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# taz.de -- Atomare Rüstung: Abrüstung als bloße Rhetorik
> Es gibt deutlich weniger Atomwaffen. Ihre Effektivität hat sich dafür
> erhöht, sagt das Friedensforschungsinstitut Sipri in seinem jüngsten
> Report.
Bild: Besser Bomben: Atommächte modernisieren ihre Arsenale.
STOCKHOLM taz | Die Zahl der weltweit stationierten Atomsprengköpfe ist in
den letzten fünf Jahren um mehr als ein Viertel gesunken: Von 22.600 (2010)
auf nunmehr 16.200. Doch eine Welt ohne Atomwaffen ist nicht in Sicht. Denn
gleichzeitig modernisieren die Atommächte ihre Arsenale.
„Wieder einmal sucht man bei den Nuklearwaffenstaaten vergeblich nach
Anzeichen für eine wirkliche Bereitschaft, auf eine komplette Demontage
ihrer Kernwaffenbestände hinzuarbeiten“, sagt Shannon Kile,
US-amerikanischer Nuklearwaffenforscher am Stockholmer
Friedensforschungsinstitut Sipri.
So hätten die Atomwaffenmächte USA und Russland im Rahmen der im „New
START“-Abkommen von 2010 vereinbarten Reduzierungsmaßnahmen zwar im letzten
Jahr ihre Arsenale offiziell um zusammen knapp 1.000 Sprengköpfe abgebaut.
Doch habe sich dieser Prozess verlangsamt und beide Staaten verfügten nach
wie vor über 93 Prozent aller weltweiten Nuklearwaffen.
Die USA habe ihre vertraglichen Verpflichtungen bislang vor allem durch die
Reduktion von „Phantomwaffen“ erfüllt: Trägerraketen, die nicht mehr
Kernwaffen zugeordnet sind, obwohl sie Nuklearausrüstung tragen könnten.
Und Russland habe im wesentlichen sowieso veraltetes Material verschrottet.
## Modernisierung für 350 Milliarden Dollar
Ebenso wie die drei anderen „offiziellen“ Atommächte – China,
Großbritannien und Frankreich – seien Moskau und Washington außerdem dabei,
neue Systeme für den Einsatz von Kernwaffen zu entwickeln oder hätten
entsprechende Programme angekündigt, konstatiert Sipri in seinem am Montag
veröffentlichten jährlichen Atomwaffenbericht.
So planten die USA im nächsten Jahrzehnt 350 Milliarden Dollar in ein
Programm zur Modernisierung von Atomwaffen zu investieren, wozu ein neues
System von Interkontinentalraketen, eine neue Atombomber- und eine neue
Atom-U-Boot-Flotte gehörten.
Auch Russland tausche derzeit sein Arsenal veralteter
Interkontinentalraketen durch fünf verschiedene neue Versionen des Typs
SS-27 aus und ersetze die atomaren U-Boote aus Sowjetzeiten durch eine neue
Flotte mit erweiterter Träger-Kapazität für Interkontinentalraketen mit
Mehrfachsprengköpfen.
## Indien und Pakistan rüsten zahlenmäßig auf
Für Indien und Pakistan gelte, dass sie ihre Arbeit an der Entwicklung von
ballistischen Raketen und Marschflugkörpern für Atomwaffen fortsetzten und
ihre Kapazität zur Herstellung von spaltbarem Material stetig weiter
ausbauten. So plane Indien den Bau von sechs Brutreaktoren, mit deren Hilfe
man die Produktion von Waffenplutonium signifikant steigern werde.
Der Prototyp eines schnellen Brutreaktors sei fast fertiggestellt und werde
vermutlich Ende dieses Jahres „kritisch“ werden, also den Normalbetrieb
aufnehmen. Auch seine Urananreicherungskapazitäten habe das Land deutlich
erhöht und im kommenden Jahr werde ein neues Raketensystem in Betrieb
gehen, mit dem Ziele in ganz China zu erreichen seien.
Eine kräftige Ausweitung der Fähigkeit zur Atomsprengkopfherstellung
konstatiert Sipri aufgrund des dortigen Ausbaus des
Plutonium-Produktionskomplexes von Khushab auch für Pakistan. Indien und
Pakistan hätten derzeit ein mutmaßliches Arsenal von jeweils 90–120
atomaren Sprengköpfen und seien zusammen mit China (geschätzt 250
Atomsprengköpfe) die einzigen Nuklearmächte, die ihre Arsenale auch
zahlenmäßig aufstockten.
Israel mit vermutlich 80 Atomsprengköpfen scheine im Hinblick auf seine
atomare Bewaffnung derzeit abzuwarten, wie sich die Situation im Iran
entwickle, schreibt das Stockholmer Institut, das bezüglich der neunten
Nuklearmacht, Nordkorea, von 6–8 „rudimentären Kernsprengkörpern“ ausge…
Fazit der Sipri-Nuklearexperten Shannon Kile und Phillip Patton Schell:
„Die Nuklearmächte sind offenbar entschlossen, dass ihre atomaren Waffen
auch in Zukunft zu fest verankerten Elementen ihres strategischen Kalküls
gehören sollen.“
16 Jun 2014
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
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