# taz.de -- Linkspartei-Politikerin über DDR-Erbe: „Ramelow macht einen Fehl… | |
> Linkspartei-Politikerin Dagmar Enkelmann über eine mögliche rot-rot-grüne | |
> Regierung in Thüringen, den Begriff „Unrechtsstaat“ und falsche | |
> Pauschalisierungen. | |
Bild: Stasiopfer-Gedenkstätte in Berlin: Der Begriff „Unrechtsstaat“ verhi… | |
taz: Frau Enkelmann, war die DDR ein Unrechtsstaat? | |
Dagmar Enkelmann: Nein. Es gab Unrecht und Verbrechen in der DDR, die wir | |
aufabeiten müssen. Aber dazu taugt dieser Begriff nicht. | |
Die Linkspartei in Thüringen will ihn in die Präambel eines möglichen | |
rot-rot-grünen Koalitionsvertrages schreiben … | |
Das halte ich für einen Fehler. Es ist richtig, dass sich SPD, Grüne und | |
Linkspartei auf eine gemeinsame Erklärung zur Geschichte verständigen. | |
Gerade weil eine Regierung mit einem Linkspartei-Ministerpräsidenten etwas | |
Neues wäre. Nur: Unrechtsstaat ist lange als Kampfbegriff verwendet worden. | |
Es ist ein Begriff, der eine differenzierte Bearbeitung der Vergangenheit | |
gerade verhindert. | |
Es gab in der DDR weder eine unabhängige Justiz noch Gewaltenteilung. Warum | |
sperren Sie sich dagegen, das Unrechtsstaat zu nennen? | |
Die allermeisten Urteile in der DDR wurden rechtsstaatlich korrekt gefällt. | |
Ein Teil der Justiz war politisch dominiert – das wissen wir. Aber es gab | |
Rechtsprechung in der DDR, die bis heute Bestand hat und im | |
Einigungsvertrag anerkannt wurde. | |
Aber es gab systematische Rechtsbeugung in der DDR … | |
Ja, auch das wissen wir. Es sind nach 1990 Urteile aus politischen | |
Prozessen in der DDR aufgehoben worden, Verurteilte wurden rehabilitiert. | |
Aber die Kennzeichung der DDR insgesamt als Unrechtsstaat ist falsch. Der | |
Begriff ist ein politisches, moralisches Urteil, das nicht erfasst, wie die | |
DDR entstanden ist und wie sie sich entwickelt hat. | |
Also macht die Linkspartei in Thüringen einen Fehler? | |
Ich hoffe, dass Rot-Rot-Grün zu einer besseren Lösung kommt, die nicht nur | |
die Verhandlungskommission um Bodo Ramelow akzeptiert, sondern auch unsere | |
Basis. Wir brauchen einen Kompromiss, der der DDR eher gerecht wird. | |
Ohne „Unrechtsstaat“? | |
Genau. | |
Die Antikapitalistische Linke akl hält den Begriff für „einen Kotau“ vor | |
SPD und Grünen. Sie auch? | |
Nein. Ich halte eine gemeinsame Erklärung von Rot-Rot-Grün zu den | |
Verbrechen in der DDR für nötig. Mit anderer Wortwahl. | |
Warum gibt es 25 Jahre nach der Wende eigentlich keinen Konsens in der | |
Linkspartei darüber, was die DDR war? | |
Ach, den gibt es doch. Wir beschäftigen uns seit 25 Jahren mit den | |
stalinistischen Strukturen und mit der DDR als Diktatur. Für viele, die in | |
der DDR gelebt haben, war und ist das eine schmerzhafte Auseinandersetzung. | |
Weitere Auseinandersetzung ja. Aber nein zu Verteufelung und | |
Pauschalisierung. | |
Schmerzhafte Erfahrungen haben 1989 Bürgerrechtler gemacht, die verhaftet | |
oder verprügelt wurden. Verstehen Sie, dass manche davon, die heute bei | |
Grünen oder SPD sind, darauf beharren, die DDR Unrechtsstaat zu nennen? | |
Das kann ich nachvollziehen. Sie haben diese Erfahrung gemacht. Aber | |
reichen persönliche Erfahrungen für eine so extrem pauschale Wertung wie | |
Unrechtsstaat? Ich glaube nicht. | |
1 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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