| # taz.de -- Debatte ums Tempelhofer Feld: Müllers zweite Chance | |
| > Senator Müller galt als Kronprinz von Klaus Wowereit – bis zu einer | |
| > Schlappe 2012. Setzt sich der Senator beim Volksentscheid durch, zählt er | |
| > wieder zu den Nachfolgekandidaten. | |
| Bild: Stadtentwicklungssenator Michael Müller am Donnerstag bei der Tempelhof-… | |
| Saleh, Stöß, Kolat: Setzt sich die Koalition am Sonntag beim Volksentscheid | |
| durch, wird man bei der SPD diese Liste möglicher künftiger Regierungschefs | |
| und Wowereit-Nachfolger um Michael Müller erweitern müssen. Der | |
| Stadtentwicklungssenator, allein seit Ostern bei rund 30 | |
| Tempelhof-Diskussionen unterwegs, argumentierte, stritt, kämpfte auch am | |
| Donnerstag in einer hitzigen Parlamentsdebatte zum Feld nicht nur souverän | |
| – er hatte auch einen besseren Auftritt als SPD-Fraktionschef Raed Saleh, | |
| vom Spiegel jüngst zum „Kronprinzen“ erhoben. Während Müller grundsätzl… | |
| wurde, warb Saleh für Bänke, Bäume und Klos auf dem Feld und reimte | |
| schlicht: „Auch ein grüner Hippie muss mal Pippi.“ | |
| Blass und hölzern. Ohne Charisma. Das war früher oft über den heute | |
| 49-jährigen Müller zu hören. Er war der bloße Sachwalter des übermächtigen | |
| Klaus Wowereit. Und das trotz seiner nominellen Macht: 2001 wurde er | |
| Nachfolger von Wowereit an der Fraktionsspitze und blieb es bis zu seinem | |
| Wechsel in den Senat 2011. Bis ihn Stöß 2012 verdrängte, war er zudem acht | |
| Jahre SPD-Landeschef. Den nun an Saleh vergebenen Titel „Kronprinz“ hatte | |
| er mal getragen, er mochte aber nicht zu ihm zu passen. Wenn Müller als | |
| „Drucker aus Tempelhof“ beschrieben wurde, war das nicht als Respekt vor | |
| seiner Bodenhaftung gemeint, sondern sollte den Abstand zum glamourösen, | |
| weltläufigen Wowereit ausdrücken. | |
| Nun steht dieser Mann am Rednerpult des Abgeordnetenhauses und lässt sich | |
| eine gefühlte Minute aus der Mitte der Grünen heraus vom Abgeordneten | |
| Jochen Esser anbrüllen. Müller hat gerade einen Satz von Essers | |
| Fraktionschefin Antje Kapek von Mitte Januar zum damals gerade | |
| erfolgreichen Volksbegehren der Initiative „100 % Tempelhofer Feld“ | |
| zitiert: „100 Prozent heißt Null-Lösung.“ Nichts, was gut zur aktuellen | |
| Grünen-Haltung passt, für ein „Ja“ zum Volksbegehren zu werben. | |
| Esser wütet, Müller hört, ans Pult gelehnt, gelassen zu – und sagt | |
| schließlich grinsend zu dem hoch erregten Grünen: „Herr Esser, ich war auch | |
| empört, als ich das gelesen habe.“ Mit dieser Lässigkeit hat auch Wowereit | |
| oft seine politischen Gegner vorgeführt. Der folgende Applaus geht deutlich | |
| über das hinaus, was ein Senator für seine Rede von seiner Koalition | |
| erwarten kann. | |
| Müller, nach seiner Abwahl als SPD-Chef 2012 eine Zeit lang im Hintergrund, | |
| hatte sich mit einer aufsehenerregenden Rede schon vor einem Jahr | |
| zurückgemeldet. Auch damals stand er in einer zentralen Debatte des | |
| Parlaments am Rednerpult, und was er sagte, war kein bloßer Beitrag aus dem | |
| Senat, sondern im Kern eine Regierungserklärung zur | |
| Stadtentwicklungspolitik. Und teilte er damals gegen Stöß aus, der gerade | |
| seine eigenen Vorstellungen zur Zukunft von Berlins Mitte propagiert hatte, | |
| so konnte man gestern, wenn man wollte, eine kleine Attacke gegen Saleh | |
| vernehmen. Der hatte sich über Bänke auf dem Tempelhofer Feld ausgelassen | |
| und zugleich „echte Großstadtpolitik statt provinzieller Spießigkeit“ | |
| gefordert. Von Müller hingegen war sinngemäß zu hören, es gehe am Sonntag | |
| nicht darum, ob da nun eine Bank oder ein Baum mehr oder weniger hinkomme – | |
| es gehe um Grundsätzlicheres, um den Schutz der Feldmitte. | |
| Müller vermied es, sich auf Kosten des Koalitionspartners zu profilieren, | |
| während Saleh über die CDU witzelte. „Liebe Freunde aus der Koalition“, | |
| sagte der Fraktionschef und spielte auf den von der Union unterstützten, | |
| aber erfolglosen Volksentscheid für den weiteren Flugbetrieb 2008 an, | |
| „endlich könnt auch ihr mal eine Volksabstimmung in Tempelhof gewinnen.“ | |
| Das kam nicht so gut an bei der CDU, wo viele diese Niederlage längst nicht | |
| verwunden haben. Und prompt war von ihrem Fraktionschef Florian Graf zu | |
| hören: „Es war falsch, diesen Flughafen zu schließen.“ | |
| Was angesichts der jetzigen stadtweiten Begeisterung für das Tempelhofer | |
| Feld wie aus der Zeit gefallen wirkte, toppte noch Linken-Fraktionschef Udo | |
| Wolf. Der sagte nach monatelangen Debatten über zu wenig Wohnungen fast | |
| jeder Preislage: „Berlin hat kein Problem mit fehlendem Wohnraum. Berlin | |
| hat ein Problem mit bezahlbarem Wohnraum.“ Müller, der alte und vielleicht | |
| künftige SPD-Kronprinz, hätte dank kaufmännischer Ausbildung seinen | |
| Auftritt jetzt noch mit sachkundigen Sätzen krönen können, wonach sich der | |
| Preis aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage ergibt. Aber vielleicht | |
| wollte er sich einfach noch Luft nach oben lassen. | |
| 22 May 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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