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# taz.de -- Spionageaffären in Deutschland: Agent Nummer Zwei
> Nach dem Verdacht, es gebe im Bundestag einen weiteren Spion in Diensten
> der USA, platzt der Opposition der Kragen. Und der SPD auch.
Bild: Der hatte wenigstens noch Stil. Daniel Craig als James Bond.
BERLIN taz | Die Bundesregierung gibt sich zugeknöpft an diesem
Mittwochmittag. Seit gut einer Stunde ist klar: Die Spionageaffäre der
US-Geheimdienste in Deutschland erfährt eine erneute Wendung. [1][Es gibt
einen zweiten Verdachtsfall in Berlin], eine Wohnung und ein Büro im
Verteidigungsministerium wurden durchsucht. Doch in der
Regierungspressekonferenz hüllen sich die Vertreter der betroffenen
Ministerien in größtmögliches Schweigen.
Steffen Seibert, Sprecher der Kanzlerin, spricht vage von einem „möglichen
zweiten Fall“ – detaillierte Auskünfte könne er leider nicht geben. Nur so
viel: Wenn sich bewahrheite, was an Vorwürfen im Raum stehe, wäre das ein
„sehr ernster Vorgang“.
Sehr ernst – das scheint die offizielle Kategorie für das, was seit dem
Morgen das politische Berlin in Atem hält. Auch der Sprecher des
Verteidigungsministeriums verwendet diese Formulierung. Nur Informationen
zu dem Vorfall will er keine preisgeben: Seit wann war Ministerin Ursula
von der Leyen informiert? Wie kam der neue Spionageverdacht überhaupt ans
Licht? Schweigen auf der Bank der Ministeriumssprecher.
Am Morgen hatten Beamte des Bundeskriminalamts und der Bundesanwaltschaft
Wohn- und Büroräume eines Beschuldigten im Raum Berlin. Ein Sprecher der
Bundesanwaltschaft bestätigte den Einsatz: Gegen den Mann bestehe ein
„Verdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit“. Es seien Computer und
Datenträger beschlagnahmt worden, die nun ausgewertet würden. Weiter
äußerte sie die Behörde vorerst nicht.
## Mutmaßlicher Auftrag eines US-Geheimdienstes
Laut Medienberichten soll der Auftraggeber erneut ein US-Geheimdienst
gewesen sein. Demnach soll ein im Verteidigungsministerium angestellter
Bundeswehrsoldat Militärinformationen weitergereicht haben. In welchem
Umfang und über welchen Zeitraum blieb offen. Offenbar wurde der Informant
vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) entdeckt, weil er in Kontakt mit
Personen eines US-Dienstes gestanden haben soll.
Festgenommen wurde der Beschuldigte laut Bundesanwaltschaft zunächst nicht.
Er wurde am Mittwochnachmittag noch verhört. Bereits am Donnerstag aber
will die Regierung das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags,
zuständig für die Geheimdienstaufsicht, über den Vorfall informieren.
Bemerkenswerte Koinzidenz: Just am Mittwoch, um 10 Uhr vormittags, fand
sich der US-Botschafter John B. Emerson im Auswärtigen Amt zu einem
Gespräch ein – auf Wunsch der US-Seite, wie das Ministerium betonte.
Allerdings habe der Wunsch auf deutscher Seite ebenso bestanden, wenn es
sich auch nicht um eine förmliche Einbestellung gehandelt habe.
## Zweite Aussprache innerhalb einer Woche
Es war bereits die zweite Aussprache mit dem Botschafter zur Spionageaffäre
innerhalb einer Woche – allein das rangiert weit außerhalb diplomatischer
Normalität. Der Staatssekretär habe dem Botschafter „eindringlich
klargemacht“, wie wichtig eine „aktive und konstruktive“ Mitwirkung der
US-Regierung an der Aufklärung der im Raum stehenden Vorwürfe sei, sagte
ein Sprecher des Außenministeriums. Zur Reaktion des US-Botschafters
schwieg er.
[2][Erst vor einer Woche hatte die Bundesanwaltschaft einen 31-jährigen
BND-Mitarbeiter festgenommen], der seit Ende 2012 mehr als 200
Geheimdokumente an US-Geheimdienste weitergereicht hatte, darunter Papiere
für den NSA-Untersuchungsausschuss im Bundestag. Die Empörung war groß. Den
aktuellen Fall bewerten Insider nach Informationen der Süddeutschen Zeitung
als „noch ernster“.
Merkels Sprecher äußerte sich am Mittwoch besorgt. Bei der Frage, wie
Sicherheit und Freiheitsrechte in Einklang zu bringen seien, gebe es
„tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten“, warnte Seibert. Das
deutsch-amerikanische Verhältnis habe weiter große Bedeutung: „Aber diese
tiefgreifende Meinungsverschiedenheit geht an das Vertrauen dieser
Partnerschaft.“
## Blanke Empörung unter Parlamentariern
Unter Parlamentariern schlug die Stimmung in blanke Empörung um.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sprach von einem „entwürdigen
Schauspiel“. „Ich rate den Amerikanern, jetzt reinen Tisch zu machen, alles
offenzulegen und die Spionageaktivitäten einzustellen.“ Die USA sollten
„Acht geben“, dass das Vertrauen in sie „nicht komplett einstürzt“.
Die Opposition attackierte die Bundesregierung. Linken-Fraktionsvize Sahra
Wagenknecht forderte, „mit der Logik der Geheimdienste zu brechen und die
deutschen Dienste aufzulösen“.
Diesmal scheint der Ärger in den USA anzukommen. Bereits am Dienstag soll
CIA-Chef John Brennan mit dem Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt,
Klaus-Dieter Fritsche, telefoniert haben – ein Versuch des Appeasements.
Auch über das Gespräch wurde Stillschweigen vereinbart. Da allerdings war
der erneute Spionagefall noch nicht bekannt. Nun wird Fritsche wohl erneut
telefonieren müssen.
9 Jul 2014
## LINKS
[1] /Ausspaehaffaere-in-Deutschland/!142073/
[2] /BNDler-soll-fuer-USA-spioniert-haben/!141758/
## AUTOREN
Astrid Geisler
Konrad Litschko
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