# taz.de -- Vernehmung von Edward Snowden: Das Staatsinteresse geht vor | |
> Die Bundesregierung lehnt eine Befragung des NSA-Whistleblowers in | |
> Deutschland ab. Die Grünen wollen eine Vorladung einklagen. | |
Bild: Eine Live-Konferenz mit Putin und Snowden. | |
BERLIN taz | Ob und wie Edward Snowden, der frühere NSA-Mitarbeiter und | |
derzeit prominenteste Whistleblower der Welt, vor dem deutschen | |
Untersuchungsausschuss zur Abhöraffäre des US-Geheimdienstes aussagen | |
könnte, fragte das Gremium im April die Regierung. Die findet in ihrem der | |
taz vorliegenden Gutachten eine deutliche Antwort: In Deutschland | |
jedenfalls nicht. | |
Das als „Verschlusssache“ eingestufte Papier sorgt gleich mehrfach für | |
Ärger – nicht nur in der Opposition. Denn dem Ausschuss soll es erst am | |
heutigen Freitag übermittelt werden. Der Inhalt aber war bereits tags zuvor | |
durchgesickert. Grünen-Obmann Konstantin von Notz sprach von einer | |
„Unverschämtheit sondergleichen“. | |
Auch SPD-Obmann Christian Flisek schimpfte über die Indiskretion. „Ich bin | |
verärgert. Es geht hier nicht um freundliche Begleitmusik für die | |
Kanzlerin-Reise in die USA, sondern um vertrauliche Arbeit im Ausschuss.“ | |
Tatsächlich kommt das Bekanntwerden wohl nicht ganz zufällig: Just am | |
Donnerstag machte sich Merkel auf den Weg in die USA zu ihrem Obama-Besuch. | |
Und der soll nicht vom NSA-Zwist geprägt sein, sondern ein Zeichen des | |
Zusammenstehens in der Ukraine-Krise aussenden. Dass die NSA bis zum | |
letzten Jahr Merkels Handy ausspähte und im großem Stil deutsche | |
Kommunikationsdaten abgreift – ein Randaspekt. | |
## „Gefährdung des Staatswohls“ | |
Mehr noch aber ärgert die Opposition der Inhalt des Gutachtens. Würde | |
Snowden in Deutschland befragt, hält die Regierung darin fest, drohten | |
„erhebliche negative Auswirkungen auf die deutsch-amerikanischen | |
Beziehungen“. Auch sei zu befürchten, dass die US-Geheimdienste ihre | |
Kooperation mit den deutschen Diensten aussetzten. | |
Beides wäre eine „Gefährdung des Staatswohls“. Deshalb, so das Fazit, | |
überwögen die „außen- und sicherheitspolitischen Interessen“ Deutschlands | |
vor dem Interesse des Ausschusses, Snowden hierzulande zu befragen. Eine | |
Basta-Antwort. | |
Mehrere Ministerien – Inneres, Justiz, Auswärtiges und das Bundeskanzleramt | |
– hatten das Gutachten zusammen erarbeitet. Es kommt zu dem Schluss, dass | |
Snowden zumindest im Ausland befragt werden könnte. Der 30-Jährige befindet | |
sich seit Juni 2013 in Moskau im russischen Asyl. | |
Allerdings, hält die Regierung fest, bestehe auch dort für Snowden die | |
Gefahr, sich strafbar zu machen, indem er Dienstgeheimnisse der USA | |
verrate. Selbst den Ausschussmitgliedern drohten bei einer Befragung | |
Snowdens „strafrechtliche“ Schritte durch die USA, heißt es in einer | |
herangezogenen Stellungnahme einer amerikanischen Kanzlei. | |
## Die Grünen wollen klagen | |
Snowden hatte sich über seinen Anwalt, den Berliner Wolfgang Kaleck, bereit | |
erklärt, vor dem Ausschuss auszusagen. Für das Gremium dürfte Snowden | |
weiter der wichtigste Zeuge sein: Dass dort irgendein anderer NSA-Vertreter | |
auspackt, glaubt niemand. Und es ist das Gutachten der Regierung selbst, | |
dass einräumt, Snowden habe laut US-Justiz Zugang zu „top secret“ | |
Informationen der US-Geheimdienste gehabt. | |
Linkspartei-Chef Bernd Riexinger sprach von einem „schäbigen Umgang der | |
Regierung mit Snowden“. „Das Gefälligkeitsgutachten ist nicht das letzte | |
Wort.“ Der Grüne von Notz nannte es „absurd und gespenstisch, dass der | |
Ausschuss gerade in der jetzigen Situation nach Moskau reisen und dort | |
unter den Mikros des russischen Geheimdienstes Snowden befragen soll“. | |
Die Grünen kündigten deshalb an, eine Befragung Snowdens im Bundestag vorm | |
Bundesverfassungsgericht einzuklagen. Von Notz rechnet sich da „gute | |
Chancen“ aus (siehe Text unten), damit das Parlament „nicht aus | |
tagespolitischer Opportunität bei der Aufklärung des größten | |
Überwachungsskandals zurückstecken“ müsse. | |
Auch der SPDler Flisek bleibt reserviert. Dass Snowden in Moskau nicht frei | |
aussagen könne, sei „ein Einwand, den man ernst nehmen muss“. Bis ihm keine | |
endgültige Antwort vorliege, halte er eine Befragung Snowdens in Berlin | |
„weiter für möglich“. | |
## Snowdens Asyl läuft bald aus | |
Die CDU hingegen zeigte sich am Donnerstag gelassen. „Nicht | |
nachvollziehbar“ nannte CDU-Obmann Roderich Kiesewetter die angekündigte | |
Verfassungsklage der Grünen. Das Gutachten lasse doch eine Befragung etwa | |
per Video offen. Genau diesen Weg will auch Patrick Sensburg (CDU), | |
Vorsitzender des Ausschusses, gehen. | |
Sei dies nicht ergiebig, sei auch eine spätere Befragung in Russland | |
denkbar. Die Opposition beharrt dennoch auf eine Einladung nach Berlin – | |
auch aus einem zweiten Grund: Ende Juli läuft das Asyl Snowdens in Moskau | |
aus. Und, so der Plan, wäre der 30-Jährige erst einmal in Deutschland, | |
könnte er hier womöglich einen neuen Unterschlupf finden. Auch daraus | |
dürfte nun nichts werden. | |
Damit geht der Snowden-Streit in eine neue Runde. Bereits kurz nach | |
Einsetzung des Ausschusses war ihr erster Vorsitzender, CDU-Innenexperte | |
Clemens Binninger, wegen des Zoffs um den Whistleblower zurückgetreten. Die | |
Antwort der Bundesregierung soll nun am 8. Mai im NSA-Ausschuss diskutiert | |
werden. Gut möglich, dass die Koalition dort wieder einen Schritt auf die | |
Opposition zugeht. Dann wird Merkel Washington bereits wieder verlassen | |
haben. | |
1 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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