# taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Man nennt es Fortschritt | |
> Taxifahrer sind nicht mehr allein auf dem Mobilitätsmarkt. Es gibt jede | |
> Menge neue Geschäftsmodelle. Und die lassen Taxis bisweilen alt aussehen. | |
Bild: Konkurrenten im Verkehr | |
Berlin Hauptbahnhof, ich nehme auf dem Beifahrersitz Platz. Der Taxifahrer | |
hat gute Laune. Die Stadt ist voll, viele Touristen, das Geschäft läuft. | |
„Heute verdiene ich mehr als Mindestlohn“, freut er sich. Wir tauchen ab in | |
den Tunnel Richtung Kreuzberg. Ich frage: Und die neue Konkurrenz dieser | |
Uber-Fahrer, ist die zu spüren? Und schon ist es mit der guten Stimmung | |
vorbei. Er hasst Uber, die amerikanische Firma, die hier Privatfahrer und | |
Passagiere per Smartphone-App zusammenbringt. | |
Berlin und Hamburg haben diese Vermittlung zuletzt verboten. In | |
Frankfurt/M. und München sehen das Gerichte und Stadtverwaltungen ähnlich. | |
Eigentlich dürfen die neuen Billigtaxis jetzt nicht mehr fahren. | |
Durchgesetzt wird das Verbot aber noch nicht. Neuerdings behauptet die | |
Taxifirma, sie sei eine Mitfahrzentrale, die Fahrten nicht für Gewinn, | |
sondern zum Selbstkostenpreis organisiere. | |
Mein Chauffeur ereifert sich, die Uber-Fahrer seien kaum besser dran als | |
römische Galeerensklaven. Von Armut gedrückt, durch Handlanger | |
amerikanischer Investmentbanken verführt (in Uber steckt Kapital von | |
Goldman-Sachs), ließen sich diese Opfer des globalen Internetkapitalismus | |
von verantwortungslosen Managern am Fahrersitz schrottreifer Rostlauben | |
anketten, wo sie in 16-Stunden-Schichten so wenig verdienten, dass es | |
allenfalls für Aldi-Brot und Margarine reiche. Handy-Arbeiter bei Apple in | |
China hätten es dagegen Sahne. | |
Soweit ich allerdings weiß, tun die Uber-Fahrer ihre Arbeit freiwillig. Wie | |
man hört, sind die Fahrzeuge gepflegt, die Chauffeure nicht in Lumpen | |
gekleidet, wohl aber freundlich. Sie fahren ihre Gäste nicht in den Wald, | |
um sie auszurauben. Manche sind ohnehin täglich durch die Städte unterwegs, | |
weil sie mit ihrem Wagen zur Arbeit fahren, und nehmen dabei Passagiere | |
mit. Für andere ist Uber ein Zuverdienst, mit dem sie ihr anderswo | |
verdientes Gehalt aufbessern. | |
## Zusätzliche Lebensqualität für Zehntausende | |
Die Smartphone-Vermittlung bietet Fahrern und Kunden Vorteile. Erstere | |
erzielen zusätzliche Einkommen. Sie haben Flexibilität beim Arbeiten. | |
Letztere sparen beim Taxifahren. Dass Zehntausende Anbieter und Nachfrager | |
die Möglichkeit nutzen, beweist: Sie betrachten sie als zusätzliche | |
Lebensqualität. Man nennt es Fortschritt. | |
Jede Menge neue Geschäftsmodelle, bei denen zum Beispiel Privatleute ihre | |
Autos teilen, lassen die traditionellen Taxis ziemlich alt aussehen. Für | |
sie sind diese Entwicklungen Bedrohungen. Sie könnten Einkommen verlieren, | |
weil ihnen beispielsweise die Billigfahrer von Uber Kundschaft streitig | |
machen. Für die Taxifahrer ist das Neue kein Fortschritt, eher bedeutet es | |
ein Weniger an Lebensqualität. | |
Was Fortschritt ist und was nicht, ist eine sehr subjektive Angelegenheit. | |
Auf gesellschaftlicher Ebene hängt die Definition auch davon ab, was eine | |
Mehrheit oder einflussreiche Gruppe für richtig hält. Im Falle von Uber ist | |
die Auseinandersetzung noch nicht entschieden. | |
Wenn sie eine Chance haben wollen, sollten die Vertreter der | |
konventionellen Taxis kreativer denken. Vielleicht bieten sie Uber einen | |
Deal an als Gegenleistung für den Verzicht auf Klagen vor Gericht: | |
Aufteilung der Herrschaftsgebiete. Taxis in Berlin, Uber in der Uckermark. | |
Denn dort, das weiß ich aus Erfahrung, muss man Stunden auf ein Taxi | |
warten, wenn man Samstag abends nach dem Besuch bei Freunden den | |
Regionalzug verpasst hat. | |
7 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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