# taz.de -- Kommentar NSA-Leisetreterei: De Maizières Fatalismus | |
> Die Zurückhaltung des Innenministers in den USA ist mehr als merkwürdig – | |
> sie ist verdächtig. Ist Deutschland beim NSA-Skandal eher Komplize als | |
> Opfer? | |
Bild: Opfer oder Komplize? Merkel unter Schrift. | |
Es gibt Dinge, die müssen „angesprochen“ werden. Und sei es nur für das | |
heimische Publikum. So muss die Bundesregierung China bei jedem Treffen auf | |
die Menschenrechte hinweisen. Bei Gesprächen mit Russlands Präsident Putin | |
wird jetzt stets die Bedeutung des Völkerrechts in der Ukraine erläutert. | |
Und bei Verhandlungen mit den USA steht immer auch der NSA-Skandal auf der | |
Agenda – irgendwo ganz hinten. | |
So auch jetzt beim Besuch von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in den | |
USA. Eigentlich geht es um IT-Sicherheit, aber natürlich bleibe das Thema | |
„NSA“ auf der Tagesordnung, versichert de Maizìere. Aus der empörten | |
Aufregung wird ein neues routiniert-fatalistisches Business as usual. Echte | |
Einflussnahme und Interessenvertretung sieht anders aus. | |
Dabei ist die NSA eigentlich in der Defensive. Sie hat sich nicht nur | |
erwischen lassen, wie sie befreundete Regierungen und die Bevölkerungen | |
befreundeter Länder in nie gekanntem Umfang ausforscht. Was aus Sicht von | |
Nachrichtendienstlern noch schlimmer ist: sie hat sich die Daten von Ed | |
Snowden auch einfach stehlen lassen. | |
## Wer traut noch der NSA? | |
Und wer weiß, wer sich bereits vor Snowden bei der NSA bedient hat, ohne | |
dies öffentlich zu machen? Dienste anderer Staaten? Amerikanische | |
Privatunternehmen? Die Frage ist doch nicht, ob wir in Zukunft von der NSA | |
noch vertrauliche Informationen bekommen. Die Frage ist eher, ob wir der | |
NSA noch vertrauliche Informationen geben können. | |
Um den Informationsfluss seitens der NSA muss man sich ohnehin wenig Sorgen | |
machen. Die USA wird deutsche Nachrichtendienste auch dann mit Hinweisen | |
auf drohende Anschläge in Deutschland unterstützen, wenn gerade dicke Luft | |
herrscht. Einfach, weil es in ihrem eigenen Interesse liegt. | |
Schließlich befinden sich in Deutschland viele wichtige US-Einrichtungen, | |
auch zur Kriegsführung in Afrika oder anderen Teilen der Welt. Und diese | |
sind stets im Focus gewaltbereiter Islamisten. Deshalb ist jede Hilfe für | |
BKA und Verfassungsschutz zugleich Selbstschutz der USA. | |
## Auf den Geschmack gekommen | |
Warum also die unerklärliche Zurückhaltung, die auffällige Leisetreterei? | |
War und ist die Bundesregierung beim Aufbau einer globalen | |
US-Überwachungs-Infrastruktur doch mehr Komplizin als Opfer? | |
Oder ist sie inzwischen auf den Geschmack gekommen und plant insgeheim | |
ähnliches auf deutscher oder europäischer Ebene, um von den | |
US-Informationen unabhängiger zu werden? Meint die Bundesregierung, es | |
genügt, wenn sie künftig ihre interne Kommunikation besser vor Ausspähung | |
schützt? Sollen die Bürger ihre Privatsphäre doch selbst verschlüsseln … | |
Das willfährige Verhalten der Bundesregierung gegenüber der USA ist nicht | |
nur unangemessen, sondern geradezu verdächtig. Auch dies könnte ein Thema | |
für den Untersuchungsausschuss sein. | |
21 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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