonie“ mittels | |
Gramsci und Popkultur. Die Top 50 der M&R-Revolutionslieder führt denn auch | |
unangefochten „Die Internationale“ an. Und Vorsicht, auch Deutsche | |
darunter: Platz 11, Hannes Waders „Trotz alledem“. Bei diesem | |
Traditionsverständnis hilft es wenig, wenn unsere Retro-Kommunisten Damon | |
Albarn (Blur) oder den Totengräber der alten Spex, den heutigen | |
FAZ-Redakteur Dietmar Dath, für ihre Absichten zu kapern suchen. | |
Aber was heißt hier „kapern“? Der fazistische Leninist Dath erwähnt in | |
einem M&R-Gastbeitrag zwar die Probleme, die es mit sich bringt, Popkultur | |
der Roten Fahne unterzuordnen („hat Marx zu viele Worte, oder sind sie zu | |
lang für Musik“). Doch er wäre eben kein leninistischer Fazist, würde er | |
nicht im nächsten Atemzug über „den Imperialismus“ schwadronieren, der – | |
ganz westlich, kapitalistisch und 007 – „die Künste“ als seine | |
manipulierende Geheimwaffe fortwährend in Stellung bringe. Relaunch, | |
welcher Relaunch? | |
12 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Andreas Fanizadeh | |
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