| # taz.de -- Jugendtheater nach Dietmar Dath: Hier ein Baum, dort ein Schwarm | |
| > Ein abgefahrener Text, viele Verwandlungen: Das Berliner Theater an der | |
| > Parkaue inszeniert Dietmar Daths „Die Abschaffung der Arten“". | |
| Bild: Die Gente sind eine Spezies, die zwar aussehen können wie Menschen, dies… | |
| Es ist ein Fest fürs Auge. Bonbonfarbene, flittrige Wunderwesen paradieren | |
| auf der Studiobühne des Theaters an der Parkaue, einem Staatstheater für | |
| Kinder und Jugendliche in Berlin. Gewandet in goldene Glitzerfummel, | |
| rosafarbene Anzüge und metallicglänzende Strumpfhosen setzen sie bei Bedarf | |
| Tierköpfe auf oder tragen Masken vor den ansonsten ganz menschlich | |
| aussehenden Gesichtern. Doch das täuscht. | |
| Nicht homines sapientes sind es, die sich hier in permanenter Verwandlung | |
| üben, sondern Gente. Die Gente sind eine Spezies, die zwar aussehen können | |
| wie Menschen, dies aber nicht müssen, da sie jede erdenkliche genetische | |
| Identität annehmen können. Dietmar Dath hat sie für "Die Abschaffung der | |
| Arten" erfunden, einen wortgewaltigen Science-fiction-Roman, der die | |
| zukünftigen Konsequenzen der Evolution schon mal zu Ende denkt und dabei | |
| noch jede Menge Spaß mit den mannigfaltigen Möglichkeiten der Literatur | |
| hat. | |
| So ähnlich ist es hier in diesem Theater nun auch, in dem man es gewagt | |
| hat, Daths ziemlich abgefahrenen Text mit einer Dramatisierung zu Leibe zu | |
| rücken. Klar, dass die Bühnenfassung ihre ganz eigene Version von | |
| Abgefahrenheit dazu finden muss. Das, immerhin, ist auf jeden Fall | |
| geglückt. | |
| Claudia Bauers karnevaleske Interpretation der literarischen Vorlage hat | |
| viel Witz und Phantasie, und das überwiegend sehr junge Ensemble ist mit | |
| spürbarer Spielfreude bei der Arbeit. Wenn man allerdings seinen Dath nicht | |
| gelesen hat, so weiß man hinterher auch nicht wirklich, was drinsteht. | |
| Hätte man ihn gelesen, so würde man sicher nicht ganz so müde werden vom | |
| Verstehenwollen des Textes. | |
| ## Verstehen? Erst mal freuen | |
| Der ist nämlich, obwohl sehr gut gesprochen und abwechslungsreich | |
| inszeniert, durchaus immer noch so komplex, dass die Aufmerksamkeit auch | |
| des intellektuell gutwilligsten Zuschauers schon mal driftet. | |
| Aber schließlich gibt es im Theater auch noch andere Dinge, auf die es | |
| ankommt. Wenn etwa im Reich der Keramiker, einer noch neuartigeren Spezies, | |
| die noch weiter entwickelt ist als die der Gente, ein rosa Riesenbaby die | |
| Macht übernimmt und mit Schaumstoff-(soll sein: Keramik-)klumpen nur so um | |
| sich schmeißt, sind die martialischen Soundeffekte so entzückend, dass es | |
| fast nebensächlich ist, was tatsächlich gesprochen wird. | |
| Aus dem Mund des Riesenbabys, das synchronisiert wird von einer Kollegin | |
| mit Mikrofon am Bühnenrand, scheint eine elektronisch verfremdete, hohl | |
| dröhnende Bass-Stimme zu kommen, in die der gottgleiche Allmachtsanspruch | |
| bereits eingeschrieben ist. Im weiteren Verlauf des Abends wird das | |
| Riesenbaby unter anderem einen Schwanenhals fressen . Es wird sich vor eine | |
| Weltkarte setzen, herumzeigen und erklären, da wolle es überall große | |
| Haufen setzen, und anschließend alles mit einem abstrakten Gewusel von | |
| Schnörkeln zuzumalen. | |
| ## Zwei Gliederpuppen mit Gefühlen | |
| Der Rest des Ensembles, nicht faul, ist schwer damit beschäftigt, sich hier | |
| in einen Baum, dort in einen Schwarm, außerdem in Fuchs, Dachs, Wolf | |
| undsoweiter zu verwandeln und dabei datheske Texte zu sprechen. | |
| Und ganz zum Schluss - ist das jetzt wieder eine ganz neue Spezies? Oder | |
| etwa der alte Mensch? - tauchen zwei kleine Gliederpuppen auf, die so | |
| primitiv entwickelt zu sein scheinen, dass all ihre Bewegungen von den | |
| Genten erst geformt werden müssen. Doch immerhin können diese simpel | |
| gebauten Gliederwesen etwas, das den höher entwickelten Spezies, wie wir | |
| sie den ganzen Abend auf der Bühne beobachten konnten, abging: romantische | |
| Gefühle füreinander empfinden. | |
| Ob man jetzt alles so ganz und gar korrekt verstanden hat, ist natürlich | |
| noch die Frage. Aber wenn es darum ging, Spaß im Theater zu haben, dann hat | |
| man alles richtig gemacht. | |
| 4 Jun 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Granzin | |
| ## TAGS | |
| Dietmar Dath | |
| Theater | |
| Theater Berlin | |
| Hamburg | |
| Kommunismus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Jugendtheater an der Parkaue eröffnet: Mit frischen Flügeln | |
| Saniert und mit deutlich mehr Fördergeld bedacht: Am Freitag lädt das | |
| Theater an der Parkaue in Lichtenberg zur Wiedereröffnung. | |
| Auszeichnung für Theaterprojekt: Pädagogik? Fehlanzeige | |
| Das Hamburger „Theater am Strom“ erzählt Kindern von Obdachlosigkeit oder | |
| dem Leben der Sinti. Jetzt wird die Ausdauer der Macherinnen belohnt. | |
| Kolumne Leuchten der Menschheit: So (s)tanzt der Genosse Dath | |
| Die 50 schönsten Revolutionslieder und ein verdrehter „Antiimperialismus“: | |
| Die „Melodie und Rhythmus“ bleibt ihrem Retro-Kommunismus treu. |