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# taz.de -- Volksentscheid: Alle lügen wie gedruckt
> Halbgare Studien, falsche Zahlen: Zur Mobilisierung vor der Wahl wird von
> beiden Parteien kräftig geflunkert.
Bild: Mobilisierung total: In der Endphase vor dem Volksentscheid
Kurz vor dem Volksentscheid über das Tempelhofer Feld am Sonntag werben
Senat und die Bürgerinitiative lautstark für ihren jeweiligen
Gesetzesentwurf. Ein Kampf mit harten Bandagen und schmutzigen Tricks:
Erlaubt ist, was geht, Populismus, Schönfärberei. Auch geflunkert wird,
wenn es der eigenen Sache dient.
In der Broschüre, mit der die SPD-Fraktion für den Gesetzentwurf des Senats
wirbt, wird gemogelt, dass sich die Balken biegen. In einer Tabelle, die
den Masterplan dem „Stillstand“ der Bürgerinitiative gegenüberstellt, hei…
es: „Nach den Planungen des Senats sollen bis zu 4.700 bezahlbare Wohnungen
entstehen.“ Tatsache ist aber: Es sind zwar 4.700 Wohnungen geplant – aber
nur die Hälfte davon soll für sechs bis acht Euro pro Quadratmeter
nettokalt vermietet werden. Natürlich ist der Begriff „bezahlbar“
auslegbar, aber für Geringverdiener sind diese Wohnungen offenbar nicht
gedacht.
Fragwürdig ist auch, dass der Senat bereits heimlich Architekten ins Rennen
schickt. Noch ist unklar, ob überhaupt gebaut werden darf. Trotzdem hat die
Stadtentwicklungsverwaltung sechs handverlesene Architekturbüros gebeten,
Gestaltungsvorschläge für das zuerst geplante Quartier am Tempelhofer Damm
zu erarbeiten. Auf einen offenen Wettbewerb hat man verzichtet, um Zeit zu
sparen. Architektenkammer und Grüne finden das intransparent. Der Senat
verweist auf spätere Realisierungswettbewerbe. Aber ob „später“ auch
Architekturbüros zum Zuge kommen, die nicht am derzeitigen „kooperativen
Gutachterverfahren“ beteiligt waren?
Damit auch der letzte versteht, um was es geht, veröffentlichte der
Berlin-Brandenburgischen Wohnungsverban am Donnerstag eine Studie. Und
siehe: In fast allen Bezirken fehlen Wohnungen! Leerstand so niedrig wie
seit 1995 nicht mehr! Dass 4.700 Wohnungen dieses Problem nicht mal
annähernd lösen würden, wird nirgends erwähnt.
Und dann die Sache mit dem Friedhof: 2012 warnten muslimische Gemeinden,
dass ihnen die Flächen zur Bestattung ausgingen. Der am Columbiadamm
gelegene Sehitlik-Friedhof ist fast voll. Während evangelische
Kirchengemeinden überlegten, Teile ihrer Friedhöfe abzugeben, bremste
Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD): Das Tempelhofer Feld, an
dessen Nordrand der Friedhof erweitert werden könnte, sei ein „sensibler
Bereich“.
Drei Tage vor dem Volksentscheid spricht Müller in einer Pressemitteilung
von „dringendem Handlungsbedarf“. Und verspricht: „Umbau- und
Erweiterungsarbeiten“ auf dem Feld könnten schon im Juni 2014 beginnen.
Aber nur, wenn der Senat gewinne: „Bei Zustimmung zum Gesetz der Initiative
100% Tempelhof kann keine Erweiterung stattfinden.“ Stimmt nicht, kontert
Michael Schneidewind von der Initiative: „Davon steht nichts in unserem
Entwurf.“ Ein Friedhof sei keine Bebauung. Wäre der Zugang vom Feld aus
gewährleistet, stehe der Erweiterung nichts entgegen.
Doch auch die Initiative spielt mit falschen Karten: Ihre Zeitung Feld,
gedruckt in einer Auflage von 200.000 Exemplaren, strotzt vor falschen und
einseitigen Darstellungen. So ist dort von 620 Millionen Euro Kosten für
den Masterplan des Senats die Rede. Und es wird der Eindruck erweckt,
dieses Geld würde das Land sparen, wenn auf dem Feld nicht gebaut wird:
„Mit 620 Mio. Euro könnte Berlin viel für alle Bürger/innen tun“, steht
dort, zum Beispiel „20 Jahre lang alle sozialen Projekte finanzieren“.
Stimmt aber nicht: Wenn das Feld nicht bebaut werden darf, wird anderswo
gebaut. Und die Zentral- und Landesbibliothek, deren Bau 350 der 620
Millionen Euro ausmachen soll, wird auch anderswo Geld kosten.
23 May 2014
## AUTOREN
Nina Apin
Sebastian Heiser
Claudius Prößer
## TAGS
Schwerpunkt Volksentscheid Tempelhofer Feld
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