| # taz.de -- Länderfinanzausgleich: Schulden erzwingen Reform | |
| > Bei der Reform der Länderfinanzen drängt die Zeit, denn ab 2020 droht die | |
| > Schuldenbremse. | |
| Bild: Zu abgefahren, um dem Bremer Haushalt zu nützen: Der Space-Park. | |
| BREMEN taz | Die Finanzprobleme der EU haben in den letzten Monaten die | |
| Frage, wie es im Jahre 2020 mit der Finanzverteilung in Deutschland | |
| weitergehen soll, aus dem Blickfeld medialer Erklärungen verschwinden | |
| lassen. Und doch drängt die Zeit: Wenn eine neue Lösung der komplizierten | |
| Bund-Länder-Finanzprobleme im Jahr 2020 praktiziert werden soll, dann | |
| müsste sie 2017 beschlossen werden, sagte der Speyerer Verfassungsrechtler | |
| Joachim Wieland am Montagabend in Bremen. Im Juni wollen die Finanzminister | |
| und die Ministerpräsidenten ein Verhandlungsdesign entwerfen. | |
| Wieland vertritt das Land Bremen vor dem Bundesverfassungsgericht, wo | |
| Bayern und Hessen gegen den geltenden Länderfinanzausgleich klagen. Ein | |
| Urteil vor 2017 ist seiner Einschätzung nach nicht zu erwarten. Und selbst | |
| wenn, würden Bayern und Hessen wohl kaum Recht bekommen, zumal beide Länder | |
| im Jahr 2001 der Regelung, die sie jetzt beklagen, zugestimmt haben. Auch | |
| die Politik geht offenbar nicht davon aus, dass das Gericht neue | |
| Gesichtspunkte verbindlich festlegt und bereitet hinter den Kulissen eine | |
| „Föderalismuskommission III“ vor. | |
| Bisher steht aber vor allem fest, was vermutlich nicht geht. Da wäre die | |
| Idee einer Länderneugliederung, die zuletzt der Ministerpräsident von | |
| Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, aus wahltaktischen Erwägungen ins Spiel | |
| gebracht hat. Das Thema wurde schnell wieder begraben. Eine Neugliederung, | |
| sagen zudem die Finanzexperten, löst keines der anstehenden Probleme. | |
| „Arme“ Bundesländer verlieren nur ihren Anspruch auf Hilfezahlungen und | |
| Stadtstaaten ihren Großstadt-Bonus, die „Einwohnerwertung“. | |
| Der Länderfinanzausgleich, über den die Geberländer so prächtig mit den | |
| Nehmerländern polemisieren können, ist nur ein kleiner Teil der Probleme, | |
| um die es da gehen wird – er betrifft 1,2 Prozent des | |
| Bund-Länder-Haushaltsvolumens. In absoluten Summen gerechnet muss selbst | |
| Bayern weniger zahlen als über die EEG-Umlage für die erneuerbaren Energien | |
| nach Bayern fließen. | |
| Die große Frage ist eher, wie es mit dem Aufbau Ost weitergeht – die | |
| Steuereinnahmen der neuen Bundesländer liegen derzeit gerade bei 70 Prozent | |
| des bundesdeutschen Durchschnitts, in Sachsen sogar nur bei 50 Prozent. | |
| Alle Versuche, mehr „Wettbewerbsföderalismus“ einzuführen, wie es den | |
| Interessen Bayerns und auch denen der Stadtstaaten Bremen und Hamburg | |
| entsprechen würde, müssen an dem parteiübergreifenden Widerstand der | |
| Ostdeutschen scheitern. | |
| Sehr populär ist auch immer wieder die Forderung, dass Einkommenssteuern | |
| nicht mehr nach dem Wohnort-Prinzip, sondern am Ort der Arbeitsstätte | |
| verrechnet werden sollten, wie das bis 1969 der Fall war. Da am Wohnort | |
| Kindergärten und Schulen finanziert werden müssen, spricht alles dafür, den | |
| Wohnorten wie bisher einen wichtigen Anteil daran zu belassen. Die Bremer | |
| Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) dämpft die Hoffnung auf einen | |
| großen Geldregen immer mit dem Hinweis, dass für Bremen kaum mehr als 30 | |
| Millionen Euro pro Jahr übrig blieben, wenn das Wohnort-Prinzip abgeschafft | |
| würde. Zudem ist dafür keine politische Mehrheit in Sicht. | |
| Bleibt das Problem der Altschulden. Bremen hatte im Jahre 2013 rund 3,2 | |
| Milliarden Euro Einnahmen, dazu kamen 815 Millionen Euro über den | |
| Finanzausgleich – allein 665 Millionen Euro davon waren für Zinsausgaben | |
| fällig. Ohne diese Belastung wäre also ein ausgeglichener Haushalt ab dem | |
| Jahr 2020 denkbar. An Zins- und Tilgungsleistungen aus eigenen Einnahmen | |
| ist nicht zu denken. | |
| Insgesamt hat die Bundesrepublik 2,5 Billionen Euro Schulden, | |
| „erschreckend“ sei das, sagt der Staatsrechtler Wieland. Die 20 Milliarden | |
| Euro Bremer Schulden würden in einem großen Altschulden-Fonds nicht weiter | |
| auffallen. Aber der Bund und die anderen Länder würden die Altschulden | |
| sicherlich nicht ohne „Preis“ in einen gemeinsamen Fonds übernehmen, | |
| vermuten die Bremer Kaufleute, die zu dem Vortrag von Wieland in die Bremer | |
| Handelskammer gekommen waren. | |
| Besorgt fragen sie sich, ob vielleicht mit größerer Steuerautonomie der | |
| Länder eine Altschulden-Steuer drohen würde. Jeder wisse, dass Unternehmen | |
| dann in benachbarte Bundesländer mit geringeren Steuern ausweichen würden, | |
| beruhigte sie Wieland. Er vermutet etwas anderes: „Die Autonomie Bremens | |
| könnte eingeschränkt werden.“ | |
| Der Hamburger Senat hatte vor einem Jahr die geniale Idee, den | |
| „Solidarzuschlag Aufbau Ost“ für die Finanzierung des Altschuldenfonds, der | |
| vor allem den West-Ländern hilft, zu verwenden. Dass der Bund auf den von | |
| ihm komplett vereinnahmten „Soli“ nach 2020 mangels Verwendungs-Ideen | |
| verzichten würde, glaubt aber niemand. | |
| Einig scheinen sich die Länder vor allem in der Forderung zu sein, dass der | |
| Ausgleich der unterschiedlichen Steuerkraft der Länder zukünftig besser vom | |
| Bund vorgenommen werden sollte. Dann müssten sich die Länder nicht weiter | |
| untereinander darum streiten. | |
| 29 Apr 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Wolschner | |
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