| # taz.de -- SPD nach Thüringer Landtagswahl: Trauernde Königsmacher | |
| > Ramelow oder Lieberknecht? Die SPD kann über den künftigen Thüringer | |
| > Regierungschef entscheiden. Aber sie tut sich damit schwer. | |
| Bild: Mit wem macht's die SPD? Mit Bodo Ramelow (Linke) oder Christine Lieberkn… | |
| ERFURT/BERLIN taz | Angenehm war dieser Auftritt für Heike Taubert nicht: | |
| Am Montagvormittag stand die Thüringer SPD-Spitzenkandidatin im Foyer des | |
| Berliner Willy-Brandt-Hauses, und neben den beiden Herren an ihrer Seite | |
| wirkte sie ziemlich erdrückt. Da war zum einen Sigmar Gabriel, der füllige | |
| Parteichef, der sie schon am Wahlabend öffentlich abgewatscht hatte. Und da | |
| war zum anderen Dietmar Woidke, der 1,94-Meter-Ministerpräsident aus | |
| Brandenburg, der seine eigene Landtagswahl klar gewann. Taubert dagegen | |
| holte für die Thüringer SPD bekanntlich nur 12,4 Prozent der Stimmen. Doch | |
| das ist an diesem Vormittag nicht ihr einziges Problem. | |
| „Wir haben jetzt die wirklich schwierige Situation in Thüringen, dass | |
| sowohl CDU und SPD als auch Rot-Rot-Grün nur jeweils eine Stimme Mehrheit | |
| hätten“, sagte Taubert. Ihre Partei muss sich aber zwischen den beiden | |
| wackligen Optionen entscheiden, und in der Rolle des Züngleins an der Wange | |
| fühlen sich die Sozialdemokraten offensichtlich alles andere als wohl. | |
| Eine stabile Mehrheit für Rot-Rot-Grün hätte einigen in der Partei | |
| gefallen: Raus aus dem Klammergriff der CDU und damit die Weichen stellen | |
| für ein Linksbündnis nach der Bundestagswahl 2017. Nach dem schwachen | |
| Wahlergebnis halten sich die Befürworter eines solchen Bündnisses aber | |
| zurück. So etwa Parteivize Ralf Stegner: „Das Wahlergebnis spricht nicht | |
| für die Große Koalition, aber es ist auch kein Volksvotum für ein Bündnis | |
| mit der Linkspartei“, sagte er der taz. | |
| In Thüringen selbst zögert das Spitzenpersonal ebenfalls, sich klar für | |
| eine bestimmte Koalition auszusprechen. Es ist eher die Basis, die auch | |
| nach der Wahlniederlage offen an den rot-rot-grünen Plänen festhält. So wie | |
| am Sonntagabend eine frustrierte Juso-Gruppe vor dem Wahlpartylokal, die in | |
| den herben SPD-Verlusten die Quittung dafür sah, dass man nicht schon 2009 | |
| bei komfortableren Ausgangsbedingungen in ein Bündnis mit Linken und Grünen | |
| eingestiegen ist. Dann tauchte auch noch der frühere Innenminister Richard | |
| Dewes auf, der schon mehrfach für Machtkämpfe in der Thüringer SPD sorgte. | |
| Er beharrte auf seinem Plädoyer für Rot-Rot-Grün. Und sei es nur mit der | |
| labilen Mehrheit von einer Stimme. „Mehrheit ist Mehrheit“, lächelte er. | |
| Zunächst stehen aber Sondierungsgespräche an, und die wird offenbar nicht | |
| mehr die bisherige SPD-Spitze leiten. Nach Informationen der Thüringer | |
| Allgemeinen hat Bundesparteichef Sigmar Gabriel den 41-jährigen Erfurter | |
| Oberbürgermeister Andreas Bausewein zur Übernahme des Parteivorsitzes im | |
| Land aufgefordert. Bausewein selbst hat mittlerweile erklärt, für das Amt | |
| bereitzustehen. Im Erfurter Rathaus regiert er selbst zusammen mit Linken | |
| und Grünen. Doch auch er weiß, dass das Grunddilemma der SPD nicht einfach | |
| zu lösen ist. „Wir müssen überlegen, wie wir aus der strategisch | |
| ungünstigen Position herauskommen, zwischen Union und Linker zerrieben zu | |
| werden“, sagte er noch am Wahlabend der taz. | |
| ## Die Angst vor der Zehn | |
| Bei der nächsten Landtagswahl sogar unter zehn Prozent zu rutschen, das ist | |
| die große Angst, die bei den Sozialdemokraten umgeht. Vor allem, falls die | |
| Partei in einer neuen großen Koalition unter Ministerpräsidentin Christine | |
| Lieberknecht (CDU) erneut nur als Mehrheitsbeschaffer wahrgenommen werden | |
| sollte. Dass ein solches Bündnis stabiler arbeiten könnte als Rot-Rot-Grün, | |
| gilt aber ebenfalls als unsicher. Auch diese Koalition hätte nur eine | |
| Stimme Mehrheit, weshalb Lieberknecht am Montag eine neue Option ins Spiel | |
| brachte: Die Grünen mit ins Boot zu holen, um so die Mehrheit auszubauen. | |
| Während die sechsköpfige Grünenfraktion für Rot-Rot-Grün wohl bereitstünd… | |
| reagierte die Partei auf den Vorschlag der Ministerpräsidentin abweisend. | |
| „Ich bin sehr skeptisch, ob das auf Landesebene eine Zukunft hat“, | |
| bekräftigte die Thüringer Grünen-Spitzenkandidatin Anja Siegesmund am | |
| Montag in Berlin nach Beratungen der Parteispitzen. Entscheidend seien | |
| rechnerische und inhaltliche Gründe. Die Grünen hätten einen Politikwechsel | |
| in Thüringen angestrebt, betonte Siegesmund. Außerdem habe Schwarz-Rot auch | |
| ohne die Grünen eine Mehrheit. Gespräche würden aber nicht von vornherein | |
| abgelehnt. | |
| Die Sozialdemokraten setzten derweil die Debatte über eigene Fehler im | |
| Wahlkampf fort. Das Offenhalten der Koalitionsfrage hatte Parteichef | |
| Gabriel schon am Wahlabend mit ungewohnt klaren Worten vor laufenden | |
| Kameras kritisiert. Am Montag wiederholte er diese Kritik öffentlich nicht. | |
| Im Parteipräsidium wurde die Frage dem Vernehmen nach aber erneut | |
| kontrovers diskutiert. | |
| 15 Sep 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Bartsch | |
| Tobias Schulze | |
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