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# taz.de -- Länderfinanzausgleich: Ofentür auf für die Geberländer
> Bremen rüstet sich gegen die Klage von Bayern und Hessen, auch wenn
> Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) sie für wenig erfolgversprechend hält.
Bild: Wo die Schuldenuhr tickt: Das notorisch klamme Bremen.
BREMEN taz | Verhandeln und wo nötig streiten – auf den Nenner lässt sich
Bremens Strategie im Streit um den Länderfinanzausgleich bringen: Am
Dienstag stellte der Senat deren Eckpunkte vor, und er berief Joachim
Wieland als Prozessbevollmächtigten vorm Bundesverfassungsgericht.
Damit reagiert die notorisch klamme Freie Hansestadt als erstes Land
personell auf das Ende März von Bayern und Hessen angeleierte
Normenkontrollverfahren, obwohl Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) bekannte,
wenig von der Verfassungsklage der zwei Geberländer zu halten: Sie werde
sich als „Schuss in den Ofen“ erweisen, prophezeite er.
Um den Schuss dorthin zu lenken, hat man mit Wieland, Rektor der Uni Speyer
und Vorsitzender der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, einen
ausgewiesenen Experten engagiert. Denn Wieland hatte als Sachverständiger
erheblichen Einfluss auf die „Kommission zur Modernisierung der
Bund-Länder- Finanzbeziehungen“. Deren wichtigstes Ergebnis war 2009 das,
wogegen Bayern gemeinsam mit Hessen vorm Bundesverfassungsgericht nun
anrennen: Die aktuelle Fassung des Länderfinanzausgleichs – ein
hochkomplexes Instrument, Geld zwischen den Bundesländern zu verteilen.
Damit sollen, so will es das Grundgesetz, die Unterschiede der
Lebensbedingungen ausgeglichen werden.
Im Jahr 2012 waren allerdings gerade mal 7,9 Milliarden Euro im Pott, „das
sind keine vier Prozent der Steuereinnahmen“, so Bremens grüne
Finanzsenatorin Karoline Linnert. Bremen erhielt davon 517 Millionen Euro,
Berlin stolze 3,2 Milliarden – Mecklenburg-Vorpommern bloß 452 und
Niedersachsen nur knapp 173 Millionen. Richtig toll findet die aktuelle
Formel niemand: Auch Linnert plädiert für eine umfassendere Neuregelung der
Finanzströme zwischen Bund und Ländern. Es sei „eigentlich allen klar, dass
die im Laufe der neuen Legislaturperiode gefunden werden muss“, sagt sie,
aber eben durch Verhandlungen.
Die macht das Verfahren in Karlsruhe zwar nicht unmöglich – aber es kann
sie entscheidend verzögern. Denn tatsächlich gilt die aktuelle Fassung des
Finanzausgleichs nur noch bis 2019. Ob das Bundesverfassungsgericht bis
dahin aber geurteilt hat, ist bei einer durchschnittlichen Verfahrensdauer
von mehr als drei Jahren ungewiss. Hinzu kommt, dass sich vor April in
Karlsruhe niemand mit dem Vorgang beschäftigen wird: Gertrude Lübbe-Wolff,
Berichterstatterin des zuständigen Senats, wird ausscheiden. Es wäre
Unsinn, wenn sie sich noch des Verfahrens annähme. Ihre Nachfolgerin kann
erst ab Januar gewählt werden.
Ohne neuen Länderfinanzausgleich aber wird es schwer, die neuen Haushalte
zu planen – und das ist zumal für die Stadtstaaten problematisch. „Es kann
nicht sein“, so hatte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer bei der
Klagevorstellung im März betont, „dass ein Bayer oder Hesse weniger wert
sein soll als ein Berliner, Bremer oder Hamburger.“ Das klingt
einleuchtend. Aber es klingt eben nur so: Dass die Infrastruktur von
Städten teurer ist, weiß man auch in den Flächenländern. Und entsprechend
gibt es diese „Einwohnerveredelung“ auch bei ihnen – im
Kommunalfinanzausgleich. So ist in Hessen der Bewohner eines 7.500
Seelen-Dorfes mindestens fünf, der eines Oberzentrums aber mindestens 18
Euro wert.
Schon mehrfach haben die Verfassungsrichter diese Art der Verteilung
bestätigt. „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie da eine 180-Grad-Wende
vollziehen“, beruhigte Wieland gestern.
Die jetzige Klage attackiert aber vor allem die Berechnungsweise dieser
sogenannten Einwohner-Veredelung. Und die Wahl der Methode kann in der Tat
zu großen Unterschieden führen: Nach dem aktuellen Schlüssel ergibt sich,
dass ein Bremer 1,35 mal so viel wert ist, wie ein Bayer, um in Seehofers
Bild zu bleiben. Je nach wirtschaftswissenschaftlichem Ansatz könnte sich
aber auch ergeben, dass er einen um den Faktor 1,6 oder eben nur 1,2
erhöhten Bedarf hat.
Es ist insofern nicht ohne Risiko auch für die Kläger, dass der Schuss
nicht bloß im Ofen, sondern im Knie landet: So wird bislang die
Gemeindefinanzkraft anteilig in die Ausgleichsberechnungen einbezogen, zu
64 Prozent: Als „deutlich überhöht“ hatte Volker Bouffier (CDU) das
bezeichnet. Doch hier hält Wieland dagegen, dass „staatsorganisatorisch die
Kommunen Teil der Länder“ seien. „Sie müssten ihnen vollständig zugerech…
werden“ – und dass dies zum Nachteil der Stadtstaaten nicht geschehe sei
„nur im politischen Willen begründet“: Die Flächenländer hatten darauf
gepocht. Das aber ist juristisch kaum ein stichhaltiger Grund.
17 Sep 2013
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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