# taz.de -- Kommentar Flüchtlinge in Abschiebehaft: Schluss mit dem Misstrauen | |
> Die Bundesländer zögern, die Abschiebehaft für gescheiterte Asylbewerber | |
> abzuschaffen. Das ist peinlich. Der Schritt ist längst überfällig. | |
Bild: Sachsen-Anhalt hat es vorgemacht: Das Land ließ alle Abschiebehäftlinge… | |
Es ist eine fortgesetzte Peinlichkeit. [1][Erst brauchte es den | |
Europäischen Gerichtshof], um eine jahrealte EU-Richtlinie in Erinnerung zu | |
rufen, Flüchtlinge hierzulande nicht neben verurteilten Verbrechern | |
unterzubringen. [2][Jetzt zögern einige Bundesländer] noch immer, diese | |
Selbstverständlichkeit umzusetzen. Dabei zeigt Sachsen-Anhalt, dass es auch | |
unkompliziert geht: Das Land ließ all seine Abschiebehäftlinge frei. | |
Sofort. | |
Warum also die Behäbigkeit der anderen Länder? Dahinter steckt eine tiefere | |
Haltung. Trotz Fluchtkatastrophen im Mittelmeer, trotz heftigster | |
Bürgerkriege, trotz aller verlauteter Willkommenskultur flackert an einigen | |
Stellen immer noch der Geist von 1993 auf, als das Grundrecht auf Asyl | |
zusammengestutzt wurde. Es ist vor allem die Union, die ein gewisses Bild | |
heraufbeschwört von den Menschen, die in dieses Land kommen: das der | |
Bedrohung. | |
Das unterstreicht auch die geplante Asylrechtsreform von | |
CDU-Bundesinnenminister Thomas de Maizière – die, wenn sie so kommt wie | |
geplant, diese Abwehrhaltung noch verschärfen würde. Ungeachtet der | |
Richtung des EuGH-Urteils stünde die Abschiebehaft damit vor einem Revival: | |
Sie wäre so leicht verhängbar wie lange nicht. Eine absurde Wendung. | |
Schon die jetzige Lösung – Flüchtlinge schlicht in eigene Abschiebeknäste | |
zu schicken – ist keine. Denn die Verwahrung, die Isolation, der psychische | |
Druck, all das bleibt. Und das bei Menschen, die von ihrem Schicksal | |
vielfach traumatisiert sind und in einer bedrückenden Zahl in den Zellen | |
Suizid begingen. Menschen, die – man kann es nicht oft genug wiederholen – | |
nichts verbrochen haben, außer mit ihrem Asylwunsch gescheitert zu sein. | |
Aus diesem Grund haben einzelne Bundesländer bereits Erlasse verhängt: | |
Minderjährige, Kranke und Alleinerziehende dürfen dort nicht mehr in | |
Abschiebehaft. Umso erstaunlicher ist es, dass der letzte folgerichtige | |
Schritt nicht gegangen wird: die Haft gänzlich abzuschaffen. Er wäre | |
überfällig. | |
Denn selbst, wer ein Untertauchen der Flüchtlinge fürchtet, hätte | |
Alternativen: Zu denken wäre an Meldepflichten oder Kautionen. Für einige | |
Bundesländer und für Innenminister de Maizière aber ist offenbar bereits | |
der Status quo zu viel des Guten. Es braucht daher mehr als das | |
EuGH-Urteil. | |
Es braucht ein grundsätzliches Umdenken. Eines, das Schutzbereitschaft über | |
Misstrauen stellt. | |
23 Jul 2014 | |
## LINKS | |
[1] /Urteil-zur-Fluechtlingspolitik/!142641/ | |
[2] /Abschiebehaft-in-Deutschland/!142891/ | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
## TAGS | |
Asylrecht | |
Asylpolitik | |
Asylsuchende | |
Flüchtlingspolitik | |
Abschiebehaft | |
EuGH | |
Asyl | |
Flüchtlinge | |
Flüchtlinge | |
Abschiebehaft | |
Abschiebe-Gefängnis | |
Abschiebung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Asyl in Deutschland: In Zelten und Kasernen | |
Als Reaktion auf die steigende Zahl von Asylbewerbern will Duisburg eine | |
Zeltstadt errichten. Entwicklungsminister Müller schlägt dagegen Kasernen | |
als Herberge vor. | |
Nach BGH-Urteil zu Abschiebegefängnissen: Flüchtlinge verlassen Zellen | |
30 Abschiebehäftlinge durften aus den Knästen raus. Eine Grünen-Ministerin | |
fordert das Ende der Abschiebehaft, die CSU pocht weiter darauf. | |
BGH-Entscheidung zur Abschiebehaft: „Fluchtgefahr“ muss konkret sein | |
Der BGH hat einen Großteil der Inhaftierungen von Flüchtlingen für | |
unzulässig erklärt. Das könnte das Ende der Abschiebehaft bedeuten. | |
Abschiebehaft in Deutschland: Tür an Tür mit Kriminellen | |
Der Europäische Gerichtshof beanstandet die deutsche Praxis, Flüchtlinge in | |
Gefängnisse zu sperren. Doch nicht alle Bundesländer reagieren darauf. | |
Urteil zur Flüchtlingspolitik: Richter verlangen Trennung | |
Abschiebehäftlinge sind anders unterzubringen als Strafgefangene, | |
entscheidet der Europäische Gerichtshof. Dieses Urteil hat Konsequenzen. | |
Kommentar EuGH-Urteil Abschiebehaft: Es geht nicht um Strafe | |
Flüchtlinge, die vor der Abschiebung stehen, gehören nicht in normale | |
Gefängnisse. Doch die Humanisierung der Abschiebehaft ist nur ein | |
Nebenschauplatz. |