# taz.de -- Volksentscheid Tempelhofer Feld: Senat vom Feld gejagt | |
> Der Gesetzentwurf von „100 % Tempelhofer Feld“ erhält eine deutliche | |
> Mehrheit: Rund 65 Prozent der Wähler stimmen gegen eine Bebauung. | |
Bild: Auch bei Wind gilt für Unterstützer von Volksbegehren: Schön schreiben… | |
BERLIN taz | Das Wiesenmeer bleibt Wiesenmeer. Beim Volksentscheid zur | |
Zukunft des Tempelhofer Feldes hat sich am Sonntag eine deutliche Mehrheit | |
der Berliner WählerInnen gegen eine Bebauung ausgesprochen. Nach Aussage am | |
frühen Abend von Landeswahlleiterin Petra Michaelis-Merzbach konnte die | |
Initiative „100 % Tempelhofer Feld“ bei rund 80 Prozent der ausgezählten | |
Stimmen über 65 Prozent davon auf sich verbuchen. | |
Auch das Quorum von einem Viertel der Wahlberechtigten sei mit dem Votum | |
von fast 30 Prozent der rund 2,49 Millionen Wahlberechtigten für das | |
Wiesenmeer erreicht worden, so die Landeswahlleiterin. Mindestens 622.785 | |
Stimmen hätten für den Gesetzentwurf der Initiative „100 % Tempelhofer | |
Feld“ abgegeben werden müssen. Der Volksentscheid war zeitgleich mit der | |
Europawahl durchgeführt worden. | |
Im „Südblock“ am Kottbusser Tor, worin die Initiative ihre Wahlparty | |
feierte, brach kurz nach 21 Uhr und der siegreichen Prognose der Jubel los. | |
200 Anhänger ließen die Sektkorken knallen. Michael Schneidewind, Vorstand | |
der Initiative, sagte zur taz, er sei „überglücklich und froh“ über den | |
Ausgang des Volksentscheids. „Wir wollten für unsere Stadt das Beste, das | |
haben die BerlinerInnen wohl verstanden.“ Das Resultat des Volksentscheids | |
bedeute ein „starkes Signal, dass die Stadtentwicklung in Berlin zukünftig | |
anders funktionieren kann“. | |
Der Volksentscheid über die Zukunft des Tempelhofer Feldes hat den | |
Planungen des Senats damit einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. | |
Statt der vorgesehenen „Randbebauung“ mit 4.700 Wohnungen und zahlreichen | |
Gewerbeeinrichtungen von Bausenator Michael Müller (SPD) wird das 385 | |
Hektar große Wiesenmeer erst einmal Frei- und Erholungsfläche für die | |
BerlinerInnen bleiben. | |
## Die Bibliothek muss woanders hin | |
Neben den anvisierten Wohnbauten in Müllers Masterplan wird wohl auch aus | |
der geplanten Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) nichts, einem | |
Lieblingsprojekt des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit. Wowereit | |
hatte angekündigt, sollte der Gesetzentwurf des Senats (Feld wird am Rand | |
bebaut) dem konkurrierenden Gesetzentwurf der Initiative (Feld bleibt frei) | |
unterliegen, die ZLB an diesem Standort zur Disposition zu stellen. | |
Berlins CDU-Generalsekretär Kai Wegner kritisierte nach der Abstimmung auch | |
Wowereit: „Die Berlinerinnen und Berliner haben ein klares Votum gegen die | |
ZLB abgegeben. Es war ein Fehler, dass der Regierende Bürgermeister an | |
seinem Lieblingsprojekt so starr festgehalten hat.“ | |
Auch Martin Delius, Fraktionsvorsitzender der Piraten, warf dem Senat | |
Fehler vor: „Der geglückte Volksentscheid ist ein großer Erfolg für | |
zeitgemäße Politik und Mitbestimmung. Der Gesetzesentwurf der Koalition ist | |
abgelehnt. Das heißt: So nicht mehr, Herr Müller! Die Ära der Masterpläne | |
ist vorbei.“ | |
Seit über einem Jahr war über die Zukunft des 2008 geschlossenen legendären | |
Flughafens inmitten der Stadt gestritten worden. Während die | |
Bürgerinitiative sich seit der Öffnung des Geländes für Parkbesucher im Mai | |
2010 für die komplette Freihaltung des Naturraums samt seinen beiden | |
ehemaligen Rollbahnen und dem Taxiway als Freifläche setzte, drang die | |
Bauverwaltung auf eine Randbebauung am Tempelhofer Damm, entlang der | |
Ringbahn sowie unterhalb der östlichen Oderstraße in Neukölln. Die Mitte | |
des Feldes sollte in den Senatsplänen als rund 200 Hektar großer Grünraum | |
erhalten bleiben. | |
## Widerstand in Neukölln | |
Gerade in Neukölln war der Widerstand gegen den Masterplan des Senats | |
besonders heftig, fürchten doch die Bewohner, dass teure „Stadtvillen“ den | |
Schillerkiez sozial und räumlich umstrukturieren würden. Michael Müller | |
dagegen kämpfte dafür, dass am äußeren Rand des Feldes eine „behutsame | |
Entwicklung“ stattfinden sollte. Wohnbauten, darunter bezahlbare | |
Sozialwohnungen, sollten den angespannten Wohnungsmarkt entlasten. Für | |
Erholung, Freizeit und Sport bliebe genügend Raum, so der Bausenator. | |
Bis zuletzt hatten alle im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien um einen | |
Kompromiss zur Zukunft des Feldes gerungen. Linke, Grüne und Piraten | |
lehnten einen gemeinsamen Gesetzentwurf jedoch ab, hatten sich doch die | |
Koalitionsfraktionen von SPD und CDU nicht darauf einlassen wollen, alle | |
Bauten als Sozialwohnungen auszuweisen. Auch der Bau der ZLB blieb | |
umstritten, ebenso die von der Opposition geforderte stärkere | |
Bürgerbeteiligung. | |
25 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Rolf Lautenschläger | |
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