| # taz.de -- Konkurrenz für die Gema: Neue Wege im Paragrafendschungel | |
| > Die Verwertungsgesellschaft könnte bald ihr Monopol bei der Wahrung von | |
| > Musikerrechten verlieren. Das sorgt schon jetzt für Veränderungen. | |
| Bild: „Hammermäßig“: Für viele ist die Gema nur der Groß-Finanzier von … | |
| BERLIN taz | Ein bürokratisches Monstrum, ein Urviech aus der prädigitalen | |
| Ära, ein elitärer Klub, dessen Gelder nur in den Rachen von Dieter Bohlen | |
| fließen: Auf kaum eine deutsche Institution wird seit Beginn des | |
| Internetzeitalters derartig eingedroschen wie auf die | |
| Verwertungsgesellschaft Gema. | |
| Für die größte Aufregung sorgt dabei nach wie vor der Streit um die | |
| gesperrten Musikvideos bei YouTube. Nachdem die Gema im März vor dem | |
| Landgericht München erfolgreich gegen die von dem Internetriesen verwendete | |
| Sperrtafel vorging, steht dort nun beim Aufruf nicht freigegebener Clips | |
| geschrieben: „Dieses Video ist in Deutschland leider nicht verfügbar, da es | |
| Musik enthalten könnte, über deren Verwendung wir uns mit der Gema bisher | |
| nicht einigen konnten.“ | |
| In der Diskussion um Urheberrechte und die Gema steckt dabei so viel mehr | |
| als nur dieser Rechtsstreit. Eine Versachlichung der Debatte wäre weiterhin | |
| dringend geboten – gerade weil die Gema immer noch immensen Reformbedarf | |
| hat. Und der betrifft eben weniger nur den Bereich Streaming und Online als | |
| vielmehr grundsätzliche Änderungen am Urheberrechtswahrnehmungsgesetz | |
| (UrhWG) und in der Satzung der Gema. | |
| Als fruchtbar für den Reformprozess könnte sich die Aufhebung des Monopols | |
| erweisen, das die Gema de facto noch immer innehat. Denn bereits im Jahr | |
| 2015 soll sie Konkurrenz bekommen: Aus der Düsseldorfer Initiative C3S | |
| (Cultural Commons Collecting Society) wird dann eine | |
| Verwertungsgesellschaft – so denn das Deutsche Patent- und Markenamt im | |
| kommenden Jahr die Zulassung erteilt. C3S sind im September vergangenen | |
| Jahres von Wolfgang Senges, Mitinitiator der Musikbranchenplattform | |
| all2gethernow, und Meik Michalke von [1][OpenMusicContest.org] gegründet | |
| worden. | |
| Ihre Ziele: Sie wollen Künstlern nicht nur „All rights reserved“-Lizenzen | |
| anbieten, sondern Interpreten sollen für jedes einzelne Werk entscheiden | |
| können, ob sie die Rechte ganz abtreten oder ob sie | |
| Creative-Commons-Lizenzen (CC-Lizenzen) nutzen möchten. Mit diesen können | |
| die Autoren auf einfachem Wege die Rechte (etwa für Remixe) freigeben. Mit | |
| einer Gema-Mitgliedschaft geht dies nicht. Des Weiteren strebt man bei C3S | |
| trackgenaue Abrechnungen im Bereich Online- und Live-Lizensierung an. | |
| ## Allen wünschen sich Bürokratieabbau | |
| Denn Vereinfachung steht ganz oben auf der Agenda: Die Abrechnung will man | |
| weitestgehend automatisieren. Dabei sollen vor allem Monitoring und | |
| Reporting, also die automatische Ermittlung von gespielten Inhalten, | |
| genutzt werden. „So weit wie möglich soll der Bereich der Tracklisten | |
| automatisiert werden“, sagt Michalke. Vor wenigen Tagen ist C3S als | |
| Europäische Genossenschaft zugelassen worden. Nun können sie – zunächst mit | |
| den 117.000 Euro, die sie via Crowdfunding von 1.800 Unterstützern | |
| gesammelt haben – den Betrieb aufnehmen. | |
| Kilian Steiner, Direktor der Bereiche Sendung und Online bei der Gema, | |
| macht dem Konkurrenten in spe zwar Komplimente („spannend, was da | |
| passiert“), vermutet aber auch, dass man es sich mit dem Bürokratieabbau zu | |
| einfach vorstelle. Steiner spricht von der Komplexität der Vorgänge, die | |
| beim Aufdröseln der rechtlichen Beteiligung an 20 bis 30 Millionen digital | |
| verstreuten Musikwerken entstehe, die die Gema vertritt. | |
| Im Bereich Streaming etwa laufe es so ab: Die Gema bekomme die | |
| Nutzungsmeldungen monatlich als Datei, also eine Liste von Titeln. Die | |
| werde von IT-Systemen auf sämtliche Rechteinhaber geprüft – manchmal ein | |
| „unglaublich aufwändiger Prozess“, sagt Steiner, insbesondere bei | |
| Teilrechteinhabern. Konkurrent C3S strebt bessere und schnellere technische | |
| Lösungen an. | |
| Steiner räumt derweil Versäumnisse bei seinem Arbeitgeber ein, der in | |
| Deutschland die Rechte von mehr als 68.000 Mitgliedern (Musiker, | |
| Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern) vertritt. Er nennt es | |
| „Reformstau“. Fragt man ihn, ob die Gema den Anfang des Digitalzeitalters | |
| auch ein wenig verpennt habe, so spricht er von einer „nicht ganz | |
| unrichtigen Beobachtung.“ Er sagt aber auch: „Die Wahrnehmung mag so sein, | |
| dass wir ab und zu hinterherhinken, aber dafür kommen wir am Ende auch mit | |
| guten Lösungen.“ | |
| Was das Streaming und die YouTube-Debatte betrifft, mag mancher übersehen, | |
| dass die Gema inzwischen mit nahezu allen anderen großen Online-Anbietern | |
| von Songs und Videos – also Spotify, Deezer, Vevo und Co. – Einigungen | |
| erzielt hat. Bei den meisten Anbietern basiert dies auf einem | |
| Grundlagenvertrag mit dem Branchenverband der deutschen Informations- und | |
| Telekommunikationsbranche, der Bitkom. Nur eben mit YouTube – | |
| beziehungsweise mit seinem Mutterkonzern Google – einigte man sich nicht. | |
| Die Forderungen der Gema liegen bei 10,25 Prozent der Werbeeinnahmen pro | |
| Clip, in jedem Fall aber bei nicht weniger als 0,375 Cent. Es sei „primäres | |
| Ziel, mit YouTube zum Abschluss zu kommen“, betont Steiner. | |
| Vom Vizepräsidenten der britischen Verwertungsgesellschaft PRS bekam die | |
| Gema jüngst Lob für so viel Beharrlichkeit gegenüber YouTube – die die PRS | |
| leider nicht gehabt hätte. Indessen hofft YouTube wohl noch immer, dass die | |
| Berufung in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Hamburg mit der Gema | |
| erfolgreich sein wird. Es gilt zu entscheiden, ob YouTube nur Speicherplatz | |
| zur Verfügung stelle und somit nicht für die Inhalte die User | |
| verantwortlich sei – oder eben doch. Beide Seiten gingen nach einem ersten | |
| Urteil im April 2012 in Berufung. | |
| ## Wer Mitglied werden darf | |
| Die Frage ist, ob die Online-Lizensierung überhaupt das größte Problem der | |
| Gema ist. Ein Hauptkritikpunkt ist immer noch, dass die Gema viele ihrer | |
| Mitglieder schlicht nicht vertrete und eine undemokratische Organisation | |
| sei. Dabei bezieht man sich vor allem auf den Punkt der Gema-Satzung, nach | |
| der man eine Zeit lang erfolgreich gewesen sein muss, um überhaupt | |
| ordentliches Mitglied zu werden, ergo mitbestimmen zu können. Ordentliches | |
| Mitglied kann werden, wer „in fünf aufeinanderfolgenden Jahren ein | |
| Mindestaufkommen von 30.000 Euro, jedoch in vier aufeinanderfolgenden | |
| Jahren mindestens 1.800 Euro jährlich von der Gema bezogen“ hat, heißt es | |
| in der Satzung von 2012. | |
| Eine Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags | |
| sah diesbezüglich bereits 2012 „dringenden Handlungsbedarf“, die | |
| Mitwirkungsrechte der nicht ordentlichen Mitglieder der Gema „insgesamt zu | |
| stärken“. Geändert hat sich nichts. „Die oberen 5 Prozent bekommen das | |
| meiste Geld und treffen die Entscheidungen“, sagt C3S-Mitgründer Meik | |
| Michalke. Bei C3S sollen alle Mitglieder das gleiche Stimmrecht erhalten. | |
| Derzeit hat C3S etwa 850 Mitglieder, bis zur Zulassung braucht man 3.000. | |
| Vorerst ist C3S vor allem interessant für unabhängige Labels und DIY-Bands, | |
| die Interesse daran haben, mit den Rechten ihrer Songs flexibel umzugehen – | |
| und die sich mehr Transparenz wünschen. Denn dies ist ein Punkt, den | |
| Musiker, Labels und Clubs gleichermaßen an der Gema bemängeln: „Die Gema | |
| muss transparenter werden“, sagt Lars Lewerenz vom Hamburger | |
| Audiolith-Label. Er hält die Abrechnungen oft für „megaundurchsichtig“ – | |
| seinen Künstlern gehe es genauso. | |
| Kilian Steiner von der Gema betont, dass die Gema die elektronischen | |
| Verfahren ebenfalls ständig optimiere. Derzeit stelle man in Clubs Boxen | |
| auf, die – ähnlich wie die App Shazam – Musik automatisch erkennt. Etwa 300 | |
| dieser Boxen habe man installiert – hier sei das Problem, dass einige Clubs | |
| sich diesbezüglich verweigerten. Vielleicht ist dieses Misstrauen noch als | |
| Nachwirkung der angedrohten Erhöhung der Club- und Diskothekentarife | |
| seitens der Gema im Jahr 2012 zu sehen. Erst nach massiven Protesten war es | |
| Ende 2013 zu weitaus gemäßigteren Tarifen gekommen. | |
| Zu hoffen ist, dass sich die Gema durch die neue Konkurrenz erneuern wird – | |
| dass sie auch in Zukunft die mit Abstand größte Verwertungsgesellschaft | |
| bleiben wird, scheint unstrittig. Und einen positiven Effekt könnte die | |
| C3S-Gründung schon mal haben: Mit ihr könnte die „Gema-Vermutung“ hinfäl… | |
| werden. Im Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (UrhWG) geht man davon aus, dass | |
| jedes Stück, das irgendwo gespielt wird, bei der Gema oder ihren Partnern | |
| im Ausland gemeldet ist. Entsprechend gilt eine Beweislastumkehr – | |
| Internetdienste, Konzertveranstalter und Inhaber von Clubs müssen | |
| nachweisen, dass ein Stück nicht Gema-zertifiziert ist, wenn sie es nutzen. | |
| Sollte C3S nun im kommenden Jahr tatsächlich starten, dürfte diese | |
| Vermutung im UrhWG kaum Bestand haben oder, falls doch, eine Klagewelle | |
| auslösen. | |
| 9 Apr 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://OpenMusicContest.org | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Uthoff | |
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