# taz.de -- Deutschland und die NSA: Noch mehr Daten für die USA | |
> Der BND leitete massenhaft Daten an die NSA weiter. Der | |
> Untersuchungsausschuss ist empört und will nun alle Geheimabkommen | |
> vorgelegt bekommen. | |
Bild: Der BND hält sich bedeckt. | |
BERLIN taz | Die Agenda war lange gesetzt: Mit den technischen | |
Möglichkeiten von Ausspähungen wollte sich der NSA-Untersuchungsausschuss | |
im Bundestag am Donnerstag beschäftigen, er hatte dafür Sachverständige | |
geladen. Das Thema wurde überraschend praktisch: Denn kurz zuvor war | |
bekannt geworden, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) jahrelang in | |
großem Stil Rohdaten an die amerikanische NSA weitergegeben haben soll. | |
Grünen-Obmann Konstantin von Notz sprach von „drängenden Fragen“, die der | |
Ausschuss „schnell“ klären müsse. „Offenbar war die Kooperation des BND… | |
der NSA sehr viel enger als bisher dargestellt.“ Der BND müsse nun | |
erklären, welche Daten er weiterreichte und wie die Praxis aktuell aussehe. | |
Hinter verschlossenen Türen forderte der Ausschuss laut SPD-Obmann | |
Christian Flisek, alle „Geheimabkommen“ der Regierung mit den USA vorgelegt | |
zu bekommen. | |
Damit rückt im Ausschuss mehr und mehr der BND in den Fokus. Die | |
Süddeutsche hatte berichtet, dass der BND ab 2004 drei Jahre lang Daten, | |
die er am Internetknoten „De-Cix“ in Frankfurt am Main abgefangen hatte, | |
direkt an die NSA weiterleitete. Informationen deutscher Bürger seien nicht | |
darunter gewesen. 2007 sei die Praxis beendet worden, da diese als | |
politisch zu heikel eingestuft wurde. | |
## NSA lobt BND für Kooperation | |
Der „De-Cix“ ist der größte Internetknoten Europas. Die Betreiber hatten | |
stets abgestritten, dass „ausländische Nachrichtendienste“ ihr Netz | |
anzapften – über inländische sagten sie nichts. Am Donnerstag allerdings | |
bestritt ein „De-Cix“-Sprecher, dass in besagtem Zeitraum „irgendein | |
ausländischer oder inländischer Geheimdienst Zugang zu dem von uns | |
betriebenen Internetknoten und zugehörigen Glasfasernetzen hatte“. Zum | |
aktuellen Stand wollte er sich nicht äußern. | |
Der BND hielt sich gänzlich bedeckt. Zur operativen Arbeit äußere man sich | |
„ausschließlich gegenüber der Bundesregierung und den zuständigen, geheim | |
tagenden Gremien des Bundestags“, sagte ein Sprecher. Dass der BND „De-Cix�… | |
anzapft, war bekannt. Ihm ist rechtlich erlaubt, bis zu 20 Prozent des | |
ausländischen Datenverkehrs zu scannen. | |
Auch die Zusammenarbeit mit der NSA ist kein Geheimnis. In einem | |
Geheimpapier vom Januar 2013, das der Spiegel veröffentlichte, lobte die | |
NSA den BND für dessen Zusage, die Kooperation „zu stärken und auszubauen�… | |
Dass dieser aber offenbar massenhaft Daten aus Frankfurt an den US-Dienst | |
lieferte, wäre neu. Die Bundesregierung hatte das Szenario im letzten Jahr | |
noch als „Verletzung unserer Souveränitätsrechte“ bezeichnet. | |
Im NSA-Ausschuss erklärten am Donnerstag die drei geladenen | |
Sachverständigen unisono, der Vorgang komme „nicht überraschend“. Einer, | |
Frank Rieger, Sprecher des Chaos Computer Clubs, nannte das Vorgehen des | |
BND „einigermaßen dreist“. Rieger sowie der Cyberwar-Forscher Sandro | |
Gaycken und Michael Waidner vom Fraunhofer-Institut, forderten als | |
Gegenmaße zu Massenüberwachungen, Verschlüsselungstechniken flächendeckend | |
und „laientauglich“ einzuführen. | |
Am Nachmittag widmete sich der Ausschuss auch nochmal Edward Snowden. Union | |
und SPD weigerten sich den NSA-Whistleblower nach Deutschland zu laden. | |
Stattdessen beschlossen sie mit ihrer Mehrheit, Snowden am 11. September | |
per Video aus seinem Moskauer Asyl heraus zu befragen. Diese Variante aber | |
hatte der Whistleblower zuvor abgelehnt. Linke und Grüne sprachen von einer | |
"Finte" der Großen Koalition und einem Skandal: Union und SPD sabotierten | |
das Aufklärungsinteresse des Ausschusses. | |
26 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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