# taz.de -- Fragen und Antworten zum NSA-Buch: Ansichten eines Heldenjournalist… | |
> Edward Snowden wandte sich mit seinem Wissen an Journalist Glenn | |
> Greenwald, der darüber ein Buch schrieb. Spannend, aber ohne neue | |
> Erkenntnise. | |
Bild: Agententhriller, Aufklärungsreport und ein paar Luftschlösser: das Buch… | |
Der NSA-Whistleblower Edward Snowden adelte Glenn Greenwald, indem er ihm | |
seine Dokumente anvertraute. Jetzt hat der US-Journalist ein Buch zum | |
NSA-Skandal geschrieben. Fragen und Antworten zu seinem Werk „Die globale | |
Überwachung“ (englischer Titel: [1][„No place to hide“]): | |
Ist das Buch spannend? | |
Ja, jedenfalls am Anfang. Die ersten beiden Kapitel sind geschrieben wie | |
ein Medienthriller. Wird es Ed Snowden gelingen, den | |
Enthüllungsjournalisten Glenn Greenwald zu kontaktieren, obwohl der keine | |
Verschlüsselungstechniken beherrscht? Kann Glenn Greenwald seinen | |
Arbeitgeber, die [2][britische Tageszeitung The Guardian], überzeugen, die | |
Snowden-Sensationen sofort zu veröffentlichen – ohne vorher die | |
US-Regierung um Erlaubnis zu fragen? Obwohl man weiß, was am Ende passiert, | |
fiebert man mit. Sehr gut geschriebenes Intro, bis Seite 137. | |
Dann kommt das Sachbuch. Darüber, wie die NSA arbeitet, was ihre Ziele | |
sind. Und warum Massenüberwachung der Demokratie schadet. | |
Am Ende wird es wieder lebendiger. Wird Greenwald dank der Enthüllungen zum | |
gefeierten Heldenjournalist oder muss er sogar selbst mit Repressalien | |
rechnen? Das ist noch nicht entschieden. Was droht, deutete ein Vorfall im | |
August 2013 an. Greenwalds Lebenspartner David Miranda wurde auf dem | |
Londoner Flughafen neun Stunden von der Polizei festgehalten und befragt, | |
unter Berufung auf ein britisches Anti-Terror-Gesetz. | |
Was erfährt man über Snowden? | |
Greenwald hat kein Buch über Snowden geschrieben. Dessen Zeit in Moskau | |
spielt fast keine Rolle. Dies dürfte aber Snowdens Wünschen entsprechen. | |
Snowden wollte die Diskussion nicht personalisieren, sondern seine | |
Dokumente sprechen lassen. | |
Ist „Die globale Überwachung“ ein gutes Sachbuch? | |
Greenwald präsentiert viele neue Original-NSA-Schaubilder aus Snowdens | |
Fundus. Das gibt dem Buch einen dokumentarischen Charakter, erschwert aber | |
auch die Lesbarkeit. Viele Begriffe und Abkürzungen des Geheimdienst-Slangs | |
werden nicht erläutert. Nicht einmal ein Glossar oder ein Register helfen | |
dem Leser. | |
Die Arbeitsweise der NSA ist im deutschen Buch [3][„Der NSA-Komplex“] von | |
den Spiegel-Redakteuren Marcel Rosenbach und Holger Stark ausführlicher und | |
verständlicher beschrieben. | |
Was erfährt man Neues über die Arbeitsweise der NSA? | |
In groben Zügen ist schon seit letztem Sommer bekannt, wie die NSA auf | |
internationale Internetkabel und die Server von Internetfirmen zugreift. | |
Neu sind nun wohl vor allem Erkenntnisse, wie die NSA amerikanische | |
Hightech-Produkte manipuliert, mit denen Telefon- und Internetnetze anderer | |
Staaten betrieben werden. So kann der Geheimdienst auch im Ausland stets | |
die gewünschten Daten absaugen. Die USA betreiben also wohl genau das, was | |
sie chinesischen Firmen wie Huawei und ZTE sonst vorwerfen. | |
Wozu nutzt die NSA laut Greenwald ihre Erkenntnisse? | |
Die Terrorismusbekämpfung sei nur vorgeschoben, so Greenwald. Dafür sei | |
keine anlasslose Massenüberwachung erforderlich, vielmehr genügten | |
Ermittlungsmaßnahmen gegen konkrete Verdächtige. | |
Dass ausländische Regierungen ausgespäht werden, hält Greenwald für „nicht | |
weiter bemerkenswert“, wobei allerdings das „Ausmaß“ der Bespitzelung du… | |
die NSA „ungewöhnlich“ sei. | |
Skandalös findet Greenwald dagegen die „Wirtschaftspionage“ der NSA, wobei | |
er darunter weniger die Ausspähung konkreter Firmen versteht, um ihr Know | |
How zu nutzen. In der Regel thematisiert Greenspan in diesem Kontext eher | |
die klassische Spionage, wenn etwa die USA vor Wirtschafts-Verhandlungen | |
die Position der Gegenseite und deren „rote Linien“ erfahren will. Soweit | |
die NSA auf Öl- und Gas-Firmen wie Gazprom abzielt, dürften außenpolitische | |
Interessen im Vordergrund stehen - wie die Ukraine-Krise zeigt. | |
Am schlimmsten findet Greenwald, dass die NSA ein „Spionagesystem gegen die | |
eigenen Bürger“ und gegen „Hunderte Millionen“ Bürger in anderen Staaten | |
errichtet hat. Dabei werden die Daten der meisten Personen wohl nur | |
tageweise gespeichert. Das mysteriöse Superprogramms XKeyScore speichert | |
„drei bis fünf Tage lang“, wie Greenwald schreibt, die Inhalte von Emails | |
und Chats sowie das Surfverhalten im Internet. Dauerhaft gespeichert werden | |
wohl nur die Daten von Zielpersonen und ihrer Kontakte. Wieviele das sind, | |
untersucht Greenwald nicht. | |
Missbraucht die NSA die Daten, um legitimen Protest zu unterdrücken? | |
Grundsätzlich kommt es Greenwald darauf nicht an. Schließlich führe jede | |
Massenüberwachung zu Verhaltensänderungen und sei damit schädlich für eine | |
demokratische Gesellschaft. | |
Konkreten Missbrauch der Daten kann Greenwald bisher nicht nachweisen. | |
Dabei gibt es in den USA eine unheilvolle Tradition des Missbrauchs der | |
Sicherheitsbehörden gegen Andersdenkende, man denke nur an die Programme | |
des langjährigen FBI-Chefs J. Edgar Hoover. Greenwald kann aber Indizien | |
für möglichen Missbrauch nennen, etwa wenn amerikanische Umwelt- und | |
Friedensaktivisten sowie rechte Regierungsgegner von der Politik als | |
„Terroristen“ gebrandmarkt werden. Ausländische „Hacktivisten“, etwa b… | |
Wikileaks und Anonymous, wurden von der NSA als potenziell „böswillige | |
ausländische Akteure“ bezeichnet. | |
Gefährlich klingen die Pläne des englischen Geheimdienstes GCHQ, der | |
Maßnahmen der „Zersetzung, Herabwürdigung und Täuschung“ propagiert, bis | |
hin zum Verändern von Photos in sozialen Netzwerken und zum Verbreiten | |
falscher Anschuldigungen durch Blogs. Die NSA hat immerhin bereits | |
versucht, die Glaubwürdigkeit muslimischer „Radikalisierer“ zu untergraben, | |
indem sie veröffentlicht, dass diese „explizit sexuell ausgerichtetes | |
Internet-Material“ angesehen haben. | |
Gibt es neue Erkenntnisse über Big Data-Nutzungen durch die NSA? | |
Nein. Die Versuche der NSA, in den gewaltigen gespeicherten Datenmengen | |
durch die Analyse von Mustern neue Verdächtige zu erkennen, thematisiert | |
Greenwald gar nicht. | |
Was berichtet Greenwald über Deutschland? | |
Das Buch ist offensichtlich nicht für den deutschen Markt geschrieben. | |
Einmal wird kurz Merkels Handy erwähnt. Neue Enthüllungen gibt es nicht. Am | |
Rande taucht leider wieder die Zahl von monatlich 500 Millionen Daten „aus | |
Deutschland“ auf - ohne zu erklären, dass es sich dabei wohl um | |
BND-Abhördaten aus Afghanistan und dem Nahen Osten handelt. | |
Warum enthält das Buch Schwärzungen? | |
Gleich zu Beginn des Buches findet sich der Hinweis: „Bei einigen | |
Dokumenten, die in diesem Buch veröffentlicht werden, sind auf Veranlassung | |
der National Security Agency (NSA) zur Wahrung der nationalen Sicherheit | |
der Vereinigten Staaten von Amerika Passagen unkenntlich gemacht worden.“ | |
Darauf geht Greenwald aber mit keinem Wort ein, obwohl er geradezu | |
verächtlich über Journalisten-Kollegen schreibt, die der NSA ihre Produkte | |
vor der Publikation vorlegen und sie dann auf deren Wunsch entschärfen. Man | |
hätte gerne gewusst, nach welchen Kriterien er gehandelt hat. | |
Ist die USA ein Unrechtsstaat? | |
Solange solche Bücher dort erscheinen können, ist die Hoffnung noch nicht | |
verloren. Auf amazon.com ist die englische Ausgabe „No Place to Hide“ | |
derzeit das zwölftbest verkaufte Buch. | |
21 May 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://us.macmillan.com/noplacetohide/GlennGreenwald | |
[2] http://www.theguardian.com/uk | |
[3] /!137801/ | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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