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# taz.de -- BGH-Entscheidung zur Abschiebehaft: „Fluchtgefahr“ muss konkret…
> Der BGH hat einen Großteil der Inhaftierungen von Flüchtlingen für
> unzulässig erklärt. Das könnte das Ende der Abschiebehaft bedeuten.
Bild: Ihre Forderung nach einem Ende der Abschiebehaft könnte Realität werden…
BERLIN taz | Erst der Europäische Gerichtshof, jetzt der Bundesgerichtshof:
In einer am Mittwoch den Prozessbeteiligten zugestellten Entscheidung
erklärte auch das oberste deutsche Zivilgericht weite Teile der deutschen
Abschiebehaftpraxis für unzulässig.
Erst vor einer Woche hatte der EuGH entschieden, dass Abschiebehäftlinge in
Deutschland nicht mehr in normalen Strafvollzugsanstalten untergebracht
werden dürfen. Nun weitet der BGH dies in seinem Beschluss, der der taz
vorliegt, noch aus: Auch generell sei eine Inhaftierung allein wegen
„Fluchtgefahr“ nicht mehr zulässig – bisher der häufigste Grund für
Abschiebehaft. Der BGH begründet dies mit der seit Januar geltenden
Dublin-III-Verordnung, in der für die Begründung einer Fluchtgefahr klare,
„objektiv gesetzlich festgelegte Kriterien“ eingefordert werden. Die aber
gibt es in Deutschland nicht.
Geklagt hatte ein pakistanischer Flüchtling, der Ende Dezember in Haft
genommen wurde und in sein vermeintliches Erst-Einreiseland Ungarn
abgeschoben werden sollte. Seiner Beschwerde gaben die Richter nun statt –
und werteten diese grundsätzlich: Eine Inhaftierung allein wegen einer
geplanten Überstellung in einen anderen EU-Staat sei „ausgeschlossen“. Nur
eine konkret nachgewiesene „erhebliche Fluchtgefahr“ rechtfertige dies
noch. Was diese begründe, müsse Deutschland aber in einem Gesetz festlegen
und nicht, wie bisher, den jeweils zuständigen Richtern überlassen. Das
Urteil gilt letztinstanzlich: Da sich die EU mit ihrer Dublin-Verordnung
festgelegt habe, so der BGH, bedürfe es keiner Vorlage vor den EuGH.
Das Urteil bringt die Bundesregierung erneut in die Bredouille. Denn
[1][wie eine taz-Umfrage zeigte], setzen vier Bundesländer bereits das
EuGH-Urteil nicht um. Die Dimension des BGH-Beschlusses ist nun noch
größer: Von den derzeit knapp 100 Abschiebehäftlingen in Deutschland sind
die meisten Dublin-Fälle.
Die Linksfraktion sprach denn auch von einem „Paukenschlag“. Deren
Innenexpertin Ulla Jelpke forderte, alle Abschiebehäftlinge „sofort“
freizulassen und zu entschädigen. Es sei ein „Desaster“, dass „vermutlich
Tausende Flüchtlinge zu Unrecht eingesperrt“ wurden. Auch Rechtsanwalt
Peter Fahlbusch, der in den letzten Jahren Hunderte Abschiebegefangene
vertrat, sprach von einem „Sargnagel“ für die Abschiebehaft in Deutschland.
„Das dürfte das Ende bedeuten.“
So weit ist es noch nicht. Denn Bundesinnenminister Thomas de Maizière
(CDU) arbeitet derzeit an einer Reform des Aufenthaltsgesetzes: Dort sollen
genau die vom BGH geforderten Kriterien zur Fluchtgefahr stehen. Was bis
dahin aber mit den zu Unrecht Inhaftierten passiert, beantwortete das
Ministerium am Mittwoch vorerst nicht. Ein Sprecher sagte nur, die
Entscheidung werde "derzeitig sorgfältig geprüft". Linken-Politikerin
Jelpke forderte indes ein generelles Ende der Abschiebehaft, statt nun "in
aller Hast eine Rechtsgrundlage nachzuschieben".
23 Jul 2014
## LINKS
[1] /Abschiebehaft-in-Deutschland/!142891/
## AUTOREN
Konrad Litschko
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