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# taz.de -- Kampf gegen Preisabsprachen: Kronzeugen erleichtern die Arbeit
> Bier, Milch und Schienen: Die Wettbewerbshüter vom Bundeskartellamt
> decken immer mehr Kartelle auf. Aber da wäre noch viel mehr drin.
Bild: Ein Euro mehr für die Kiste, ein Fünfer fürs 100-Liter-Fass: Der Preis…
HAMBURG taz | Der Ausgang eines der größten Kartellverfahren in der
deutschen Wirtschaftsgeschichte ist noch offen – obwohl es für das
sogenannte Schienenkartell im vergangenen Jahr bereits Bußgelder über
insgesamt 233 Millionen Euro hagelte.
Die Sünder, darunter die Stahlkonzerne ThyssenKrupp und Voestalpine, führen
immer noch Vergleichsgespräche mit geschädigten Kunden. ThyssenKrupp
verlangt von einem früheren Bereichsvorstand Schadenersatz, und die
Staatsanwaltschaft Bochum bereitet nach Presseberichten eine Anklage gegen
die Manager der an den Absprachen beteiligten Unternehmen vor.
Allerdings: Mehr als ein Ordnungsgeld dürfte den ertappten Managern nicht
drohen. Denn die Höhe einer persönlichen Buße betrage „laut Faustformel ein
Jahresgehalt“, sagte ein Sprecher des Bundeskartellamtes in Bonn auf
Anfrage der taz.
Dabei haben sich zuletzt spektakuläre Wettbewerbsverstöße gehäuft. Meist
ging es um sogenannte Hardcore-Kartelle, in denen neben Preisen auch gleich
Mengen, Gebiete und Kundengruppen abgesprochen wurden.
Kaum ein Lebensbereich blieb verschont: Flüssiggas (2007), Kaffee (2009),
Brillengläser (2010), Feuerwehrlöschfahrzeuge (2012), Bier und Zucker
(2014). Im laufenden Jahr steuert das Kartellamt auf einen neuen Rekord zu.
Bis jetzt hat es Strafen in einem Umfang von 635 Millionen Euro
ausgesprochen. Das bis dato erfolgreichste Jahr war 2003, als es Bußgelder
über 600 Millionen Euro verhängte – von denen allerdings nur 400 Millionen
rechtskräftig wurden.
## Megasünder ThyssenKrupp
Zum höchsten Einzelbußgeld in der Geschichte der Bonner Wettbewerbswächter
wurde ThyssenKrupp 2013 verdonnert. Wegen seiner Teilnahme an eben dem
„Schienenkartell“, das der Deutschen Bahn und privaten
Eisenbahngesellschaften jahrelang die Preise diktierte und so einen
Milliardenschaden verursachte, musste der Stahlkonzern 191 Millionen Euro
zahlen. Akut laufen noch Schadenersatzforderungen in ähnlicher Höhe.
Kartellamtspräsident Andreas Mundt sieht in solchen „Erfolgsmeldungen“ ein
gutes Zeichen: „Wir sind in den vergangenen Jahren schlagkräftiger
geworden.“ Doch es stellt sich die Frage, ob die Behörden tatsächlich
genauer hingeschaut haben – oder ob die Wirtschaftskriminalität zunimmt.
Für Mundt ist die Antwort eindeutig: „In den letzten zehn Jahren wurde die
Kartellverfolgung vom Bundeskartellamt deutlich intensiviert.“ Dafür
sorgten neue spezialisierte Beschlussabteilungen, also Sonderkommissionen,
die selbständig operieren, und vor allem das Kronzeugenprogramm. Wer ein
Kartell offen legt, geht zwar schon seit 1996 straffrei aus, doch die
Kronzeugenregelung habe Zeit gebraucht, um sich herumzusprechen. In den
meisten ermittelten Kartellfällen ist der erste Schritt eine Selbstanzeige.
Kritiker bezweifeln jedoch angesichts des wachsenden globalen
Wettbewerbsdrucks die Schlagkraft der Behörde. Das Bundeskartellamt, das
auch Fusionen, Benzinpreise und öffentliche Aufträge unter die Lupe nimmt,
beschäftigt heute knapp 330 Menschen und ist damit eine im internationalen
Vergleich „eher kleine Wettbewerbsbehörde“, wie das
Bundeswirtschaftsministerium eingesteht.
Angesichts des finanziellen Gewinns, den Konzerne aus Kartellen ziehen,
halten Verbraucherschützer die Bußgelder für zu niedrig. Und der
Vorsitzende der Monopolkommission, Daniel Zimmer, bringt einen
Systemwechsel ins Spiel: Man könnte wie in den USA Kartelltäter mit
Gefängnis bestrafen. Die Abschreckung wäre sicher größer.
10 Jun 2014
## AUTOREN
Hermannus Pfeiffer
## TAGS
Bundeskartellamt
Preisabsprache
Bier
Milch
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